Der neue Bericht "Globale Risiken 2011" wurde vom World Economic Forum am 12. Januar in London veröffentlicht. In der Folge der Finanzmarktkrise sind die Haushaltsdefizite der Staaten rasant angewachsen und die Handlungsfähigkeit hat im gleichen Maße abgenommen. Weitere Erschütterungen der Weltwirtschaft können kaum noch kompensiert werden und zugleich ist das Finanzsystem noch immer stark geschwächt. Hinzu kommen politische und soziale Konflikte rund um den Globus.
Zu dieser Einschätzung der wichtigsten globalen Risiken gelangt das Word Economic Forum nach seiner jährlichen Befragung von knapp 600 Risikomanagement-Experten, die an dem aktuellen Global Risks Survey 2010 teilgenommen haben. In guter Tradition werden jährlich Experten aufgefordert, die Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen von 37 Risiken auf einen Zeitraum der nächsten zehn Jahre abzuschätzen. Zwischen den einzelnen Risiken bestehen durchaus Zusammenhänge. Die Staatsschuldenproblematik erhöht nicht nur das Risiko für Staatsinsolvenzen und damit weitere Rückschläge für das weltweite Wirtschafts- und Finanzsystem, sondern begrenzt auch die Handlungsfähigkeit für strukturelle Weichenstellungen um soziale Konflikte und damit in der Konsequenz politische Risiken zu begrenzen.
Versorgung mit Wasser, Nahrungsmittel und Energie immer schwieriger
Auf Grund des rasanten Bevölkerungswachstums, gegenüber dem Jahr 1970 mit 3,69 Mrd. Menschen hat sich mit aktuell knapp 6,94 Mrd. Menschen die Zahl fast verdoppelt, wird die Versorgung mit Wasser, Nahrungsmittel und Energie zukünftig immer schwerer zu bewältigen sein. Hierzu sind vorausschauende Investitionen in die Infrastruktur notwendig, die jedoch nach der Finanzmarktkrise noch schwerer zu finanzieren sind als zuvor. Geopolitische Verteilungskämpfe sind vorprogrammiert und das Risiko ist nach der Expertenschätzung sehr wahrscheinlich.
Neben den ökonomischen Risiken kann auch der Klimawandel zu einer Verschärfung des Konfliktpotenzials zwischen der Weltbevölkerung beitragen. Hochwasserkatastrophen wie wir sie in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben dürften zunehmen. Insgesamt schätzen die Experten die Wahrscheinlichkeit für Risiken aus dem Klimawandel ("Climate change") als sehr hoch ein und den daraus resultierenden Schaden ebenso.
Auch das Thema "Schattenwirtschaft" wurde von den Experten als Risiko identifiziert: Dieser Komplex umfasst Risiken wie gescheiterte oder fragile Staaten, illegaler Handel, organisiertes Verbrechen und Korruption. Eine immer stärker vernetzte Welt, Regierungsversagen und wirtschaftliche Disparitäten können solchen illegalen Aktivitäten Auftrieb verleihen. Im Jahr 2009 wurde illegaler Handel weltweit auf etwa 1,3 Billionen US-Dollar geschätzt. Diese Risiken, die mit enormen Kosten für die legalen Wirtschaftsaktivitäten verbunden sind, tragen zur Unterwanderung von Staatlichkeit bei, gefährden Entwicklungsmöglichkeiten, und erhalten Armutsspiralen und Instabilität in einigen Ländern aufrecht.
Cyber-Risiken rücken in den Fokus der globalen Risikolandkarte
Ein höheres Schadenspotenzial als die Risiken aus dem Klimawandel haben nur noch die Finanzmarktkrisen, die aber mit einer ähnlich hohen Eintrittswahrscheinlichkeit befürchtet werden. In deren unmittelbarer Nähe befindet sich auf der aktuellen Risikolandkarte auch das Risiko aus der Energiepreisvolatilität. Insbesondere die Industrienationen und produzierenden Unternehmen.
Zunehmend rücken auch die Cyber-Risiken in den Fokus der Experten. Neben der seit Jahren steigenden Internetkriminalität ist auch die Gefahr von Terroranschlägen und Cyber-Kriegen gestiegen. Der Computervirus Stuxnet in der von Siemens gebauten Steuerungsanlage eines iranischen Atomkraftwerks und 14 weiteren Industrieanlagen im September 2010 war ein Vorgeschmack.
