Katastrophe in Japan

Die Politik als Krisen- und Risikomanager


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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für einen Ausstieg aus der Atomenergie "mit Augenmaß" ausgesprochen, zugleich aber einen sofortigen Ausstieg in Deutschland als unrealistisch bezeichnet. "Ein Industrieland wie Deutschland, die größte Wirtschaftsnation Europas, kann nicht von jetzt auf gleich auf die Kernenergie als Brückentechnologie verzichten, wenn wir unseren Energieverbrauch weiter eigenständig und zuverlässig decken wollen", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung zur Lage in Japan und den Folgen für die deutsche Atompolitik.

Die Kanzlerin verteidigte die von der Regierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kraftwerksstandorten beschlossene vorübergehende Stilllegung älterer Kraftwerke und sagte, jüngst geäußerte Zweifel an deren Rechtmäßigkeit könne sie "nur schwer nachvollziehen". Für die dreimonatige Betriebseinstellung der sieben ältesten Meiler biete das Atomgesetz bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts eine "einschlägige Rechtsgrundlage".

Es handele sich um eine aufsichtsrechtliche Maßnahme. "Dies ist kein Deal, dies ist keine Absprache sondern die Anwendung des Atomgesetzes in einer neuen Lage." Merkel betonte, die Maßnahme gehe noch über ein bloßes Moratorium der Laufzeitverlängerung hinaus, das lediglich eine Abschaltung des Kraftwerkes Neckarwestheim I bedeutet hätte. "Wir tun mehr als es ein Moratorium bedeuten würde", sagte die Kanzlerin.

Am Ende des dreimonatigen Moratoriums werde über die endgültigen Konsequenzen für den Betrieb der Kernkraftwerke entschieden. "Die Lage nach dem Moratorium wird eine andere sein als die Lage vor dem Moratorium, denn alles kommt auf den Prüfstand", sagte die Kanzlerin. Es werde jedoch auch anders sein als zur Zeit des rot-grünen Ausstiegsgesetzes, das einen stufenweisen Ausstieg bis 2022 vorsah. Denn dieses Gesetz sei "nicht tragfähig" für die größte Wirtschaftsnation Europas.

Es gehe jetzt um einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. "Wir werden die kurze Zeit des Moratoriums nutzen, um die Energiewende voranzutreiben", sagte Merkel. Denn es sei Ziel der Bundesregierung, so schnell wie möglich das Zeitalter der Erneuerbaren Energien zu erreichen. Für den Umbau der Energieversorgung sei der Ausbau der Stromnetze unabdingbare Voraussetzung. Die Regierung werde einen klaren Zeitplan für die Umsetzung des Umbaus vorlegen, sagte Merkel.

Sicherheit der Kernenergie habe nicht nur eine nationale, sondern eine internationale Dimension. "Wir werden daher in Europa und international und auch im Rahmen der G-20 dafür eintreten, dass die notwendigen Schlussfolgerungen aus den Ereignissen in Japan gezogen werden", kündigte Merkel an. Auf dem Europäischen Rat in der kommenden Woche werde das Thema der nuklearen Sicherheit auf der Tagesordnung stehen. Sie unterstütze die Initiative für einen EU-weiten Stresstest für alle Atomkraftwerke. Frankreich und Deutschland würden darüber hinaus gemeinsam eine Initiative der G-20 zur weltweiten Sicherheit von AKW einbringen.

Merkel sagte, in Deutschland bestehe Konsens, in Zukunft keine neuen Atomkraftwerke zu bauen. Die Kernkraft sei eine Brückentechnologie, die auslaufe, sagte die Kanzlerin. "Was wir brauchen, ist aber ein Ausstieg mit Augenmaß", betonte Merkel. Die deutschen Kernkraftwerke zählten zu den weltweit sichersten AKW. "Ich lehne es auch weiter ab, zwar die Kernkraftwerke abzuschalten, aber dann Strom aus Kernkraftwerken anderer Länder zu beziehen, das ist mit mir nicht zu machen", sagte die Kanzlerin.

