Die Bombe platzte gestern Nachmittag in London. Telefonkonferenz der europäischen DBRS-Mitarbieter mit der Konzernzentrale in Kanada. Dann die Mitteilung: der erst 2005 gegründete europäische Ableger DBRS Europe wird mit sofortiger Wirkung liquidiert. Die rund 40 Mitarbeiter in Europa an den Standorten Frankfurt, Paris und London haben nur wenige Stunden Zeit, ihre Büros zu räumen und nach Hause zu gehen. "Es war realistischerweise kurzfristig kein Umsatz zu erwarten", sagt eine Sprecherin des kanadischen Mutterkonzerns Dominion Bond Rating Service (DBRS) und verweist zur Begründung auf die aktuelle Kreditkrise. Damit ist erstmals eine Ratingagentur von der Subprimekrise betroffen, denn der Markt für Asset-backed Commercial Papers (ABCP), der für internationale Ratingagenturen ein extrem wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells ist, liegt derzeit tot am Boden. Auf dieses Segment hatte offenbar auch DBRS gesetzt. Auch die anderen großen Ratingagenturen waren im Zusammenhang mit Ausfällen von US-Hypothekenkrediten wegen zu optimistischer Bonitätsnoten für strukturierte Kreditderivate in die Kritik geraten. Dem Vernehmen nach mussten unterdessen auch mehrere Structured Finance-Analysten bei Moody's Investores Service die Agentur verlassen.
Schock noch nicht verdauht
Für die DBRS-Mitarbeiter in Europa kam das Aus dennoch überraschend. Der Schock ist über Nacht noch nicht verdauht, denn noch für Ende Januar war in London eine große Investorenkonferenz anberaumt, zu der rund 140 Teilnehmer erwartet wurden. Vor einem Monat bekräftigte noch Sam Theodore, Managing Director für Europäische Finanzinstitutionen bei DBRS in London, im Gespräch mit der RISIKO MANAGER-Redaktion den Raum für weitere Mitspieler auf dem internationalen Ratingmarkt und das Potenzial für einen höheren Wettbewerb. Mit den drei großen Ratingagenturen seien zur Zeit eher oligopolistische Strukturen und keine Diversifikation von Meinungen zu erkennen, so Theodore. Doch die Neuakquise bei Kapitalmarktratings ist Kärrnerarbeit. Und sehr kostenaufwändig. Nach einem Zwischenfazit und der derzeitigen Geschäftsentwicklung gefragt, sagte Theodore: "Wir haben uns in den vergangenen Jahren vor allem darauf konzentriert, im Ratinggeschäft eine internationale Marke aufzubauen. So etwas lässt sich nicht über Nacht bewerkstelligen. Mit unseren europäischen Büros in Frankfurt, London und Paris befinden wir uns deshalb noch in der Investitionsphase. Daher ist es auch klar, dass man in der Startphase nicht profitabel ist. Um eine hohe Reputation zu erlangen bedarf es hoher Investitionen, eines hohen Engagements und zwar sowohl hinsichtlich der personellen Ressourcen als auch hinsichtlich der finanziellen Aufwändungen."
Toronto zieht Stecker raus
Doch dem Eigentümer von DBRS ging offenbar die Puste aus. Die Ratingagentur wurde im Jahr 1976 von dem aus einer deutschen Familie stammenden Walter Schroeder gegründet, dessen Sohn mittlerweile die operative Führung übernommen hat. In Nordamerika hat die Agentur neben ihrem Sitz in Toronto Büros in New York und Chicago. Bei DBRS werden Ratings für mehr als etwa 1.400 Emittenten, darunter Industrieunternehmen, Finanzinstitute, Regierungen und strukturierte Finanzierungen (bei einer Marktabdeckung von 98 Prozent in Kanada) mit über 26.000 ausstehenden Anleihen und 4.600 Abonnenten des Research weltweit erstellt. Seit einigen Jahren forcierte DBRS eine Internationalisierung, die jetzt aber ein jähes Ende fand.
[Bildquelle: RiskNET]