Doch auch alte Klassiker tauchen in der globalen Risikolandkarte auf: So bring beispielsweise die Verbreitung von Kern- und biologischen Waffen neue Gefahren in einer fragilen Welt mit sich.
Eine Welt voller schwarzer Schwäne?
"Die Welt ist an einem Punkt angelangt, an dem sie keine weiteren großen Schocks mehr verkraften kann", heißt es in dem Report des World Economic Forum (WEF). Ein Fazit des Reports: Die größte Herausforderung ist heute, Krisen zu verhindern, bevor sie akut werden. Doch wie sollen wir zukünftige Krisen rechtzeitig erkennen? Und hier liegt ein nicht triviales Paradoxon: Jene Risiken, die globale Lösungen erfordern, sind auch gleichzeitig jene, die eine globale Umsetzung dieser Lösungen so schwer, komplex und chaotisch machen.
Auffallend an der aktuellen Risikolandkarte ist, dass die meisten der 37 abgefragten Risiken wahrscheinlich oder sogar sehr wahrscheinlich sind. Hingegen waren im Global Risks Report 2007 – basierend auf einer Befragung im Jahr 2006 – die überwiegende Anzahl der Risiken noch im Mittelfeld. In den Global Risks Reports der Jahre 2008 bis 2010 war das Risiko mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit und dem höchsten Schaden ein Einbruch der Marktpreise von Vermögenswerten ("Asset Price Collapse"), was sich in den Jahren auch bewahrheitete. Gleichzeitig wurde jedoch unmittelbar vor der Finanzmarktkrise das Risiko einer Haushaltskrise der Staaten ("Fiscal crises in advanced econmies") nur mit knapp über einem Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet und das Risiko einer Liquiditäts-/ Kreditkrise existierte noch gar nicht in der Landkarte. Viele der Risiken wurden von den Risikomanagement-Experten erst erkannt, als sie bereits eingetreten waren. Somit erfolgt auch hier die Risikoidentifizierung zumindest teilweise durch einen Blick in den Rückspiegel.
Immerhin, eines der vielen Risiken liegt ganz deutlich nahe dem Koordinatenursprung der Risikolandkarte und hat somit sowohl eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit als auch ein niedriges Schadensausmaß: "Space Security". Das bedeutet in letzter Konsequenz wohl auch dass mit Angriffen von Außerirdischen in den nächsten zehn Jahren nicht zu rechnen ist!
Zum Global Risks Report:
Der Global Risks Report 2011 wurde in Zusammenarbeit mit Marsh & McLennan Companies, der Schweizerischen Rückversicherungsgesellschaft, dem Wharton Center für Risk Management und Zurich Financial Services veröffentlicht. Er beruht auf den Meinungen von 580 Experten, die an der Global Risks Survey 2010 des World Economic Forum teilgenommen haben und verschiedene Interessensgruppen und Regionen vertreten.
[Bildquelle oben: iStockPhoto; Global Risk Map 2011: World Economic Forum]
Kommentare zu diesem Beitrag
"Dabei messen Menschen neuen Informationen besondere Aufmerksamkeit zu und bewerten sie daher über: Mit diesem Verhaltensmuster kann der Mensch in der Natur schnellstmöglich auf Gefahren reagieren. Auf den Finanzmärkten führt diese Angewohnheit allerdings zu überdimensionalen Ausschlägen, weil jede Kleinigkeit, wenn sie nur neu ist, stärker in die Bewertung eingeht, als die tatsächliche Profiterwartung dies rechtfertigt. Börsenteilnehmer benehmen sich folglich wie nervöse Frösche und sorgen für ein übertriebenes Auf und Ab auf den Märkten, das nach rationalen Gesichtspunkten nicht angemessen ist."
Siehe: https://www.risknet.de/risknews/nervoese-froesche-und-risikomanagement/
"... Interessanter als die eigentliche Risk Map sind die Korrelationen zwischen den einzelnen Risiken (Risks Interconnection)...."
Bitte, bitte, bitte, ....., Korrelation ist für die Tonne.
JEDES Modell das mir bislang über den Weg gelaufen ist und Korrelationsfaktoren hatte, war in schwierigen Situationen (Schwarze Schwäne) untauglich...