Die Folgen der japanischen Katastrophe seien noch nicht absehbar, das gelte auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen. Signifikante Beeinträchtigungen der Weltwirtschaft erwarte sie jedoch nicht, sagte Merkel. Allerdings werde diese Katastrophe Japan vor noch größere Herausforderungen stellen als das Erdbeben in Kobe in den 90er Jahren.

Die Opposition reagierte mit heftiger Kritik auf die Aussagen Merkels. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf der Kanzlerin vor, früher eine Abschaltung älterer Kraftwerke verhindert zu haben. "Ohne Ihre Kumpanei mit der Atomwirtschaft wären die längst vom Netz", sagte er. Er habe die Kanzlerin schon früher aufgefordert, ältere Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, aber Merkel habe dies verweigert, erklärte Gabriel, der in der großen Koalition unter Merkel Umweltminister war.

"Was wir erleben, ist das Ende des Atomzeitalters", betonte der SPD-Vorsitzende. Man dürfe aber nicht so tun, als würden die Risiken der Kernkraft durch die Atomkatastrophe von Japan erstmals vor Augen geführt. Nun gelte es, das von der Regierung außer Kraft gesetzte kerntechnische Regelwerk von 2009 wieder in Kraft zu setzen, forderte Gabriel.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin forderte einen beschleunigten Atomausstieg. "Wir müssen raus aus der Atomenergie, schneller als vorgesehen", sagte Trittin, der als Umweltminister der rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder den damals beschlossenen Atomausstieg ausgehandelt hatte. "Das Restrisiko ist nach Fukushima nicht länger zu verantworten."

Trittin kritisierte, es sei "nicht ernsthaft, zu behaupten, man würde drei Monate Moratorium machen". Eine ernsthafte Sicherheitsüberprüfung von Anlagen brauche ein Jahr bis eineinhalb Jahre. Auch er forderte, das kerntechnische Regelwerk von 2009 wieder in Kraft zu setzen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi erklärte, ein dreimonatiges Moratorium helfe nicht weiter. "Wir brauchen keine vorübergehende, sondern eine endgültige Abschaltung der Atomkraftwerke", forderte er. Aus der Atomkatastrophe müsse die logische Konsequenz gezogen werden, dass der 11. März 2011 "das Ende des nuklearen Industriezeitalters eingeleitet" habe. Zudem müsse die Bundesregierung einen Strompreisstopp durchsetzen.


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Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /17.03.2011 18:53
+++ S&P sieht nach Atomunfall bedeutende Folgen für Energiekonzerne +++

Die Atomunfälle in Japan könnten nach Einschätzung der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P)weitreichende Konsequenzen für die europäischen Betreiber von Kernkraftwerken und für die Energiemärkte insgesamt haben. Die andauernden Probleme am japanischen Atomkraftwerk Fukushima könnten ein marktveränderndes Ereignis für die europäischen Energiemärkte und die Unternehmen darstellen, teilte S&P am Donnerstag mit.

Kurzfristig seien die Folgen für die Kreditqualität europäischer Betreiber von Kernkraftwerken begrenzt. Für die deutschen Betreiber bewerten die Kreditanalysten die Auswirkungen als möglicherweise leicht negativ und verweisen dabei auf die von der Bundesregierung angeordnete vorübergehende Stilllegung älterer Kraftwerke.

Kurzfristig könnten sich geringere Margen deutscher Unternehmen bei der Stromgewinnung aus Kernkraft 2011 negativ auswirken. Möglicherweise müssten die Konzerne zudem entweder teureren Strom erzeugen oder erwerben, weil sie weit im Voraus eingegangene Stromlieferverpflichtungen, die mit der günstigeren und nun fehlenden Kernenergie kalkuliert wurden, erfüllen müssen.

