Soll man jetzt griechische Anleihen kaufen? Sie geben für eine Laufzeit von zehn Jahren eine Rendite von rund sieben Prozent, mehr als doppelt so viel wie Bundesanleihen. Der Emittent ist als Mitglied der Europäischen Währungsunion in keiner Weise vergleichbar mit Schuldnern wie Argentinien oder Venezuela. Er wird nicht pleitegehen. Griechenland wird auch nicht aus dem Euro oder der Europäischen Union ausscheiden. Wenn alle Stricke reißen und es doch einmal zu temporären Verzögerungen beim Schuldendienst kommen sollte, dann ist dies als "Schmerzensgeld" mit den hohen Kupons abgegolten.
Ich halte den Kauf von griechischen Anleihen in der Tat für überlegenswert. Allerdings noch nicht jetzt. Die Rendite hat auch mit dem inzwischen erhöhten Niveau noch nicht den Satz erreicht, der den Risiken entspricht. Die Krise ist noch nicht auf ihrem Höhepunkt. Die Rating-Agentur Moody's hat angekündigt, dass jetzt auch sie eine Herabstufung der Schuldnerqualität Griechenlands prüft (nachdem die anderen Rating-Agenturen schon vor einiger Zeit entsprechende Beschlüsse gefasst haben). Wenn das passiert, wäre das ein weiterer Rückschlag für Ouzo-Anleihen.
Noch wichtiger aber ist, dass die griechische Gesellschaft offenbar den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat. Es wird immer noch gestreikt. Es gibt Widerstand gegen die Sparpläne der Regierung. Das, was beispielsweise in Irland geschieht (Kürzung der Gehälter der Beamten) oder was in Kalifornien passierte (massive Einsparungen im öffentlichen Dienst), ist in Griechenland noch nicht denkbar. Solange das aber so ist, kann man nicht darauf vertrauen, dass sich in dem Land auch wirklich etwas ändert.
In einer demokratischen Gesellschaft ist unabdingbar, dass die Bürger die Notwendigkeit von soliden Staatsfinanzen dauerhaft und aus Überzeugung mittragen. Es kann nicht sein, dass die EU praktisch die Haushaltspolitik der Griechen übernimmt und die Regierung und das Parlament entmachtet. Wir leben nicht mehr in den Zeiten der "Kanonenboot-Diplomatie", in denen sich ausländische Gläubiger ihr Geld mit Gewalt holten. Großbritannien fiel 1876 in Istanbul und 1882 in Ägypten ein, um seine Kredite zu sichern. Die USA taten ähnliches gegenüber Venezuela (um 1895) und ab 1915 gegenüber Haiti. So etwas geht heute – glücklicherweise – nicht mehr.
Die Haltung der griechischen Gesellschaft ist für die Kapitalmärkte auch deshalb bedeutsam, weil das Land eine lange Geschichte mit Zahlungsproblemen hat. In den letzten zweihundert Jahren musste es fünf Mal Bankrott erklären oder eine Umschuldung vornehmen. Insgesamt war es die Hälfte der Zeit in Zahlungsschwierigkeiten. Das muss Anleger vorsichtig machen.
Für Skepsis sorgen schließlich die Konsolidierungspläne der Regierung in Athen. Sie sind zu ehrgeizig. Bereits in vier Jahren soll das öffentliche Defizit von 12,7 auf unter drei Prozent gesenkt werden. Das würde – bei einer linearen Entwicklung – bedeuten, dass die Regierung mit Sparmaßnahmen jedes Jahr 2,5 Prozentpunkte gesamtwirtschaftliches Wachstum abschöpft. Das bedeutet, dass das Land vier Jahre lang praktisch auf jedes Plus verzichten muss, um die Normen der Gemeinschaft einzuhalten. Das hält keine demokratische Gesellschaft aus. Das Ziel ist unrealistisch. Vertrauen kann erst dann wiederkehren, wenn ein Programm vorliegt, das am Schluss auch wirklich Chancen hat, umgesetzt zu werden.
Anleger sollten also noch warten. Ein Risiko dabei ist freilich, dass China den privaten Kapitalmärkten zuvorkommt und den Griechen aus ihren Liquiditätsschwierigkeiten hilft. Dann würden die Renditen gleich sinken. Auszuschließen ist das nicht. Die Aufregung in der Politik, dass sich ein europäischer Staat doch nicht von China helfen lassen dürfe, ist nicht gerechtfertigt. Auch die USA verlassen sich zu einem großen Teil auf Geld aus Asien, um ihr Budgetdefizit zu finanzieren. Die Chinesen dürften auch eine beträchtliche Summe in deutschen Bundesanleihen investiert haben.
Die Frage ist aber, ob die Chinesen mit der derzeitigen Rendite zufrieden sind. Ich vermute, dass sie hier nicht viel anders denken als die Kapitalmärkte.
Die griechischen Renditen würden auch vorzeitig sinken, wenn die Politik in dem Pokerspiel mit den Griechen die Nerven verliert. Juristisch können einzelne Partnerländer in der Währungsunion dem Land mit bilateralen Krediten zur Seite stehen. Das würde das generelle Bail-out-Verbot der Maastricht-Verträge nicht verletzen. Vermutlich werden Deutschland und andere Staaten das am Ende auch tun. Aber jetzt ist es noch zu früh. Wenn man es jetzt tut, würde Griechenland von dem Zwang enthoben, die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen. Zudem würden auch andere Länder solche Hilfe beanspruchen, um Dominoeffekte von Griechenland auf sie zu vermeiden. Insbesondere Portugal, Irland, Spanien und – zum Teil Italien – befinden sich derzeit in Schwierigkeiten. Freilich stehen sie besser da, weil es bei ihnen nicht das unangenehme Vertrauensproblem der Fälschung von Statistiken gibt. Sie haben "nur" strukturelle Probleme mit der Leistungsbilanz und mit hohen öffentlichen Defiziten. Niemand hat Grund, an ihren Statistiken zu zweifeln.
Hilfe von anderen Ländern muss in der Eurozone immer Ultima Ratio sein. Sie sollte nur dann gewährt werden, wenn es wirklich keine andere Lösung gibt, wenn ein Bankrott unmittelbar bevorsteht und wenn das Land bereit ist, die notwendigen Sparmaßnahmen zu ergreifen. Der normale Anpassungsprozess aus Schwierigkeiten muss sich auch in einer Währungsunion durch die Disziplinierung höherer Renditen an den Kapitalmärkten vollziehen. In der Vergangenheit waren die Renditedifferenzen zwischen den einzelnen Staaten meist zu gering.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Die Griechen gehörten schon vor Jahren nicht in die europäische Gemeinschaft. Sie haben sich den Zugang zur Eurozone mit kriminiellen Methoden erschlichen. Und nun soll die Staatengemeinschaft für die Griechen zahlen ... ;-(
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,675931,00.html