Konfliktbereit und kommunikationsstark

Die (neue) Rolle des Risikomanagements in der Zukunft


Die aktuelle Finanzkrise offenbart die zukünftige (neue) Rolle des Risikomanagements und vor allem die neue Bedeutung von Risikomanagern in Finanzdienstleistungsunternehmen. Wie war es bloß möglich, dass im Vorfeld der aktuellen Finanzkrise bei weltweit führenden Kreditinstituten elementare Grundsätze des internen Risikomanagements fahrlässig über Bord geworfen und für den schnellen Kapitalertrag geopfert wurden? Angesichts der Komplexität von Wirkungsketten, extrem kurzen Produktzyklen und immer schwieriger zu durchschauenden Geschäftsprozessen tun sich selbst ausgewiesene Risikoexperten schwer, die Interdependenzen vollständig zu verstehen und zu erklären.  Sinnvoll in strukturierte Finanzierungen zu investieren, erfordert eben auch ein hohes Know-how. "Wir wussten oft gar nicht, was wir uns da eingekauft haben", so Dirk Wilhelm Schuh mit Blick auf die US-Subprimes. Als wesentliche Ursachen und Treiber der Subprime-Krise identifiziert der Chief Credit Officer der Commerzbank AG u. a. das blinde Vertrauen auf externe Ratingeinschätzungen, Klumpenrisiken durch mangelndes Portfoliomanagement, ein unzureichendes Liquiditätsmanagement, Intransparenz, ein weit verbreitetes Misstrauen der Marktteilnehmer untereinander sowie eine Abwärtsspirale von Marktpreisen. Heute müssten Risikomanager sofort misstrauisch werden, wenn am Markt für vermeintlich gleiche Risiken bessere Preise gezahlt werden. Erst langsam haben einige Marktteilnehmer begriffen, dass ein externes Rating eine Bank nicht von einer eigener Risiko-/Portfolioanalyse befreit. "Verlassen Sie sich nicht allein auf Aussagen der Marktbereiche oder externe Quellen und tragen Sie Sorge dafür, dass analytisches Methoden- und Expertenwissen innerhalb des Risikomanagements systematisch miteinander verknüpft sind", rät der Risikoexperte Schuh.

Die vielfältigen Zukunftsperspektiven für "Risikomanager"

Immer mehr Unternehmen aller Branchen erkennen, das letztlich der Unternehmenserfolg maßgeblich davon abhängt, dass bei den Entscheidungen Chancen und Gefahren adäquat berücksichtigt werden. Der Erfolgsbeitrag des Managements resultiert insbesondere aus der Qualität dieser Entscheidungen. Bei der Weiterentwicklung der Fähigkeit von Unternehmen mit Risiken umzugehen, ist dabei neben der Betrachtung und dem Ausbau der Risikomanagementsysteme speziell auch der verwendeten (quantitativen) Methoden sowie der Qualifikation der Mitarbeiter bzgl. Risikomanagement mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

Bereits der kurze Blick in die Historie des Risikomanagements hat die Heterogenität und Interdisziplinarität  aufgezeigt. Ein Blick in die Praxis der Unternehmen (insbesondere im Bereich der Finanzdienstleister) zeigt, dass die Betätigungsfelder für Risikomanager vielfältig sind. So findet man bei Banken und Versicherungen quantitative Architekten, die Risikomanagement-Methoden, Scoring-/Ratingmodelle und stochastische Bewertungsmethoden entwickeln. Bei den großen Versicherungs- und Bankkonzernen wird man auch Zukunftsforscher finden, die – im Kontext einer Strategischen Frühaufklärung – durch das Erkennen und die Analyse von schwachen Signalen im Umfeld eines Unternehmens Diskontinuitäten, technologische Trends und Veränderungen im Marktumfeld erkennen sollen. Betriebswirte, Volkswirte und Absolventen anderer Fachrichtungen sind vor allem bei der qualitativen Umsetzung des Risikomanagements gefragt: Wie erreiche ich, dass alle Mitarbeiter im Unternehmen Chancen und Risiken proaktiv begegnen und den Werkzeugkasten des Risikomanagements in ihrer täglichen Arbeit (etwa im Vertrieb) auch anwenden?

