Staat und Versicherungswirtschaft müssen bei Risikoabsicherung kooperieren
Laut einer aktuellen Studie nutzt die öffentliche Hand immer häufiger das Fachwissen und die wachsende Kapazität des privaten Versicherungssektors, um sich gegen Katastrophenschäden und ein breites Spektrum von weiteren Risiken abzusichern. Der Analyse zufolge ist das staatliche Engagement im Versicherungsbereich dabei von Land zu Land und je nach Produktsparte unterschiedlich. Es reiche von der Festlegung des aufsichtsrechtlichen Rahmens für die Tätigkeit der Versicherer über die explizite Zeichnung einiger Produkttypen und die Einführung von Versicherungspflichten in bestimmten Sparten bis zur Rolle als Versicherer der letzten Instanz nach Extremereignissen. Insgesamt könnte die Effizienz des Versicherungsmarktes durch staatliche Eingriffe einerseits verbessert werden, andererseits erwiesen sich viele Maßnahmen auch als kontraproduktiv – so leiste beispielsweise die staatliche Subventionierung von Gebäudeversicherungen einer immer dichteren Besiedlung in von Naturkatastrophen bedrohten Gebieten Vorschub.
Fast alle Staaten engagieren sich stark als Anbieter von Kranken-, Invaliditäts-, Arbeitsunfall-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungen. Diese Aktivitäten definieren explizit die Mindestdeckung für Gesundheitsversorgung und Sicherheit und finanzieren Programme mit zweckgebundenen Einnahmen. In der Regel sind diese Programme als eine Art staatliche Beihilfe für chronisch kranke, alte oder einkommensschwache Menschen konzipiert. Oft besteht Versicherungspflicht, damit Bevölkerungsteile mit geringerem Risiko teilnehmen und die Beihilfe finanzieren müssen.
Um Schadenzahlungen sicherzustellen, schreibt der Staat in vielen Fällen eine private Haftpflichtversicherung vor, beispielsweise in der Motorfahrzeug-, Produkt- und Umwelthaftpflicht. Die Kosten einer privaten Pflichtversicherung wirken häufig als Anreiz zur Schadenprävention.
In Gebieten, in denen Versicherungen gegen die Schäden in Folge von Naturgefahren teuer sind, hilft nicht selten der Staat mit einer Subventionierung der Versicherungsprämien. Dadurch entfallen die Versicherungskosten naturgemäß als Preissignal, das einen Anreiz zur Reduzierung des Risikopotenzials schafft. Außerdem führt es dazu, dass beispielsweise Steuerzahler in Gebieten mit geringerem Risiko der Sturmversicherung für Häuser an einem hurrikangefährdeten Strand subventionieren. Auch bei anderen staatlich organisierten oder subventionierten Versicherungsprogrammen sind die negativen Auswirkungen nicht risikogerechter Prämiensätze problematisch, so die Ergebnisse der Analyse.
In einigen Fällen findet der Staat Möglichkeiten, gemeinsam mit dem privaten Versicherungssektor Risikoabsicherungen anzubieten, deren Deckung für private Versicherungen zu unberechenbar oder zu teuer wäre. Beispiele sind Erdbebenversicherungen (in Japan, der Türkei und Taiwan), Terrorismus-Versicherungsprogramme (beispielsweise TRIA in der USA, GAREAT in Frankreich und NHT in den Niederlanden) oder Nuklearhaftpflicht-Risikoversicherungen. Einige Regierungen schließen Versicherungen ab, um ihre unmittelbaren Eventualverbindlichkeiten aufgrund von Naturkatastrophen zu decken. Eine Gemeinsamkeit dieser Beispiele ist, dass der privat versicherte Teil der Deckung definiert und begrenzt ist. Der Staat behält immer seine Funktion als Versicherer der letzten Instanz, kann aber ein Risikoprofil entwerfen, das die Versicherer tarifieren und das sich die Versicherungsnehmer leisten können.
Nicht alle Risiken sind versicherbar
Nicht alle Risiken sind durch private Risikoträger versicherbar. Baruch Berliner nennt elf Kriterien für die Versicherbarkeit im privaten Sektor (siehe nachfolgende Tabelle). Ein Risiko, das ein Versicherer als unversicherbar einstuft, wird vielleicht von einem zweiten mit anderer Risikobereitschaft, Kompetenz, Kapitalkapazität oder Geschäftszusammensetzung gerne übernommen, so die Autoren. Das sechste Kriterium umfasst Beispiele für Informationsasymmetrien zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmern, die berücksichtigt werden müssen. Als Moral Hazard wird die Möglichkeit bezeichnet, dass ein Versicherungsnehmer nach dem Abschluss der Versicherung höhere Risiken eingeht. Negativselektion liegt vor, wenn Parteien mit hohem Risiko sich überproportional häufiger versichern als Parteien mit geringerem Risiko.
Tabelle: Voraussetzungen der Versicherbarkeit (Quelle: Baruch Berliner: Limits of Insurability of Risks, 1982; Sigma 03/2011)
Die sigma-Studie "Die Rolle des Staates im Versicherungsmarkt" steht auf der Swiss-Re-Website unter www.swissre.com zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Download Sigma 03/2011:
[Bildquelle: iStockPhoto]