Globale Finanzkrise

Dominoeffekt an den Finanzmärkten schlägt zu


Die Finanzkrise ist nun auch in Europa in voller Härte angekommen. Über das Wochenende mussten gleich drei Finanzkonzerne gestützt werden, um einem möglichem Zusammenbruch zu entgehen. Unter den Instituten befinden sich prominente Opfer wie der deutsche Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) und die belgisch-niederländische Finanzgruppe Fortis. Die im DAX notierte HRE teilte in der Nacht zum Montag mit, vom deutschen Finanzsektor eine Finanzspritze erhalten zu haben. Die Ausgestaltung dieser "umfangreichen" neuen Kreditlinie schirme das Unternehmen vom Einfluss der derzeit weitgehend funktionsunfähigen internationalen Geldmärkte ab, hieß es. Details nannte das Unternehmen nicht. Der Konzern erklärte lediglich, ein Konsortium habe kurz- und mittelfristige Kreditlinien über "mehrere" Milliarden Euro arrangiert, deren Umfang den Refinanzierungsbedarf der Gruppe auf absehbare Zeit decke. Die Bundesbank und die BaFin gehen davon aus, dass die Marktfähigkeit der Hypo-Real-Estate-Gruppe durch diese Kreditlinie gesichert ist, wie die beiden Institutionen mitteilten, ohne jedoch Details zu nennen. Die Refinanzierungsprobleme der Hypo Real Estate sind offenbar eine direkte Folge der "außergewöhnlich schwierigen Bedingungen" an den internationalen Geldmärkten nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman vor zwei Wochen.

Am Sonntagabend hatte die "Financial Times Deutschland" (FTD) berichtet, dem Immobilienfinanzierer drohe wegen massiver Liquiditätsprobleme der Kollaps. Die Zeitung schrieb unter Berufung auf Regierungs- und Finanzkreise, die deutschen Banken suchten seit Tagen nach einer Lösung zur Rettung des DAX-Konzerns. Verantwortlich für die Schieflage der Bank sind nach Informationen der Zeitung Fehlspekulationen der irischen Tochter Depfa. Der Staatsfinanzierer hatte sich für Langfristprojekte, für die er Geld verliehen hat, extrem kurzfristig refinanziert - das ist wegen des herrschenden Misstrauens an den Finanzmärkten inzwischen nicht mehr möglich. "Der Markt für die Depfa ist tot", zitiert die Zeitung Finanzkreise. Die HRE erklärte, als Konsequenz der neuen Finanzierungsarrangements werde der Konzern Abschreibungen auf ihre Beteiligung an der Depfa Bank vornehmen müssen. Dieses Impairment werde einen "wesentlichen materiellen Effekt" auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Gruppe haben, kündigte das Münchener Unternehmen zudem an. Eine Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr 2008 sei nicht zu erwarten.

Auch bei der Finanzgruppe Fortis spitzten sich die Ereignisse über das Wochenende zu. In einer Notaktion erklärten sich die Regierungen Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande bereit, das Institut mit 11,2 Mrd. EUR zu stützen. Für dieses Geld übernehmen die beteiligten Regierungen Anteile an Filialen des Konzerns, der als Folge der weltweiten Krise um faule Hypothekenkredite in den vergangenen drei Quartalen rund 2,9 Mrd. EUR abschreiben musste. Damit wird das Institut teilverstaatlicht. Laut dem Rettungsplan investiert der belgische Staat 4,7 Mrd. EUR und übernimmt im Gegenzug 49 % an der belgischen Bank der Fortis-Gruppe. Die Niederlanden geben 4 Mrd. EUR für 49 % an der niederländischen Bank und Luxemburg lässt sich die 49 % in seinem Land 2,5 Mrd. EUR kosten. "Wichtig ist, dass es eine Benelux-Einigung ist", sagte nach der Einigung der belgische Finanzminister Didier Reynders. "Die Regierungen intervenieren direkt, um die Kontrolle über die drei Banken in den drei Ländern zu übernehmen." Fortis ist die größte Bank in Belgien und die zweitgrößte in den Niederlanden. Der Fortis-Aktienkurs war am Freitag allein um 20 % wegen mangelnden Vertrauens in die Solvenz des Konzerns eingebrochen und auf den tiefsten Stand seit 1995 gesunken. Seit Beginn des Jahres hat das Institut 71% an Wert verloren. Fortis-Interim-CEO Herman Verwilst hatte am Freitag mehrfach beteuert, der Finanzkonzern habe keine Liquiditätsschwierigkeiten. Im Tagesverlauf kündigte der Konzern den Verkauf von Vermögenswerten an. Am Freitagabend ersetzte Fortis Verwilst dann überraschend durch Filip Dierckx.

Verunsicherten Verbrauchern hatte die belgische Regierung bereits zuvor zugesagt, man werde den Bankkunden im Notfall zur Hilfe zu kommen. Der nun vereinbarte Notfallplan ist das Ergebnis mehrerer Krisensitzungen über das Wochenende hinweg. Am entscheidenden Treffen in Brüssel nahm auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, teil. Neben einer Verstaatlichung von Fortis war zwischenzeitlich auch ein Verkauf an einen ausländischen Konkurrenten im Gespräch gewesen. Als Interessenten wurden dabei laut dem "Wall Street Journal" die französische Bankengruppe BNP Paribas und die niederländische ING gehandelt. Am Ende aber entschieden sich die Teilnehmer der Krisengespräche für ein staatliches Eingreifen. Fortis wird als Teil des Notfallplans ihre Anteile an der niederländischen Bank ABN Amro verkaufen. Für die Übernahme waren seinerzeit 24 Mrd. EUR gezahlt werden. Fällt der Verkaufspreis geringer aus, was zu erwarten ist, ist mit einer Abschreibung zu rechnen, die zunächst das reguläre Kapital nicht belasten würde, erklärte Fortis. Bleibe der Verkaufspreis unter 12 Mrd. EUR, werde dies negative Auswirkungen auf das Kernkapital haben, warnte der Konzern. Gegenwärtig wird das Kernkapital auf 30 Mrd. EUR geschätzt. Für das dritte Quartal kündigte das Institut außerdem Wertberichtigungen von rund 5 Mrd. EUR nach Steuern an.

Bei der angeschlagenen britischen Hypothekenbank Bradford & Bingley (B&B) stieg über das Wochenende die spanische Bank Santander ein. Der Konzern kündigte am Montagmorgen in London an, das Filialnetz und die Sparkonten von B&B zu übernehmen. Die Transaktion werde über die britische Abbey-Bank abgewickelt, die zu Santander gehört. Genauere Einzelheiten über die Übernahme des Spargeschäftes wollte Santander erst später mitteilen. Medienberichten zufolge übernimmt Santander die umgerechnet 28 Mrd. EUR schweren Konten aller 2,5 Millionen B&B-Kunden. Das defizitäre Hypothekengeschäft von B&B dagegen will laut Medienberichten der britische Staat übernehmen. Auch Bradford & Bingley wurde von der weltweiten Finanzkrise voll erwischt. Im ersten Halbjahr 2008 fuhr das Unternehmen Nettoverluste von 17,2 Mio. GBP (21,8 Mio. EUR) ein. Verhandlungen über eine Rettung der Bank laufen bereits seit Tagen.

[Text: RISIKO-MANAGER.com]

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