Konfliktbereit und kommunikationsstark

Risikomanager gehören eindeutig zu den Gewinnern der aktuellen Finanzkrise – wie auch aller Krisen zuvor. So fordert jüngst der Internationale Währungsfonds (IWF) die Banken auf, ihr Risikomanagement zu professionalisieren. Und auch die Aufsichtsbehörden wurden ermahnt, für mehr Transparenz und eine klare und einheitliche Bewertungspraxis von Risiken zu sorgen. Der IWF wies in diesem Kontext vor allem darauf hin, dass Risiken mit Kapital unterlegt werden müssen. Viele Finanzinstitute hatten im Zuge ihrer Subprime-Engagements ihre Risiken in rechtlich unanbhängige Offshore-Zweckgesellschaften gegründet und so die gesetzliche Eigenmittelunterlegung unterlaufen.

Und eines ist hinsichtlich der Zukunft sicher: Das Fahrwasser wird für Banken und Versicherungen zunehmend unruhig. Die Prozesse sind komplexer und die Reaktionszeiten kürzer geworden. Kostendruck und ein zunehmender Wettbewerb sind weitere Klippen in der globalen, stürmischen See. Um am Markt überleben zu können, müssen Unternehmen Chancen und Risiken in ihrer Unternehmenssteuerung zeitnah berücksichtigen und ihr Risiko-Chancen-Profil optimieren, um den Unternehmenswert zu erhöhen. Kurzum: Risikomanager sind vor allem im Bereich Banking und Finance gefragt. Da das Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen auf dem professionellen Management von Risiken basiert, werden in den nächsten Jahren Risikomanager ein reichhaltiges Betätigungsfeld finden. Der zunehmende regulatorische Druck (Solvency II, SolvV, BilMoG etc.) wird diese Entwicklung noch zusätzlich befruchten. Neben Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften werden auch Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und große Industrie- und Handelskonzerne Risikomanager nachfragen. Und basierend auf der Interdisziplinarität des Themas sind die gesuchten Kompetenzen vielfältig. Im Bereich der Entwicklung von mathematisch-stochastischen Methoden haben vor allem Mathematiker, Physiker und Chemiker exzellente Karrierechancen. Doch auch Betriebswirte, Volkswirte, Juristen sowie Absolventen der geisteswissenschaftlichen Fächer werden ein breites Betätigungsfeld im Risikomanagement finden. Neben ausgeprägten fachlichen Kompetenzen (etwa im Bereich der stochastischen Modellierung oder der Analyse von makroökonomischen Trends) sollten Risikomanager vor allem auch ausgeprägte soziale, analytische und kommunikative Fähigkeiten mitbringen. Risikomanagement ist ohne Kommunikation nur sehr schwer vorstellbar. In dem Kontext ist auch ein „dickes Fell“ vorteilhaft, da Risikomanagement nicht selten Entscheidungen konterkariert, die beispielsweise der Vertrieb favorisiert. So muss man sich als zukünftiger Risikomanager bewusst sein, dass man im Unternehmen nicht nur Freunde haben wird. Die Anzahl der Freunde steigt jedoch rasant, wenn man den Klippen in der globalen, stürmischen See erfolgreich ausgewichen ist.
 

Konkrete Tipps für Studenten, Absolventen, Bewerber

  1. "Schubladendenker" sind im Risikomanagement fehl am Platz!

  2. Wichtig ist eine eher interdisziplinäre Ausbildung, die es ermöglich auch komplexe Zusammenhänge zu analysieren.

  3. Keine Angst vor quantitativen, mathematischen Methoden!

  4. Risikomanager müssen konfliktbereit sein und sollten kommunikationsstark sein, da Risikomanagement nicht selten zu kontroversen Diskussionen führt!


Download des kompletten Artikels "Nicht ohne Risiko":

Quelle: Staufenbiel Banking & Finance 2008/09, S. 14 bis 16.



Kommentare zu diesem Beitrag

PowerHedge /30.10.2008 20:53
Zitat: "Neben ausgeprägten fachlichen Kompetenzen (etwa im Bereich der stochastischen Modellierung oder der Analyse von makroökonomischen Trends) sollten Risikomanager vor allem auch ausgeprägte soziale, analytische und kommunikative Fähigkeiten mitbringen. Risikomanagement ist ohne Kommunikation nur sehr schwer vorstellbar. In dem Kontext ist auch ein „dickes Fell“ vorteilhaft, da Risikomanagement nicht selten Entscheidungen konterkariert, die beispielsweise der Vertrieb favorisiert."

Die Kommunikation der Risikomanager war im Zusammenhang mit den Subprime-Engagements wohl nicht besonders ausgeprägt. Oder evtl. Bedenken wurden glattegbügelt ... wie hatte dies Mr. Prince von der Citigroup so nett formuliert: "Wenn Du Musik spielt, dann muss getanzt werden." Risikomanager stören da nur ... Regulatoren übrigens auch ;-(
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