Ökonomische, politische und moralische Konsequenzen der Schulden

Die Fragilität des Systems nimmt zu


Ökonomische, politische und moralische Konsequenzen der Schulden: Die Fragilität des Systems nimmt zu News

Charles Wyplosz spricht beim Institut für Bankhistorische Forschung über das Thema "Main  Lecture Debt – Economic, Political and Moral Consequences". "Schulden sind das Kernproblem", sagt Charles Wyplosz vom Graduate Institute of International and Development, "denn die Schulden wachsen weltweit und unaufhörlich. Die Frage sei aber, ob das schlecht ist."

Wyplosz zeigt Gründe auf, warum ein unverhältnismäßiges Wachstum von Schulden schlecht sein könnte: Hohe Verschuldung zwinge früher oder später zum "Deleveraging", dem Schuldenabbau. Schuldner sind möglicherweise nicht in der Lage, ihre Schulden zu begleichen. Außerdem führe das Kreditwachstum zu einer schlechten Allokation von Ressourcen, sowohl in den Relationen von Aktien und Anleihen, als auch in der Relation von öffentlicher und privater Verschuldung. Die Fragilität des Systems nehme zu, denn Zinsen werden durch übermäßige Kreditnachfrage nach oben getrieben. Außerdem könnten zyklische Baissen ausgelöst werden.

Im Ländervergleich zeigt sich, dass in Deutschland private Verschuldung relativ gesehen abgebaut wurde, wie auch der staatlichen Neuverschuldung Einhalt geboten wurde – im Unterschied zu den meisten anderen Staaten in Europa. Da jeder Verschuldung eine Ersparnis gegenüber steht, sei auch die Frage zu stellen, ob zu viel gespart worden sei. Die realen Zinsen sinken seit den später 1980ern. Wyplosz hält es für fraglich, ob die Zinsen auf frühere Niveaus zurückkehren werden. Neue Einflüsse seien von China und anderen Schwellenländern sowie von den Herausforderungen der demografischen Veränderungen zu beachten.

Schulden sind keine Sünde

Wyplosz kommt auf "moral hazard" zu sprechen: Der Begriff habe nichts mit Moral zu tun, sondern es gehe um das vernünftige Verhalten von Gläubigern und Schuldnern. Es gehe in Wirklichkeit um Anreize. Schuldner gehen ein Versprechen ein und Gläubiger nehmen ein Risiko. Hier gebe es keinen "unschuldig" Beteiligten. Schulden seien keine Sünde, sondern ein finanzielles Instrument.

Exzessive Schulden können drastische Effekte auf private wie auch öffentliche Schuldner haben. Extreme Situationen können zu politischer Instabilität und zur Ablösung von Regierungen führen. Die Weltbank sei zum universellen Schutzpolizisten geworden. Werden Schulden nicht bedient bzw. zurückgezahlt, verlieren die betroffenen Schuldner den Zugang zum Markt und Gläubiger erleiden Verluste. Ein brennendes Beispiel sei Griechenland. Als in den späten 1970er Jahren die Demokratie zu Griechenland zurückkehrte, war die Verschuldung des Staates in Relation zum Bruttoinlandsprodukte noch kaum über 20 Prozent. Seit der Finanzkrise explodierte die Verschuldung durch Kredite aus der Europäischen Union und von der Weltbank.

Wenn die Kredite an Griechenland einfach abgeschrieben würden, müsse sich die Frage stellen, warum überhaupt noch weitere Kredit gegeben werden sollten. Umgekehrt sei fraglich, warum Griechenland noch weitere Kredite nehmen solle, wenn die Bedingungen dafür so schlecht seien. Wyplosz geht auch den moralischen Fragen nach, denn es gehe nicht nur um "moral hazard". Benjamin Friedman schrieb in der New York Review of Books 2014, dass es keine moralische Begründung dafür gebe, Deutschland auf Rückzahlungen gewährter Kredite zu verzichten, zitiert Wyplosz.

Zahlungsunwilligkeit versus Zahlungsunfähigkeit

Das dem Vortrag von Wyplosz folgende Panel widmet sich dem Kernproblem: "Too much debt: Inability or unwillingness to pay?" Es diskutieren Günter Franke,  University of Konstanz, Gerhard Illing, LMU Munich, Joachim Nagel, Deutsche Bundesbank, Lucas Papademos, University of Athens, Academy of Athens und Isabel Schnabel, Johannes Gutenberg University Mainz, unter der Moderation von Reinhard H. Schmidt, Goethe University Frankfurt.

