In diesem Monat feiert Emmanuel Macron seinen ersten Jahrestag an der Macht. Es ist noch zu früh, eine vollständige Bewertung seiner Präsidentschaft vorzunehmen, da er bereits selbst kommentierte, er möchte auf Basis der gesamten fünfjährigen Amtszeit beurteilt werde. Mit Blick auf Frankreichs Konjunkturindikatoren so folgten diese bisher den Trends der Eurozone und zeigten eine stabile Entwicklung, gefolgt von einem Abschwung. Jüngstes Beispiel hierfür ist das diesjährige Wachstum im ersten Quartal, das sich in Frankreich auf 0,3 Prozent (Eurozone auf 0,4 Prozent) verlangsamte, nachdem das Land eine Rate von 0,7 Prozent, in Einklang mit seinen europäischen Nachbarn, im 4. Quartal 2017 vorweisen konnte. Umfragen unter Wirtschaftsführern legen ähnliche Ergebnisse nahe.
Die Wirtschaftspolitik muss sich noch beweisen
Wie eingangs erläutert ist es noch verfrüht, die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik der Regierung von den gesamtwirtschaftlichen Faktoren zu trennen; daher werden die Haushaltsergebnisse 2018 als nützliche Benchmark dienen. Das Haushaltsdefizit für das Jahr 2017 belief sich auf 2,6 Prozent und fiel damit zum ersten Mal seit 2007 unter die berüchtigte 3 Prozent-Marke, vor allem aufgrund des steigenden Wachstums zwischen 2016 und 2017 von 1,1 Prozent auf 2 Prozent. Für das Jahr 2018 wird wie im letzten Jahr ein Wachstum von 2 Prozent erwartet, so dass es Aufgabe der Regierungspolitik sein wird, den Staatshaushalt in diesem Jahr zu prägen; das Haushaltsdefizit wird hierbei einen guten Maßstab für die Bemühungen der politischen Entscheidungsträger abgeben.
Eines hat sich auf jeden Fall im Laufe des letzten Jahres verändert; nämlich die Art und Weise wie die internationale Gemeinschaft, sowohl Investoren als auch andere Experten über Frankreich und seinen Präsidenten spricht. Das Land erfreut sich wachsender Beliebtheit, was zum einen auf den Auftritt dieses Newcomers auf der weltpolitischen Bühne zurückzuführen ist, zum anderen auf sein aktives internationales Engagement, insbesondere seine Bemühungen Europa voranzubringen.
Globaler Kontext im Wandel
Während des ersten Amtsjahres des Präsidenten haben wir einige Reformen erlebt, aber es wäre verfrüht, ihre Wirksamkeit bereits jetzt zu bewerten. Jedoch können wir beurteilen, wie relevant sie vor dem Hintergrund einer sich ändernden weltwirtschaftlichen Dynamik sind: die Welt verändert sich rapide und Reformen müssen mit diesen Veränderungen Schritt halten, um wirklich effektiv zu sein. Es gab drei entscheidende Verschiebungen in der Weltwirtschaft, nämlich eine neue politische Ordnung, eine radikale geographische Verlagerung der Wirtschaftsleistung und der Beginn einer neuen technologischen Revolution; die Wirtschaftspolitik muss demnach auf Grundlage dieser drei Faktoren bewertet werden.
Neue politische Ordnung
Mit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus, dem Brexit-Referendum in Großbritannien und dem Vormarsch der Populisten in Mitteleuropa, und jüngst in Italien, haben wir bedeutende politische Umwälzungen gesehen. Dieser politische Wendepunkt ähnelt stark dem der frühen 1980er Jahre – mit dem Auftritt Reagans, Thatchers, Mitterrands und Kohls – der damals, in den schwierigen Jahren nach der ersten Ölkrise, rückläufigem Wachstum und erhöhter Arbeitslosigkeit, eine neue Ära einläutete. Zu der Zeit führte die neue politische Landschaft zu einer schnellen Deregulierung der Finanzmärkte und machte so die Bühne frei für die Globalisierung, die die letzten 30 Jahre geprägt hat.
Der zu beobachtende politische Wandel der letzten zwei Jahre ist teilweise das Ergebnis der Globalisierung, aber auch der Art und Weise, wie die Krise bewältigt wurde. Mit Blick auf die Globalisierung wurde die Einkommensentwicklung des Mittelstands in den entwickelten Märkten von der Einkommensdynamik in den Schwellenländern vorgegeben, insbesondere von China und Indien, wie in Branko Milanovics berühmten Elefanten-Chart dargestellt.
Unterdessen führte auch die Krise des Jahres 2008 zu geringerem Wirtschaftswachstum und nachlassender Einkommensdynamik für den Mittelstand in den meisten entwickelten Märkten. Diese Faktoren waren der Auslöser für die neuen politischen Entscheidungen der letzten Jahre. Diese Entscheidungen sind genau entgegengesetzt derer der frühen 1980er Jahre ... diesmal erleben wir nicht die Anfänge der Globalisierung oder offenen Märkte, sondern eher eine Verlagerung, nach innen zu schauen, einhergehend mit einer rückgängigen weltweiten Koordination. Brexit ist der Inbegriff dieses Phänomens, und passend zu diesem Trend ist Trumps Ausblick auf die Weltwirtschaft.