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen könnten aber vielfältiger sein. Dies hänge davon ab, welche Folgen die Katastrophe in Japan für die Energiepolitik in Europa und für die Atompolitik im besonderen haben wird. Sollte der Beitrag aus Atomenergie für den europäischen Energiemix beschränkt werden, könnte dies zu größeren Investitionen in Erneuerbare Energien führen, speziell in Wind- und Wasserkraft.

Unternehmen mit einem großen Beitrag aus Atomenergie müssten dann über schnellere Investitionen in Alternativen nachdenken, mit denen die durch den Ausstieg frei gewordenen Kapazitäten ersetzt werden könnten. Dies könne wiederum die Profitabilität einiger Großkonzerne belasten, da eine Großteil der Gewinne derzeit mit einer vergleichsweise kostengünstigen Atomproduktion erzielt wird.

Zu den größten europäischen Versorgern zählen laut S&P die Electricite de France SA, E.ON AG, Vattenfall AB, RWE AG, GDF Suez SA, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Fortum Oyj und CEZ as.
Jutta /17.03.2011 23:22
Nun hat auch die Politik die Methode des Stresstests entdeckt ... und leider überhaupt nicht verstanden. Die Qualität der Stresstestergebnisse hängt von den definierten Szenarien ab. Und genau dort treffen wir auf die Grenzen von Stresstests im Bereich der Nukleartechnik. Was soll dort "gestresst" werden? Der GAU? Oder den "excess incredible accident" ... klingt noch wichtiger ...

Nach dem Bundesamt für Strahlenschutz müssen Atomanlagen für den größten anzunehmenden Unfall (GAU) ausgelegt sein. Die Sicherheitssysteme müssen in einem solchen Fall gewährleisten, dass die Strahlenbelastung außerhalb der Anlage die nach der Strahlenschutzverordnung geltenden Störfallgrenzwerte nicht überschreitet. Und was soll da nun mit Hilfe von Stresstests untersuchts werden. Der Stress des GAUs oder was? Dann wären wir beim Super-GAU (INES 6 und INES 7).
RiskNET Redaktion /18.03.2011 15:36
+++ G-7-Finanzminister zu notwendig erachteter Japan-Hilfe bereit +++

Die Finanzminister der sieben führenden Industrieländer (G-7) haben nach Angaben eines Sprechers des Bundesfinanzministeriums (BMF) mit ihrer Telefonkonferenz ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die erforderliche Zusammenarbeit und die als notwendig erachtete Japan-Hilfe zu leisten. "Natürlich entspricht das auch dem Ziel, mit dem der Finanzminister (Wolfgang Schäuble) in dieses Gespräch gegangen ist: Solidarität auszudrücken und die Bereitschaft zu erklären, jegliche Hilfe für Japan, die als notwendig erachtet wird, zu leisten", sagte BMF-Sprecher Martin Kreienbaum.

Das gestrige Gespräch im Kreis der G-7-Finanzminister und Notenbankgouverneure sei ein erstes Gespräch zu diesem Thema gewesen. Der Dialog werde innerhalb dieses Gremiums sicherlich fortgesetzt. Wie die Hilfe für Japan konkret aussehen werde, werde sich erst "im weiteren Verlauf" herausstellen. "Über weitere konkrete Maßnahmen kann ich ihnen nichts sagen", sagte der Sprecher weiter.

Bei den Interventionen am Devisenmarkt handele es sich um unabhängige Entscheidungen der jeweiligen Notenbanken, die seitens des Bundesfinanzministeriums nicht kommentiert würden, sagte Kreienbaum.

Die G-7-Finanzminister hatten sich in einer Telefonkonferenz darauf verständigt, gemeinsam gegen die Aufwertung des Yen vorzugehen. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 hat die Staatengruppe beschlossen, koordiniert am Devisenmarkt einzugreifen. "Es ist von großer Bedeutung, dass die G-7-Führungen sich in einer für Japan schwierigen Lage geeinigt haben, gemeinsam zu handeln, um die Märkte zu stabilisieren", sagte Japans Finanzminister Yoshihiko Noda im Anschluss an die G-7-Telefonkonferenz.
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