Franke deutet an, dass es keineswegs eine einfache Frage ist, das richtige Maß der Verschuldung zu finden. In jedem Fall sei klar, dass sich eine Insolvenz dann einfach lohne, wenn es billiger sei, insolvent zu werden, als zahlungsfähig zu bleiben. Franke will zwischen Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit unterschieden wissen. Die Situationen seien in ihren Konsequenzen recht unterschiedlich. In der Europäischen Währungsunion sieht Franke Möglichkeiten für Trittbrettfahrer, die Vorteile einer Währungsunion zu nutzen, nicht aber auch die Kosten gemeinsam mit den anderen Partnern zu tragen. "Außerdem gibt es eine Menge Agency-Probleme."

Franke will unterscheiden, ob es eine große Anzahl von Gläubigern gibt, oder nur wenige, mit denen verhandelt werden könne. Anleihen und Kredite unterscheiden sich daher auch schon von ihrer Grundkonzeption her in der Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei Anleihen müsse aufgrund der gewöhnlich größeren Anzahl von Gläubigern mit einem "run" gerechnet werden, wenn es zu Zahlungsschwierigkeiten kommt.

Griechenland habe im wesentlichen die Weltbank (IMF), die Europäische Zentralbank (ECB) sowie die Europäische Union (EU) als Gläubiger. Franke hält es aufgrund dieses kleinen Kreises von Gläubigern für wahrscheinlich, dass es zu einer Einigung kommt, da sonst die Verantwortung für jede Konsequenz einer mangelnden Einigung genau diesen Gläubigern zugeordnet werden könne.

Viele Szenarien möglich

Illing will staatliche Verschuldung in Relation zum Steueraufkommen sehen: Langfristige Zinsen seien sehr schwierig vorherzusehen, aber Staaten haben im Unterschied zu Unternehmen und Haushalte eine Reihe weiterer Möglichkeiten, mit ihrer Verschuldung umzugehen. Illing befasst sich mit den Kosten des Stabilisierungseffekts, der durch eine geringere Verschuldung erreicht werden kann. Jede Reduktion der Verschuldung müsse im Kontext mit der Investitionstätigkeit des Staates gesehen werden.

Nagel unterstreicht, dass Staaten immer wieder gezeigt hätten, dass eine Reduktion öffentlicher Verschuldung möglich ist. Nagel macht daher Hoffnung, dass Verschuldung auch auf ein Niveau gebracht werden könne, die auf Dauer von einem Staat getragen werden könne.

Papademos zeigt auf, wie sich die Verschuldung in Griechenland unter verschiedenen anderen Annahmen als den tatsächlich eingetretenen Umständen entwickelt hätte. Unter realistischen Annahmen über das künftige Wachstum in Griechenland lasse sich eine Reduktion der Verschuldung erwarten. Auch wenn die Verschuldung sinke, werde aber die öffentliche Verschuldung auf sehr hohem Niveau bleiben. Der Schuldendienst werde in den nächsten Jahren machbar sein: Allerdings seien entsprechende Haushaltsüberschüsse unabdingbar. Wenn aber die Wirtschaftsleistung des Griechenlands deutlich unter ihrem Position bleibe, seien Schuldenerlasse unabdingbar.

Schnabel fokussiert den Zusammenhang zwischen Banken- und Staatskrisen. Dieser veranlasse dazu, Banken stabiler zu machen, um Bankenkrisen weniger wahrscheinlich zu machen. Staatsanleihen sind hoch liquide und genießen verschiedene Privilegien wie mangelnde Eigenmittelunterlegung durch Banken. Daher komme es zu einer Überinvestition in Staatsanleihen. Staatsanleihen würden eine besondere Rolle im Liquiditätsmanagement der Banken spielen. Alle Staatsanleihen in der Eurozone seien aber Verbindlichkeiten von Staaten, die ihre Schulden nicht einfach durch die Zentralbank ablösen lassen können.

[ Bildquelle Titelbild: © tiratore - Fotolia.com ]
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