Marken als Vertrauenssysteme gewinnen und binden am effizientesten Kunden als die einzigen Wertschöpfungstreiber an das Unternehmen. Sie bieten eine attraktive Plattform für die Produkte des Unternehmens und Einführung neuer Produkte. Starke Marken absorbieren zudem das Risiko eines Fehlkaufes für ihre Kunden und sie reduzieren vielfältige weitere Risiken, indem sie zum Beispiel ein breiteres Aktionärsinteresse auslösen, konjunkturelle Einbrüche und Vertrauensverluste bei Managementfehlern abmildern oder die Variabilität und Volatilität künftiger Cashflows reduzieren.
Das größte Risiko für Marken ist jedoch der Verlust des Vertrauens ihrer Kunden, welches zum Verlust der Kunden führt und damit zum Verlust der einzigen Einnahmequelle für das Unternehmen.
Dagegen kann man sich aber nicht versichern, wie bei anderen Risiken. Viele Unternehmen wissen jedoch nicht wann das Risiko eines Kundenverlustes droht, denn sie setzen kein proaktives Frühwarnsystem ein. Maßnahmen werden deshalb erst dann ergriffen, wenn das Risiko schon eingetreten, das Vertrauen der Kunden und Öffentlichkeit beschädigt ist und die Marke nicht mehr die Kraft hat, Wertschöpfung für das Unternehmen zu generieren und das Unternehmen in den Konkurs schlittert. Seit dem Jahr 2005 liegt aber mit dem Werkzeug "BRAND RADAR" ein Frühwarnsystem vor, das Risiken auf Basis eines Risikoatlasses frühzeitig erkennt und rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.
Abb. 01: Das Frühwarnsystem BRAND RADAR ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Risiken in Markensystemen und hilft Kundenverluste proaktiv zu vermeiden [Bildquelle: Schiller Brand Company]
Nachfolgend sollen vier zentrale Risikobereiche dargestellt werden, die systemische Auswirkungen auf den Verlust von Kunden haben und deren Kenntnis die Basis für eine risikoarme Markenführung bilden.
Das Reputationsrisiko
Dieses Risiko betrifft den möglichen Imageschaden für eine Marke, der durch negative Markensignale entstehen kann, welche die Reputation, den guten Ruf, das Ansehen der Marke, beschädigen. Die Reputation, die eine Marke in der Öffentlichkeit besitzt, hat deshalb immer Auswirkungen auf das Vertrauen in die Marke und die damit verbundene Markenloyalität.
Abb. 02: Die Wirkung von Reputationsrisiken [Bildquelle: Lifehack Quotes]
Vertrauen ist jedoch nicht nur ein Mechanismus zur Absorption von Risiken, sondern auch sehr fragil und kann schon bei kleinsten Ursachen blitzartig in Misstrauen und Kundenverlust umschlagen: Wenn der gesundheitsschädliche Zuckergehalt in Kinderkeksen zu hoch ist, Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit in asiatischen Fabriken auftauchen oder die Staatsanwaltschaft gegen ein Mitglied des Vorstandes ermittelt, sind die Folgen für Unternehmen heutzutage nahezu unkalkulierbar.
Abb. 03: Der Goldene Windbeutel 2017 geht an Alete: Bei einer Online-Abstimmung der Verbraucherorganisation Foodwatch wählte eine große Mehrheit der mehr als 70.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen zuckrigen Kinderkeks des Herstellers zur dreistesten Werbelüge des Jahres [Bildquelle: Alete]
Reputationsrisiken können zudem andere Risiken auslösen oder entstehen als Ergebnis anderer Risiken (Geschäftsrisiken, IT-Risiken, Produkt- oder Produktionsrisiken, Liquiditätsrisiken etc.).
Folgende Symptome fördern das Risiko der Beschädigung der Reputation der Marke:
- Im Unternehmen liegen keine Informationen über die Werte und Kultur der Marke vor.
- Dem Unternehmen und seinen Führungskräften ist das Thema "Reputation und damit verbundene Risiken" unbekannt.
