Kommentar

Die "halbe Rezession"


Die "halbe Rezession" News

Ich habe mich gewundert, wie wenig die schlechten Konjunkturzahlen beachtet wurden, die letzte Woche für das vierte Quartal 2012 veröffentlicht wurden. In Deutschland ist die reale Wirtschaftsleistung mit einer Jahresrate von 2,3 Prozent zurückgegangen, im Euroland insgesamt im gleichen Tempo (Österreich "nur" minus 0,8 %). Das ist der schlechteste Wert seit dem großen Einbruch nach der Finanzkrise 2009. Euroland insgesamt befindet sich in einer Rezession, Deutschland und Österreich sind in einer "halben Rezession". Wenn es in diesen Monaten noch ein "Minusquartal" gibt, dann haben auch diese Länder eine ganze Rezession.

Trotzdem war niemand so richtig erschreckt über diese Zahlen. Überall hieß es, das sei Vergangenheit. Es sage nichts über die Zukunft aus. Der Tiefpunkt des Zyklus liege hinter uns. Ab jetzt gehe es wieder aufwärts. Das erinnert sehr an den verzweifelten Song der Beatles in den sechziger Jahren "I've got to admit it's getting better, it's a little better all the time (it can't get no worse)", den der Chefvolkswirt des Institutes für International Finance, Phil Suttle, in einem Kommentar zu den Zahlen zitierte.

Was macht uns eigentlich so sicher, dass es von nun an wieder aufwärts geht? Zwei Gründe werden angeführt. Einmal die Ergebnisse der Befragungen. Sowohl in den USA (ISM) als auch in China (PMI) und Deutschland (ifo) zeigen die Indikatoren schon seit einigen Monaten nach oben. Die Stimmung wird besser. Zum Anderen die freundlichen Aktienkurse. Sie deuten nicht auf einen Konjunkturabschwung hin.

Beides sind aber "Soft Facts", auf die man nicht zu sehr bauen sollte. Stimmungen können stark schwanken. Aktienkurse haben eigene Gesetze. Ausgerechnet im vierten Quartal, als es mit der Wirtschaft so stark nach unten ging, sind die Aktienkurse besonders kräftig gestiegen.

Sieht so die Konjunkturwende aus? Wachstum des realen BIP in Deutschland in % [Quelle: Bundesbank]
Sieht so die Konjunkturwende aus? Wachstum des realen BIP in Deutschland in % [Quelle: Bundesbank]

Im Übrigen gibt es eine Reihe von Indizien, die an der Theorie eines bevorstehenden Aufschwungs Zweifel aufkommen lassen. Das erste Quartal wird schon aus Witterungsgründen vermutlich nicht besonders gut. Im Januar war die Temperatur durchwachsen. Im Februar war sie zumindest in Deutschland für den Bau schlecht. Da müsste der März schon außerordentlich warm sein, um das herauszureißen.

Die Weltwirtschaft ist nach wie vor lahm. Der Baltic-Dry-Index, der die Frachtraten misst, bewegt sich nach dem Absturz im Dezember auf niedrigem Niveau seitwärts. In den USA sind im Januar kräftige Steuererhöhungen in Kraft getreten (Payroll Tax). Im März drohen Ausgabenkürzungen (Sequester). Dann folgen die Verhandlungen über die Anhebung der Obergrenze für die Schulden. Von der öffentlichen Hand gehen also keine positiven Impulse aus. Die Unternehmen, die sich mit ihren Investitionen im Hinblick auf den "Fiscal Cliff" zurückgehalten hatten, werden jetzt kaum erleichtert aufatmen.

Über die chinesische Konjunktur wissen wir nicht viel, außer den Einkaufsmanagerindices (die dort aber besonders wenig aussagen). Die neue Parteiführung, die Ende 2012 gewählt wurde, tritt ihre Staatsämter erst im März an. Bis dahin dürfte nicht allzu viel passieren. In Asien sind nur in Japan die Zeichen eindeutig auf Wachstum gestellt. Es ist aber zu klein, um die ganze Region nach oben zu ziehen.

