Die Risiko-Landschaft der Zukunft


News

Vor allem drei Trends prägen die Entwicklung der Risiko-Landschaft: Der gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Wandel vollzieht sich immer schneller, die möglichen Auswirkungen werden tendenziell größer und die Ungewissheit wächst – womit die Kalkulierbarkeit der Risiken abnimmt. Um Risiken auch in Zukunft erfolgreich bewältigen zu können, müssen die Veränderungen in der Risiko-Landschaft früher erkannt und bereits in ihrem Entstehungsstadium gezielt beeinflusst werden.

Neue Technologien bringen neue Risiken mit sich. Einerseits sind die daraus entstehenden Gefahren zunehmend schwieriger zu begreifen, weil technische Systeme immer komplexer und ihre Komponenten weiter verkleinert werden. Andererseits wird Neues nicht nur einfach immer schneller erfunden und produziert. Mit der Computertechnik, Automatisierung und Virtualisierung sowie durch den Aufbau globaler Kommunikations-, Forschungs-, Handels- und Transportnetze wurden die Voraussetzungen geschaffen, Innovationen jeglicher Art nicht nur schneller zu generieren, sondern auch immer schneller großflächig zu verbreiten. Damit verlieren räumliche Distanzen an Bedeutung. Schon heute sind Angebot und Nachfrage nur noch einen Mausklick voneinander entfernt. Sind neue Ideen, Forschungsergebnisse, Waren und Dienstleistungen an einem Ort verfügbar, dann auch wenig später überall im freien Weltmarkt – und damit auch die mit ihnen verknüpften Gefahren und Risiken. Mit anderen Worten: Verborgene Risiken können sich statt allmählich und punktuell in flächendeckenden und kumulierenden Schäden niederschlagen. Deshalb wäre es fahrlässig, die Risiken neuer Technologien zu versichern, ohne sie zu kennen. Versicherung ist das Versprechen, zukünftige Schäden zu zahlen. Sind deren Dimensionen nicht bekannt, ist eine adäquate Risiko-Finanzierung nicht möglich und es bleibt der Assekuranz nur, den Deckungsumfang gezielt einzuschränken oder im Extremfall gar nicht zu gewähren. Das aber wäre für alle Beteiligten unbefriedigend: für die Assekuranz, weil sie ihre Aufgabe und ihr Geschäftspotenzial darin sieht, zur Bewältigung von Risiken beizutragen und zwar auch von solchen, die im Einzelfall nur schwierig abzuschätzen sind; für die Versicherungsnehmer, weil sie mit eventuellen Rest-Risiken konfrontiert bleiben. Aber auch für die Gesellschaft als Ganzes wirkt sich ein fehlender Versicherungsschutz nachteilig aus.

Keine Zukunft ohne Risiko

Um die Chancen des Fortschritts nutzen zu können, müssen die mit jedem technischen und ökonomischen Wandel einhergehenden Risiken akzeptierbar sein. Eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung dafür ist die Sicherung der finanziellen Bewältigung möglicher Schäden. Aus Sicht des Risiko-Managements ist daher vor allem von Interesse, welche Voraussetzungen heute geschaffen werden müssen, um jene Schäden bewältigen zu können, die sich morgen aus den heute entstehenden Risiken ergeben können.

Eine erfolgreiche Risiko-Bewältigung setzt in erster Linie die Bereitschaft voraus, sich auf – durchaus unangenehme – Fragen einzulassen. Was zum Beispiel geschähe, wenn sich der Golfstrom erheblich abschwächen oder gar seine Richtung ändern würde? Was würde es bedeuten, wenn Nanopartikel tatsächlich über den Riechnerv direkt ins menschliche Gehirn gelangen? Wie können sich Sonnenstürme auf elektronische Systeme auswirken? Welche Folgen hätte es, wenn sich Elektrosmog doch als gesundheitsschädigend erweisen würde? Wer trägt welche Verantwortung, wenn Maschinen immer mehr Entscheidungen treffen? Welche Risiken ergeben sich aus der breiten Ablehnung gentechnisch modifizierter Lebensmittel? Welche gesellschaftlichen Konflikte drohen, wenn bei steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Lebenserwartung immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen? Es wäre falsch, solche Szenarien nur deshalb nicht näher anzuschauen, weil sie vor dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen vermeintlich unwahrscheinlich sind. Denn Wahrscheinlichkeitsaussagen über multikausale Schadenprozesse setzen entweder eine genaue Kenntnis der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge oder aber eine ausreichende Schadenhistorie voraus. Beides ist bei Zukunftsrisiken nicht gegeben. Also dient die Auseinandersetzung mit solchen Szenarien zunächst dazu, Mögliches von Unmöglichem zu unterscheiden. Erst wenn die Risiken identifiziert sind, können sie systematisch analysiert werden. Und erst dann ist es an der Zeit, auf Grundlage gesicherten Wissens Tragweiten und Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Tatsächlich aber wird die öffentliche Diskussion über Zukunftsrisiken über weite Strecken von gleichermaßen unverantwortlicher Panikmache einerseits wie verharmlosenden Beschwichtigungen andererseits dominiert, was die Risiko-Bewältigung eher erschwert.

Versicherung ist kein Ersatz für Sicherheit

Wenn neue Risiken nicht vollständig verstanden werden können, ist es umso wichtiger, alle vernünftigen Möglichkeiten der Risiko-Minderung auszuschöpfen. Was unter "vernünftig" zu verstehen ist, ist im konkreten Einzelfall zweifelsohne verhandelbar, nicht aber das Prinzip: Allein schon aus ethischen Gründen muss sich Versicherung auf die Deckung solcher Schäden beschränken, die mit vertretbarem Aufwand nicht zu verhindern sind. Hier ist noch viel Potenzial ungenutzt. Zum Beispiel beschränkt sich die Risiko-Minderung noch immer zu häufig auf eine Reduzierung nur der Eintrittswahrscheinlichkeiten, obwohl viele Zukunftsrisiken eine ausgeprägte Tendenz zu immer größeren möglichen Tragweiten zeigen. Durch den Ausfall von Informations- oder Energienetzwerken können bereits heute binnen Minuten Tausende von Unternehmen lahm gelegt werden. Durch eine systematische Begrenzung der Tragweiten ließen sich viele Risiken mit relativ geringem Aufwand reduzieren. Dies gilt auch für Haftungsrisiken, deren Entwicklung als Folge des raschen gesellschaftlichen Wertewandels immer schwieriger vorauszusehen ist. Hier ist auch der Staat gefordert, den öffentlichen Risiko-Dialog möglichst frühzeitig in Gang zu setzen und zu konsensfähigen Entscheidungen zu führen, ehe neue Technologien auf breiter Basis eingeführt werden. Wie die Risiken neuer Technologien dabei im Detail bewertet werden, ist unter dem Aspekt der Versicherung von Haftungsrisiken weniger wichtig. Entscheidend sind verlässliche Spielregeln.

(...)

Den vollen Text können Sie in der aktuellen Ausgabe von RATINGaktuell 02/2005 lesen.

 

Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.