- Es ist kein methodisches Wissen vorhanden (beispielsweise im Bereich der Szenarioanalyse oder weiterer Methoden im Bereich der Strategieentwicklung), um Reputationsrisiken zu vermeiden.
- Das Unternehmen ist nicht kundenorientiert.
- Das Unternehmen verfügt über keinen kulturellen Verhaltenskodex.
- Es liegt kein Konzept für eine Krisenkommunikation vor.
- Die heutige durch Co-Kreation, Social-Media-Vernetzung und Fake News charakterisierte Marketinglandschaft verstärkt das Reputationsrisiko zusätzlich.
Das Risiko der Markenverwässerung
Dieses Risiko bezieht sich auf den Verlust von Bedeutungen, die eine Marke von anderen unterscheidet. Differenzierung ist wesentlich für die Wahrnehmung der Marke im Wettbewerbsumfeld. Der Verlust an Differenzierung hingegen ist der erste Schritt zum Verlust der Einzigartigkeit der Marke als Basis der Kundenbindung. Im Ergebnis führt der Verlust der Einzigartigkeit dazu, dass Kunden leichter zu anderen Marken wechseln und die Bereitschaft der Kunden sinkt, Preisaufschläge zu bezahlen.
Unternehmen verwässern ihre Marke vor allem durch den Anbau einer Vielzahl von Produkten in der gleichen Kategorie oder durch Produkte einer neuen Kategorie unter einer Dachmarke. Die Ursache liegt in einem fehlgeleiteten Denken: Unternehmen denken, sie verdienen mit vielen Produkten Geld, doch wahr ist, dass sie nur mit vielen Kunden Geld verdienen, denn der einzige, der in das Unternehmen einzahlt, ist der Kunde. Das Unternehmen mit seinen Produkten ist leider ein einziger Kostenblock. Unternehmen befinden sich deshalb nicht im Wettbewerb der Produkte, sondern im Wettbewerb der Wahrnehmung der Produkte durch den Kunden. Werden aber zu viele Produkte angeboten, erhöht sich die Wahrnehmungskomplexität, sinkt die Kaufbereitschaft, denn es steigt der" Entscheidungs-Stress" wie zum Beispiel die Studie von S. Lyengar & M. Lepper, 2000 aufzeigte. Das musste auch die Marke "blend-a-med" schmerzlich erfahren, welche durch eine zu tiefe Produkt-Diversifikation ihre Marktführerschaft verlor. Das Ergebnis: Das Unternehmen verdeckte den zentralen Nutzensinn und die damit verbundenen Bedeutungen der Marke und irritierte damit ihre Kunden, die dann nicht mehr bereit waren die blend-a-med Produkte zu kaufen. Damit öffnete die Marke blend-a-med dem Unternehmen Gaba mit seinen klar positionierten Marken Elmex & Aronal die Möglichkeit, ihre bisherige Marktposition zu besetzen.
Abb. 04: Eine zu hohe Produkt-Diversifikation verwässerte der Marke blend-a-med das Nutzenprofil und kostete dem Unternehmen die Marktführerschaft [Bildquelle: Schiller Brand Company]
Auch die Entscheidung von Harley Davidson mit "Beef Jerky" in den Genussmittelmarkt einzusteigen oder die Einführung von Oreos von Nabisco mit Wassermelonengeschmack endeten als Flop. Viele neue Produktangebote in derselben Kategorie bringen zudem unweigerlich Überlappungen und führen aus Sicht der Konsumenten zu unklaren Positionierungen. Ein gutes Beispiel dafür liefert die C-Klasse von Mercedes oder der Phaeton von VW, die einfach nicht zu den markentypischen Bedeutungsprofilen der Marken passen.