Im Euroland ist die Stimmung zwar nach wie vor entspannt. Es drohen aber Unsicherheiten von den italienischen Wahlen und von den Verhandlungen mit Zypern. Frankreich ist auch in diesem Jahr nicht in der Lage, seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. Die Niederlande sind schon seit zwei Quartalen in der Rezession. Es ist bereits die Rede von einer neuen Ländergruppierung, die die GIPS ablöst: Die FINS (Frankreich, Italien, die Niederlande und Spanien).

Damit sind die Perspektiven des Exports zumindest für Deutschland weiterhin verhalten. Unsicher sind auch die Aussichten für die Investitionen. Die Ausgaben für Maschinen und Ausrüstungen sind in der Bundesrepublik in den letzten fünf Quartalen real zurückgegangen. Warum sie sich ausgerechnet jetzt wieder erholen sollten, ist schwer zu verstehen. Dies insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen. Da gibt es zwar Wahlgeschenke (Betreuungsgeld, Abschaffung des Praxisgelds etc.). Das wirkt sich positiv auf den privaten Verbrauch und die öffentlichen Ausgaben aus. Andererseits ist es nicht geeignet, die Zuversicht der Unternehmen zu stärken.

Manche setzen die Hoffnung auf den Lagerzyklus, der die Nachfrage im vierten Quartal gedämpft haben könnte, im ersten Quartal aber wieder belebend wirken wird. Bisher ist davon aber nichts zu sehen. Aus den Unternehmen (zum Beispiel beim Stahl und in der Chemie) gibt es bisher keine Anzeichen für einen lagerzyklisch bedingten Aufschwung.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.



[Bildquelle: © EtiAmmos - Fotolia.com]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /22.02.2013 16:17
+++ ifo-Geschäftsklima auf höchstem Stand seit April 2012 +++

Das Geschäftsklima in Deutschland hat sich im Februar deutlicher als erwartet verbessert, was auf eine Rückkehr des Wirtschaftswachstums im ersten Quartal hindeutet. Wie das Münchener ifo Institut für Wirtschaftsforschung mitteilte, stieg der Geschäftsklimaindex auf 107,4, nachdem er im Vormonat bei 104,3 notiert hatte. Der stärkste Anstieg seit Juni 2010 trug den ifo-Index auf den höchsten Stand seit April 2012.

Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten lediglich einen Anstieg auf 104,7 Punkte prognostiziert. Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage erhöhte sich auf 110,2 von 108,1 im Vormonat. Die Erwartungskomponente kletterte auf 104,6 (100,6). "Die deutsche Wirtschaft nimmt Fahrt auf", kommentierte das ifo-Institut die Umfrageergebnisse.

Im verarbeitenden Gewerbe stieg das Geschäftsklima im Februar deutlich, was besonders auf wesentlich optimistischere Geschäftsaussichten zurückzuführen war. Darüber hinaus zeigten sich die Industriefirmen zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Auch die Exporterwartungen stiegen weiter und lagen über ihrem langfristigen Durchschnitt.

Im Großhandel erholte sich das Geschäftsklima nach der Eintrübung im Vormonat deutlich. Die Großhändler waren erheblich zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage und spürbar weniger pessimistisch für die kommenden Monate. Im Einzelhandel blieb das Geschäftsklima dagegen unverändert. Die Urteile zur Geschäftslage waren zwar im Vergleich zum Vormonat positiver, jedoch nahm die Skepsis bezüglich des künftigen Geschäftsverlaufs wieder etwas zu.

Im Bauhauptgewerbe hellte sich der Geschäftsklimaindex erneut kräftig auf, vor allem weil die Geschäftsaussichten erheblich optimistischer ausfielen. Diese erreichten den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Auch die Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Lage nahm weiter zu.
RiskNET Redaktion /22.02.2013 16:18
+++ EU-Kommission senkt Wachstumsprognose für Deutschland +++

Die EU-Kommission hat ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden Jahr leicht gesenkt, rechnet aber für nächstes Jahr weiterhin mit einer deutlichen Verstärkung des Wirtschaftswachstums. Wie aus der aktuellen Prognose der Kommission hervor geht, rechnet sie damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2013 um ein halbes Prozent steigen wird und 2014 um 2,0 Prozent. Im November hatte sie noch Wachstumsraten von 0,8 und 2,0 Prozent vorausgesagt.

