Die Risiken für die deutsche Konjunktur haben aus Sicht des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in den vergangenen Wochen zugenommen und die Rezessionsgefahr hat sich vergrößert. In seiner aktuellen, am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturprognose hat das Institut daher vor allem wegen des verschlechterten internationalen Umfeldes und einer merklich verlangsamten deutschen Konjunktur seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum im laufenden und kommenden Jahr deutlich gesenkt.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird demnach 2011 nur noch um 2,9% und 2012 um 1,0% steigen. Im Juni hatte das Institut für 2011 noch ein BIP-Plus von 3,7% vorausgesagt und für 2012 ein Wachstum von 1,7%.
"In der Zuwachsrate für dieses Jahr spiegeln sich im Wesentlichen der statistische Überhang aus dem Vorjahr und das starke erste Quartal wider", schreiben die RWI-Experten. Für das zweite Halbjahr 2011 und für 2012 seien nur geringe Zuwächse zu erwarten. Nach schwungvollem Jahresbeginn hätten vor allem der Außenhandel und die privaten Konsumausgaben dämpfend gewirkt.
Gegenwärtig verunsichere zum einen die Staatsschuldenkrise im Euroraum Verbraucher und Unternehmen. Zum anderen hätten die Spannungen im Finanzsektor wieder spürbar zugenommen, die jederzeit auf die Realwirtschaft durchschlagen könnten. Schließlich habe die EZB in der jüngsten Zeit verstärkt Staatspapiere aufgekauft und gefährde damit auf mittlere Sicht die Preisniveaustabilität.
"Das Risiko einer weiteren Eskalation der Schuldenkrise mit erheblichen realwirtschaftlichen Konsequenzen schätzen die RWI-Experte als "beträchtlich" ein. "Eine zentrale Annahme der Prognose ist allerdings, dass die verantwortlichen Institutionen die Staatsschuldenkrise im Euroraum in den Griff bekommen und dadurch die Spannungen an den Finanzmärkten abgebaut werden", schreiben die RWI-Forscher.
Wegen der deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen dürfte die Außenwirtschaft nach RWI-Einschätzung 2012 kaum einen Beitrag zum deutschen Wachstum liefern. Dies schlage dann erfahrungsgemäß auf die Unternehmensinvestitionen durch.
Die deutschen Exporte werden laut RWI 2011 voraussichtlich um 7,9% steigen. Das sei jedoch allein den höhen Zuwächsen in den ersten beiden Quartalen zu verdanken. Für 2012 rechnen die RWI-Experten mit einem Anstieg der deutschen Ausfuhren um 3,2%. Bei den Importen erwarten das Institut ein Wachstum von 7,8% in 2011 und von 3,4% in 2012.
Das RWI geht davon aus, dass die Investitionstätigkeit im Jahresverlauf weiter nachlassen wird. Das gelte umso mehr, da die Kapazitätsauslastung aufgrund der weltwirtschaftlichen Abkühlung weiter abnehmen werde. "Alles in allem erwarten wir einen Zuwachs der Ausrüstungsinvestitionen um 9,7% in diesem und um 2,9% im nächsten Jahr", schreiben die RWI-Forscher.
Die Lage am Arbeitsmarkt dürfte sich wegen des geringeren Wachstums nur noch wenig verbessern. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im Jahresdurchschnitt 2011 voraussichtlich auf 41,085 Millionen Personen und 2012 auf 41,285 Millionen zunehmen. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte 2011 auf im Jahresschnitt 2,965 Millionen und 2012 auf 2,805 Millionen Personen sinken. Die Teuerung dürfte im Prognosezeitraum nachlassen. In diesem Jahr dürfte sie 2,3% und im kommenden Jahr 1,8% betragen. Die Privaten Konsumausgaben werden im laufenden Jahr aus RWI-Sicht um voraussichtlich 1,0% und 2012 um 0,5% steigen.
Das Budgetdefizit des Staates wird sich angesichts der in diesem Jahr noch kräftigen Konjunktur voraussichtlich auf 30 Mrd EUR verringern. Für das kommende Jahr erwartet das RWI eine weitere Abnahme auf 20 Mrd EUR. Die Defizitquote ginge damit auf 1,2% in 2011 und auf 0,8% in 2012 zurück.
[Bildquelle: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) schließt eine weitere Verschärfung der europäischen Schuldenkrise und entsprechend negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft nicht aus. "Das Risiko einer weiteren Eskalation der Schuldenkrise mit erheblichen realwirtschaftlichen Konsequenzen ist allerdings beträchtlich", schreiben die RWI-Experten in ihrer aktuellen, am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturprognose.
Bereits jetzt gebe es deutliche Zeichen, dass das Misstrauen der Banken untereinander aufgrund der Staatsschuldenkrise wieder zunehme. Damit sei die Gefahr gewachsen, dass die Versorgung der Unternehmen mit Krediten gestört werde. Nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise könnte sich das auch auf den internationalen Warenaustausch auswirken.
Die bisherigen Reaktionen der Wirtschaftspolitik auf die Staatsschuldenkrise im Euroraum hätten nicht die gewünschte Beruhigung der Märkte gebracht. "Dies dürfte auch daran liegen, dass die Finanzpolitik der EWU-Länder an Glaubwürdigkeit verloren hat, weil in der Vergangenheit zu oft die Regeln des EU-Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts gebrochen wurden", bemängelten die RWI-Forscher.
Zugleich kritisierten sie das Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Krise. "Es war wohl der falsche Weg, dass die EZB in großem Umfang Staatsanleihen aufkaufte, um die Finanzmärkte zu stabilisieren", heißt es in der Konjunkturanalyse. Die RWI-Experten schlagen vor, dass die Mitglieder des Euroraums für ihre Finanzpolitik Regeln einführen sollten, die vergleichbar mit der deutschen Schuldengrenze die öffentliche Verschuldung begrenzten. Dies sei der Weg, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat sich besorgt über den Zustand der Weltwirtschaft geäußert. Diese trete in eine neue, gefährliche Krisenphase ein, sagte Lagarde am Donnerstag im Vorfeld des in der kommenden Woche stattfindenden Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20). "Der Weg zu einer nachhaltigen Erholung ist viel schwieriger als zuvor und er wird immer schwieriger", warnte Lagarde. Sie forderte "schnelle, entschlossene und entschiedene" Aktionen zur Abwendung eines abermaligen weltweiten finanziellen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs.
Schwaches Wachstum und schwache Staatsfinanzen in Europa und den USA erzeugten im Zusammenwirken mit einem nur teilweise reparierten Finanzsystem und einem Mangel an konzertierter Aktion eine Vertrauenskrise und verhinderten Nachfrage, Investitionen und höhere Beschäftigung. "Dieser Teufelskreis verstärkt sich und ist, offen gesagt, von politischer Unentschlossenheit und politischem Versagen verschlimmert worden", kritisierte die IWF-Chefin.