Abb. 05: Die Produktion des Luxuswagens VW Phaeton passte nicht zum Bedeutungsprofil "Volkswagen" und wurde 2016 eingestellt [Bildquelle: Volkswagen AG]
Um diese Risiken zu vermeiden, empfiehlt es sich den Fokus auf die Kernprodukte und die damit verbundenen Assoziationsprofile zu verengen, wie es zum Beispiel die Marke MINI getan hat. Dreizehn verschiedene Kandidaten buhlten um die Gunst der Kunden: Zweitürer, Viertürer, Clubman, Countryman, Cabrio, Coupé, Roadster, Limousine, Paceman, Rocketman, SUV, Minivan, Traveller. "Eine derart extreme Spreizung ist Nonsense", befand der Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer. MINI konzentrierte sich deshalb auf fünf starke Kernmodelle, welche die zentralen Kundenbedürfnisse abbilden: Dreitürer (F56), Fünftürer (F55), Clubman (F54), Cabrio (F57) und Countryman (R60).
Das Risiko der Markenkannibalisierung
Dieses Risiko mindert die Abverkäufe und Erträge, weil Kunden neue Produkte, statt bestehende Produkte kaufen. Die damit einhergehende Kannibalisierung oder auch Intra-Substitution genannt, ist von ihrer Art her ein Ausstrahlungsrisiko, denn normalerweise versucht man den Wettbewerb im eigenen Produktportfolio zu vermeiden.
Die Ursache liegt oftmals darin, dass verbesserte oder Produkt-innovationen zusätzlich in das Produktportfolio aufgenommen werden ohne die alten Produkte konsequent aus dem Sortiment zu nehmen. Ein weiterer Effekt der Kannibalisierung entsteht, indem zusätzlich ein preisgünstigeres Produkt angeboten wird, welches den Verkauf des hochpreisigen Produktes verhindert. Siehe zum Beispiel das Tesla Model 3 als massentaugliches E-Auto unter der exklusiven Tesla Premiummarke.
Abb. 06: Tesla verwässert sein Premium-Image mit dem Massenprodukt Tesla Model 3 [Bildquelle: Tesla]
Das gleiche passiert bei vertikalen Erweiterungen in hochpreisige Segmente, wie zum Beispiel beim Porsche Cayenne. Im Ergebnis erschließt das Unternehmen zwar neue Käuferschichten, erzeugt aber zwei Risikofelder: Abschmelzung des Preispremiums und Irritation der Kernkundschaft, die ebenfalls zu Abschmelzungen führen kann. Das ist besonders bei Luxusmarken der Fall. So gehen Burberry und Armani in preissensible Outlet-Center, mit der Folge eines "Demokratisierungs-Effektes", der sich negativ auf die Markentreue der Kernkundschaft auswirken kann. Louis Vuitton geht diesen Weg konsequenterweise nicht.
Ein weiteres, weit verbreitetes Risiko, ist die Weitergabe von Rabatten durch die Markenhersteller oder den Handel an die Käufer. Das ist vor allem ein Risiko für Premium- und Luxusmarken, wird doch die Qualität durch den Preisnachlass verdeckt. Der Preis ist jedoch ein wichtiger Parameter für die Beurteilung der Produktqualität durch den Kunden und eine damit verbundene Kaufbereitschaft. Außerdem besteht das Risiko der Integration von kulturell nicht zur Marke passender Käufer, welche die Stammkundschaft irritiert und deren Vertrauensbindung zur Marke lockert oder sogar auflöst.
Abb. 07: Die Luxusmarke Louis Vuitton ist nicht für jeden da. Deshalb gibt es die Marke auch nicht im Factory-Outlet [Bildquelle: Louis Vuitton]
Das Risiko der Markendehnung
Dieses Risiko limitiert die Möglichkeiten, auf neue Marktchancen, Technologien oder veränderte Bedürfnisse der Konsumenten mit neuen, maßgeschneiderten Angeboten unter einer neuen Marke zur reagieren. Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Kosten setzen heute Unternehmen oftmals auf den Einsatz einer Dachmarkenstrategie. Ein wichtiges Risiko, was dabei übersehen wird, ist, dass Qualitätsrisiken eines Produktes immer auf das Image der ganzen Marke ausstrahlen. Außerdem entsteht das Risiko der Komplexität aufgrund einer Vielzahl an Produkten oder Produktkategorien. Die Marke verliert ihren Fokus und damit ein scharfes Profil, welches die Markenwahrnehmung erschwert.