Die Kommission erwartet, dass das Wirtschaftswachstum wegen der guten Arbeitsmarktlage und der hohen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Jahresverlauf anziehen wird. Dass sie ihre Prognose für den Jahresdurchschnitt 2013 trotzdem gesenkt hat, begründete die Kommission mit der schwachen Ausgangsbasis, die sich aus dem BIP-Rückgang von 0,6 Prozent im vierten Quartal 2012 ergibt.

Ihre Prognosen für die Entwicklung der öffentlichen Finanzen hat die Kommission nicht verändert. Sie erwartet nach wie vor, dass der deutsche Staat 2013 gemessen am BIP ein Haushaltsdefizit von 0,2 Prozent aufweisen wird und 2014 einen ausgeglichenen Haushalt haben wird.

Darüber hinaus prognostiziert die Kommission, dass der Staat den 2012 erreichten konjunkturbereinigten Überschuss von 0,5 Prozent in den beiden Folgejahren halten kann. "Damit dürfte Deutschland seine mittelfristigen Haushaltsziele erreicht haben", konstatierte die Kommission.

Die gesamte Verschuldung Deutschlands sieht die EU-Kommission 2013 bei 80,7 (zuvor: 80,8) Prozent und 2014 bei 78,3 (78,4) Prozent.
RiskNET Redaktion /22.02.2013 16:18
+++ Kommission: Euro-Wirtschaft muss sich durch schwieriges Jahr schleppen +++

Die EU-Kommission sagt der Eurozonen-Wirtschaft ein zähes Jahr ohne Wachstum voraus. Das maßgeblich durch die Europäische Zentralbank zurückgewonnene Vertrauen in die Gemeinschaftswährung gehe noch nicht mit einer anziehenden Kreditvergabe und einem besseren Wachstumsausblick einher.

Die Brüsseler Beamten sind bei ihrer Zwischenprognose pessimistischer als noch im Herbst 2012. In ihrer aktuellen Schätzung rechnen sie mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent gegenüber 2012. Im Herbst sagten die Experten hingegen noch ein kleines Plus von 0,1 Prozent voraus.

"Die wirtschaftliche Aktivität im 2. Halbjahr des vergangenen Jahres war enttäuschend und bisher gibt es nur einige wenige Anzeichen aus den Frühindikatoren, dass die Talsohle erreicht ist", heißt es wörtlich im Gutachten aus Brüssel. Erst nächstes Jahr kann die Eurozone demnach wieder richtig Fahrt aufnehmen und voraussichtlich ein Wachstum von 1,4 Prozent erreichen.

Obwohl das laufende Jahr wohl insgesamt mit roten Zahlen schließen wird, verbessert sich die Lage ab zweiten Halbjahr zunehmend. Als Treiber der Entwicklung sieht die EU-Kommission den Export, der um 2,6 Prozent zulegen soll.

Wegen der gebremsten Konjunktur wird der Preisdruck im Euroraum in den nächsten Monaten nachlassen und sich im Jahresdurchschnitt bei 1,8 Prozent einpegeln. Die Inflation dürfte sich damit ziemlich genau auf das Inflationsziel der EZB von knapp unter 2 Prozent stellen.

Das größte Problem für die Politiker in vielen Euro-Ländern bleibt 2013 die Arbeitslosigkeit. Sie wird im Durchschnitt auf eine Quote von 12,2 Prozent steigen und damit um 0,4 Prozentpunkte höher öiegen als in der vorangegangenen Schätzung. Auch wenn es 2014 wirtschaftlich bergauf gehen sollte, wird das kaum dazu führen, dass die Betriebe viele neue Stellen schaffen werden.
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