Macron und das neue Gleichgewicht
Mit Macrons Wahlsieg unterzog sich Frankreich nicht dieser Art von politischem Wandel, aber während die Wirtschaft global ausgerichtet bleiben mag, haben sich die Regeln definitiv geändert und eben das ist die zugrundeliegende Botschaft der neuen politischen Ordnung. Die aktuelle Tendenz geht in Richtung abnehmender Kooperation, so dass jedes Land mehr Autarkie bei der Wachstumsförderung an den Tag legen muss und es sich nicht leisten kann, auf Impulse aus der restlichen Welt zu warten. Länder können nicht mehr darauf bauen, dass der Rest der Welt das Tempo hochfährt, um so die eigene Performance zu steigern.
Auf dieser neuen Weltbühne müssen Volkswirtschaften in der Lage sein, eigene Impulse zu setzen und erforderliche Mittel zu finden, um sich schnell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.
Hierzu sind zwei Voraussetzungen notwendig:
Zum einen benötigen Volkswirtschaften effektives und innovatives Produktivvermögen, um Produktivitätssteigerungen zu erzielen, und in dieser Hinsicht ist Emmanuel Macrons öffentlich erklärtes Ziel, private Investitionen durch öffentliche Ausgaben zu unterstützen, ein wichtiger Schritt. Hierbei entstehen Anforderungen an die Kapitalqualität: Investitionen in Frankreich sind hoch, aber es fehlt an Innovation, was die Produktion als Ganzes schwächt und nach unten zieht, so dass öffentliche Investitionen sowohl Verpflichtungen begründen, aber auch Anreize für wagemutige Innovationen schaffen.
Das öffentliche Investitionsprogramm, das vor ein paar Monaten von Jean Pisani Ferry dargelegt wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass öffentliche Investitionen, die auf Forschung und Produktion setzen, einen Erfolgszyklus für die Stützung der konjunkturellen Dynamik schaffen. Zum anderen ist ein flexibler Arbeitsmarkt erforderlich, um schnell auf Veränderungen im Konjunkturzyklus reagieren zu können und eine Rationalisierung und Vereinfachung der Mittelverteilung innerhalb Branchen über den gesamten Zyklus durchzuführen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein nachhaltiges, selbsttragendes Wirtschaftswachstum.
Frankreich hinkt jedoch in diesem Bereich hinterher. Im Falle eines Zyklus-Aufschwungs erholt sich der französische Arbeitsmarkt nur langsam. Der folgende Chart zeigt Frankreich im Vergleich zur Eurozone und ihrer Aufschwungphase im ersten Quartal 2013. Die Beschäftigung in der Eurozone stieg schnell an, jedoch nicht in Frankreich, vor allem nicht im privaten Sektor. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Arbeitsmarktdynamik nicht robust genug ist, das Wirtschaftswachstum anzutreiben und zu verstetigen.
Schocks können im Falle eines Konjunkturrückgangs zwar absorbiert werden, bei einer Konjunkturerholung ist die Beschäftigungsdynamik jedoch unzureichend. Dies ist besonders beunruhigend vor dem Hintergrund, dass das Potenzialwachstum in den entwickelten Ländern derzeit schwächer ist als früher, daher ist es zwingend erforderlich, schnell einen Weg zu finden, dieses Wachstum anzukurbeln.
Diese Anpassungsfähigkeit ist nun in der Arbeitsmarktregulierung sowie in Regierungserlassen Frankreichs verankert und sollte zu einer höheren Flexibilität bei Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen. Jedoch muss die verbesserte Reaktionsfähigkeit auch einhergehen mit Bestrebungen einer Revision von Trainingsprogrammen, sonst könnte sie fehlschlagen, denn übermäßige Flexibilität führt zu erhöhter Unsicherheit seitens der Mitarbeiter. Das neue Arbeitsmarktgesetz macht die französische Wirtschaft flexibler und ermöglicht es ihr, bei den ersten Anzeichen einer Expansion schneller zu reagieren. Dank der Möglichkeit, schneller auf Veränderungen zu reagieren, wird der Wachstumsprozess der französischen Wirtschaft autarker und kann nachhaltige Impulse eigenständig generieren.
Die Welt ist im Wandel – eine Tatsache, die über sämtliche Produktionsbereiche hinweg berücksichtigt werden muss. In Frankreich scheint dieser Wandel, meiner Meinung nach, bereits im Gange zu sein. Und dies ist nur der Anfang einer Neumischung der Weltwirtschaft.
Autor:
Philippe Waechter, Chief Economist, Ostrum Asset Management