In der Hektik der Diskussion über die Umschuldung in Griechenland wird oft vergessen, dass eine hohe Staatsverschuldung zwei Seiten hat. Die eine ist die, die wir derzeit immer im Kopf haben: Große öffentliche Defizite zeigen, dass der betroffene Staat nicht ordentlich wirtschaftet. Wie glücklich wäre Euroland, wenn es das Schuldenproblem nicht gäbe. Wie froh wären die USA, wenn die öffentlichen Defizite niedriger wären. Sie müssten sich nicht die hämischen Kommentare der Chinesen über ihre Finanzpolitik anhören.
Daneben gibt es aber noch eine andere Seite der Geschichte. Hohe Staatsverschuldung kann, wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, auch eine Chance sein. Das betreffende Land kann seine Fehlentwicklungen korrigieren, seine Finanzen wieder in Ordnung bringen und sich damit aus dem Schlamassel herausziehen. Wenn man ganz unten ist, kann es – langfristig gesehen – nach aller Erfahrung eigentlich nur noch nach oben gehen. Eine Umschuldung ist dazu nicht nötig.
Es gibt dafür viele Beispiele. Eines ist Schweden (siehe Abbildung). Es galt lange Zeit als Muster für hohe Steuern und einen überzogenen Sozialstaat. In den 90er Jahren stieg seine Staatsverschuldung auf über 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dann gab es harte Reformen. Das Land durchlebte eine dreijährige Rezession. Jetzt steht es mit einer Verschuldungsquote von etwas über 30 Prozent wie eine "Eins" da. Sein reales Wachstum liegt bei 4 Prozent. Die öffentlichen Haushalte und die Leistungsbilanz haben einen Überschuss. Die Inflation hält sich in Grenzen.
Andere Beispiele sind nicht ganz so spektakulär. Die USA haben ihre Verschuldung von 120 Prozent Ende des zweiten Weltkrieges auf 30 Prozent in den 90er Jahren zurückgeführt. Die Wirtschaft ist in dieser Zeit dynamisch gewachsen. Die Sanierung ging allerdings zum größten Teil mit einer höheren Inflation einher. Argentinien hat nach einem harten Einbruch (Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um fast 20 Prozent in vier Jahren) wieder auf einen tragfähigen Pfad zurückgefunden. Allerdings war es zu einer Insolvenz gezwungen, die sein Standing auf den Kapitalmärkten noch heute belastet. Zudem ist sein Wachstum nach wie vor fragil und es hat eine hohe Geldentwertung (offiziell 9,6 Prozent, vermutlich aber sehr viel höher).
Das Beispiel Schweden: Staatsverschuldung in % des Bruttoinlandsprodukts [Quelle: EU]
Vor allem Schweden ist ein Beispiel, das Mut machen kann. Die derzeit desolate Lage Griechenlands kann sich verbessern. Freilich ist das ein langer Prozess, nicht ein oder zwei Jahre, sondern eher fünf oder sechs. Zudem müssen die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Griechenland muss erstens den Staatsapparat effizienter machen und die Ausgaben auf das wirklich notwendige beschränken. Stichwort Sparen. Es muss zweitens die Steuererhebung verbessern, um genügend Einnahmen zu erzielen und die Steuerlast gerecht auf alle Schultern verteilen.
Und am wichtigsten: Es muss seine Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Die meisten sehen die Privatisierung in Griechenland, unter den gegenwärtigen Umständen, in erster Linie als fiskalisches Problem. Athen ist mit Vermögensgütern von EUR 300 Mrd. (nach Schätzungen des IWF) vergleichsweise reich. Es kann seine Schulden durch Verkauf seines Vermögens tilgen. Das Ganze hat aber auch einen ökonomischen Aspekt. Eine Wirtschaft, bei der der Staatsbesitz 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, ist falsch aufgestellt. Dort befindet sich etwa die Hälfte der Wirtschaft in Staatshand. Und dies in einem Land, in dem der Staat insgesamt wenig effizient organisiert ist. Eine Privatisierung könnte dem Land einen Produktivitätsschub geben.
Das Problem ist, dass Griechenland – anders als Schweden – keine Industrie hat. Es muss sich aber nicht auf Dienstleistungen wie Schifffahrt und Tourismus beschränken. Es ist mit viel Sonne und Wind ideal positioniert für erneuerbare Energien. Es hat Möglichkeiten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Die griechischen Warenexporte steigen derzeit um 23 Prozent. Die Importe verringern sich um 6 Prozent. Das zeigt, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat.
Die Gläubiger müssen bei dem Modernisierungsprozess mitwirken. Es geht nicht nur darum, mehr Sparen und mehr Privatisierung zu verlangen und im übrigen Kredite zur Verfügung zu stellen. Warum bindet man die ohnehin versprochenen Hilfen nicht an bestimmte Projekte und Direktinvestitionen? Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die die deutschen Zahlungen abwickelt, könnte mit ihrem Know-how als Förderbank durchaus behilflich sein.
Für die Steuerzahler in den Gläubigerländern muss die Hilfe für Athen kein Fass ohne Boden sein. Bisher haben die Deutschen kein Geld verloren. Im Gegenteil, sie haben insgesamt verdient, weil sie die Gelder am Kapitalmarkt billiger aufnehmen konnten als sie diese an Athen weitergegeben haben.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
[Bildquelle: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag
Wolllen Sie diesen Kommentar den Amis ins Gästebuch schreiben???
Das würde bedeuten Amerika wäre ca. im Jahre 2060 auf einer soliden Haushaltsbasis....TOLL
Damit wird sich Barack nicht zufrieden geben können....also wiederwählen lassen können....SCHADE
Amerika MUSS:
1. die Steuern erhöhen, gerne im und exklusiv für den Finanzsektor,..
Wäre auch eine Möglichkeit für die deutsche/europäische Haushaltskasse.
2. Raus aus den Kriegsgebieten, kostet eh nur Geld und schafft mehr Not und Leid, als Not und Leid zu vermindern...
Dazu würde und müsste eine großes Eingeständnis einhergehen, nämlich das Amerika nicht immer recht hat und nicht mehr der Sheriff/Polizist der Welt ist.
Die Umwälzungen in der arabischen Welt, die nicht US gesteuert sind, sondern in der Not der Menschen begründet liegt, deren Despoten durch EU-NATO-Regierungen geduldet wurden, sollten den AMIS zudenken geben
Fazit: Sollte es die US-administration wieder über die Inflationsschiene versuchen, wünsche ich viel Glück dabei,.. Vergessen sollte man nicht, dass dann Raten von 15% keine Utopie sind...
Zusätzlich gib die Regulierung der Banen in dieser Zeit mit der Volckler-Regel einher, die vielen US-Häusern ein Dorn im Auge ist....
Tja, so ist Lebe
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"...Bisher haben die Deutschen kein Geld verloren. Im Gegenteil, sie haben insgesamt verdient, weil sie die Gelder am Kapitalmarkt billiger aufnehmen konnten als sie diese an Athen weitergegeben haben...."
Achso, und wenn Deutschland nun mehr Zinsen kassiert als es selber zahlen musste, wenn Greichenland Pleite geht, wurde mit den Zinszahlungen sicherlich nicht das Nominal getilgt....Oder wissen Sie da mehr als ich???
Schönes Wochende
Mein Tipp:
http://www.youtube.com/watch?v=EHtC7svwiW0