Marktanalyse

Die "langweilige" Geldpolitik


Marktanalyse: Die "langweilige" Geldpolitik Kolumne

In der Geldpolitik geht es in Europa derzeit außerordentlich ruhig zu. Während die amerikanische Federal Reserve alle drei Monate darüber diskutiert, die Zinsen zu erhöhen und sie damit sogar einen deftigen Krach mit dem Präsidenten riskiert, ist es bei der Europäischen Zentralbank fast schon langweilig. Sie hat einen festen Fahrplan (Forward Guidance). Sie arbeitet diesen Schritt für Schritt ab. Seit Oktober hat sie die Wertpapierkäufe von EUR 30 Mrd. auf EUR 15 Mrd. pro Monat reduziert. Am Jahresende sollen sie ganz auslaufen. Im Herbst 2019 wird die EZB dann anfangen, die Leitzinsen aus dem negativen Bereich herauszuholen. Das lockt keinen Hund hinter dem Ofen hervor.

Entsprechend interessieren sich die Märkte auch nicht dafür, was die Europäische Zentralbank tut. Sie saugen allenfalls Honig aus mehr oder weniger optimistischen Äußerungen von Herrn Draghi oder Herrn Praet (dem Chefvolkswirt der EZB) zur Konjunktur oder der Preisentwicklung. Sonst ist, so scheint es, weitgehend tote Hose.

Das Bild täuscht jedoch. Schaut man genauer hin, dann tut sich im monetären Bereich doch etwas. Das Wachstum der Geldmenge verlangsamt sich. M1 stieg vor drei Jahren noch um fast 12 Prozent. Jetzt nimmt es nur noch etwas mehr als halb so viel zu (6,8 Prozent). Siehe Grafik.

Das Geld wird knapper: M1 in % yoy, Wertpapierkäufe in EUR Mrd. [Quelle: EZB]

Das Geld wird knapper: M1 in % yoy, Wertpapierkäufe in EUR Mrd. [Quelle: EZB]

Das hängt natürlich mit dem Auslaufen der Wertpapierkäufe der Europäischen Zentralbank zusammen. Das sogenannte APP (Asset Purchase Program) startete im März 2015 mit Käufen von monatlich EUR 60 Mrd. Ein Jahr später wurde es auf EUR 80 Mrd. aufgestockt. Jetzt wird es wieder zurückgeführt. Bei den Zinsen hat man von diesem Programm nicht viel gemerkt. Wo es sich aber ausgewirkt hat, war – das ist nicht so spektakulär – bei den monetären Bedingungen auf den Märkten.

Es ist zu vermuten, dass das Wachstum der Geldmenge M1 weiter zurückgeht. Einmal natürlich so lange, bis das Wertpapierankaufprogramm Ende des Jahres ganz ausläuft. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass der Prozess auch dann noch weitergeht. M1 ist die Summe aus Bargeld und täglich fälligen Einlagen. Dieses Aggregat verringert sich nicht nur wenn die Liquidität zurückgeht (das geschieht über das Auslaufen der Wertpapierkäufe). Es wird auch dann kleiner, wenn Wirtschaft und Private nicht mehr so viel Cash halten, sondern in Festgeld gehen.

Das wird passieren, wenn die Aussicht auf steigende Zinsen aufkeimt. Denn dann erhöhen sich die Opportunitätskosten der Haltung von Bargeld und von täglich fälligen Einlagen. Das wird nicht gleich zu Jahresbeginn passieren. Es kommt aber im Laufe des Jahres, wenn der Zeitpunkt für eine Anhebung der Leitzinsen in Europa näher rückt. In den USA, die schon länger die Leitzinsen erhöhen, ist das Wachstum der Geldmenge M1 auf inzwischen 3,8 Prozent gefallen. Diese Größenordnung könnte auch hier erreicht werden, vermutlich noch nicht im nächsten Jahr, aber vielleicht 2020.

Was ist schlimm daran? Gar nichts. Es heißt nur, dass die monetären Bedingungen in Europa trotz weiter extrem niedriger Zinsen restriktiver werden. Es gibt nicht mehr so viel Geld. Die ultralockere Geldpolitik, die zur Überwindung der großen Finanzkrise und zur Bekämpfung der Eurokrise notwendig war, läuft aus. Wir haben jahrelang beklagt, dass die Zentralbank einen zu expansiven Kurs fährt. Wir sollten jetzt nicht kritisieren, wenn sich die Verhältnisse normalisieren und der monetäre Mantel enger wird. Geld muss knapp sein, sonst kann es seine Funktion in einer Volks-wirtschaft nicht erfüllen.

Das wirkt sich zunächst auf die Konjunktur aus. Wenn die Geldmenge langsamer zunimmt, dann haben die Menschen weniger im Portemonnaie. Sie kaufen weniger. Es gibt eine Reihe von Studien, die den Zusammenhang zwischen M1 und der Konjunktur statistisch nachgewiesen haben. Wenn die Geldmenge weniger zunimmt, dann wächst die volkswirtschaftliche Nachfrage langsamer und die Konjunktur wird schwächer. Das können wir derzeit beobachten.

Allerdings ist die Korrelation zwischen beiden Größen nicht perfekt. Die Geldmenge schwankt stärker als die Konjunktur. Zudem gibt es zwischen beiden zeitliche Verzögerungen. Sie betragen ungefähr drei bis vier Quartale. Das ist verständlich. Wenn die Verbraucher weniger Geld in der Tasche haben, reduzieren sie nicht stante pede ihre Käufe, sondern warten erst ab, ob die Veränderung dauerhaft ist.

Die zweite Auswirkung betrifft die Kapitalmärkte, speziell die Aktienkurse. Sie funktioniert ähnlich. Wenn die Wachstumsrate von M1 sinkt, dann verschlechtert sich das Klima an den Börsen und nach einer gewissen Zeit gehen auch die Kurse nach unten. Umgekehrt wenn sich das Wachstum der Geldmenge beschleunigt.

Insgesamt ist M1 damit ein weiterer Indikator für die Börsenentwicklung. Mit sinkendem Wachstum der Geldmenge M1 werden im Übrigen auch die Schwankungen der Kurse größer.

Viele meinen, dass es nach dem schlechten Oktober jetzt wieder ein "Back to Normal" an den Aktienmärkten geben könnte. Ich halte das auch für möglich. Aber man muss auch die veränderten monetären Bedingungen im Kopf haben. Wir müssen uns also mit kleineren Brötchen zufrieden geben.

Auch 2019 werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Ein Crash ist allerdings nicht zu befürchten.

Dazu ist die Konjunktur zu gut und das Geldmengenwachstum zu hoch. Darüber hinaus würde ich mich nicht wundern, wenn sich die Geldmengenentwicklung am Ende auch in höheren Zinsen zeigt. Bisher haben wir davon allerdings noch nichts gesehen.

Autor: 

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock | Bild Hüfner: Stefan Heigl / RiskNET GmbH ]
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