Diesem Risiko kann man mit dem Einsatz einer divergenten Markenstrategie begegnen. Mit einer "Spezialisten-Marke" wird ein neuer Markt erfunden: Die Marke wird fokussiert auf ein Segment ausgerichtet und mit einer nutzenbasierten Besonderheit positioniert. So steht Erima für innovative Teamsportprodukte, Evoc für schützende Bags & Backpacks, Croozer für einfach handhabbare Fahrradanhänger, Löffler für Premium-Sportbekleidung oder Sigg für Trinkflaschen – Made in Switzerland.
Abb. 08: Die Schweizer Marke SIGG positionierte seine Marke auf "Swissness" und kann mit dem damit verbundenen Imagetransfer selbst in China, wo die meisten Trinkflaschen produziert werden, einen Premiumpreis durchsetzen [Bildquelle: Schiller Brand Company]
Sind Marken mit dominanten Bedeutungen, die eng mit einer Kategorie verknüpft sind – wie Tempo und Taschentücher, Stihl und Kettensägen, Victorinox und Taschenmesser, Rottler und Seilzüge, Hilti und Bohrmaschinen oder Levis und Jeans –, positioniert, sind die Möglichkeiten einer Kompetenzdehnung sehr limitiert und riskant. Auch Marken, die eine starke Verbindung mit Bedeutungen haben, welche nicht zu einem Anbau einer neuen Leistungskompetenz passen, gehen mit Markendehnungen große Risiken ein, die meist mit einem Flop enden. So passte die Gründung einer eigenen Fluglinie durch die amerikanische Restaurantkette Hooters nicht zur Marke Hooters, weil dominante Assoziationen wie Leichtfertigkeit oder Frivolität im Widerspruch zum Sicherheitsbedürfnis beim Fliegen standen.
Nachfolgend finden Sie 10 Schlüsselfragen zur Reduzierung von Risiken im Zusammenhang mit Marken:
10 Schlüsselfragen zur Risikoreduzierung
1. Ist Ihre Marke sehr offen ohne eine alleinstellende Besonderheit positioniert?
2. Gibt Ihre Marke ihren Kunden kein verbindliches Nutzenversprechen?
3. Fehlen Ihren Mitarbeitern klare Leitlinien zur Führung Ihrer Marke in deren Verantwortungs- und Handlungsbereich?
4. Haben die Produkte keine Merkmale, an denen man sofort Ihre Marke erkennt?
5. Ist Ihre Marke mit unklaren oder austauschbaren Bedeutungsprofilen besetzt?
6. Ist Ihre Marke breit aufgestellt und umfasst zahlreiche Produktlinien, Preisniveaus und Kategorien?
7. Ist Ihre Marke stark mit einer Person verbunden, wie beispielsweise dem Gründer oder einer bekannten Person als Werbeträger?
8. Fehlt Ihrem Markenmanagement -Team professionelles Know-how in Krisenmanagement, PR oder Sozialen Medien?
9. Fließt ein hoher Anteil Ihres Werbebudgets in digitale Werbung, die auf den Surfverläufen der Konsumenten basiert?
10. Setzen Sie eine Dachmarkenstrategie ein, bei der viele Produkte unter demselben Markennamen angeboten werden?
Je öfter Sie mit "Ja" antworten, desto stärker ist Ihre Marke Risiken ausgesetzt. Jedes einzelne "Ja" erfordert Aufmerksamkeit und sollte umsichtig gemanagt werden, um mögliche Beschädigungen des Vertrauens in die Marke proaktiv zu vermeiden.
Zum Autor:
Wolfgang Schiller ist weltweit der führende Experte auf dem Gebiet des Brand Risk Managements. Er hat zuverlässige Prozesse und effiziente Tools entwickelt, wie man Marken proaktiv vor Risiken schützt und damit den Verlust von Kunden rechtzeitig vermeidet.