Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik aus dem Jahr 2010 wurden insgesamt 102.813 Fälle von Wirtschaftskriminalität registriert. Im Vergleich zum Jahr 2009 bedeutet dies einen Anstieg um 1.473 Fälle oder knapp 1,5 Prozent. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das tatsächliche Ausmaß der Wirtschaftskriminalität nach wie vor statistisch nur eingeschränkt wiedergeben wird. So werde immer noch nur ein Teil der begangenen Wirtschaftsdelikte zur Anzeige gebracht, da die betroffenen Unternehmen Image- und Reputationsverluste befürchteten.
Im Einzelnen wurden 12.174 Anlage- und Finanzierungsdelikte registriert. Auf der einen Seite zwar ein Rückgang um 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf der anderen Seite stieg der durch die Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden von 3,43 Mrd. Euro auf 4,66 Mrd. Euro im Jahr 2010. Delikte der Wirtschaftskriminalität verursachten somit über die Hälfte des in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik ausgewiesenen Gesamtschadens, obwohl der Anteil dieser Fälle nur 1,7 Prozent an den insgesamt polizeilich bekannt gewordenen Straftaten beträgt.
Carsten Helm, Leiter Fraud Management bei der Commerzbank begab sich im Rahmen der Fachtagung RISIKO MANAGER 2012 auf die Suche nach Antworten auf die Frage "Wie wollen wir Betrugsprävention betreiben?" Die Kosten aus Betrug sind extrem hoch, so Helm. Daher ist Betrugsprävention ökonomisch sinnvoll und wird zudem regulatorisch gefordert.
Eine besondere Hürde liegt darin, dass Betrugsprävention ein äußerst breites Querschnittsthema darstellt. Und auch die Konsequenzen aus Betrug sind vielfältig: Basierend auf einer Prognose des Betrugsvolumens im deutschen Baufinanzierungsgeschäft zeigte Helm potenzielle Schadenszenarien auf. Jedes Jahr werden beispielsweise rund 200 Mrd. Euro neue Baufinanzierungskredite vergeben. 50 Prozent hiervon betreffen das Neugeschäft, der Rest bezieht sich auf Zinsprolongationen. Bei einem geschätzten Betrug von 0,1 bis 0,6 Prozent im Neugeschäft summiert sich der Schaden auf rund 100 bis 600 Mio. Euro. Die Konsequenzen sind offensichtlich: Auf der einen Seite bedeutet dies weniger freies Kapital für zinsbringendes Geschäft mit der Konsequenz einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit. Auf der anderen Seite kämpfen Banken mit einer zusätzlichen Verschärfung durch neue Anforderungen an die Kapitalunterlegung in der Folge des Reformpakets Basel III.
Betrugsprävention muss auf Know-How des Risikomanagements zurückgreifen
Der Fraud-Experte Helm zeigte in seinem Vortrag auf, dass Betrugsprävention auf dem Know-How des Risikomanagements zurückgreifen sollte. So sollte beispielsweise die Bonitätsbewertung um betrugsrelevante Komponenten erweitert werden. Helm: "Im Fall von gefälschten Unterlagen, beispielsweise einer Gehaltsbescheinigung, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit – auch als Probability of Default bezeichnet – ohne jede Aussage." Als Instrument des Risikomanagements prüft so ein Fraud Score die Finanzierungseckdaten auf Ähnlichkeit zu bekannten Betrugsfällen. Ist die Ähnlichkeit hoch, so erfolgt eine Detailanalyse. Auch Netzanalysen unterstützen die Detailanalyse. Mit deren Hilfe werden alle Verbindungen zu anderen Geschäften aufgezeigt, beispielsweise ob ein Objekt bereits in einen Betrugsfall verwickelt war. "Durch ein Mapping der Analyseergebnisse auf eine neue Risikokennzahl, die Probability of Fraud, kann ein eindeutiges Signal mit Handlungsanweisung in den Kreditprozess gegeben werden", so Carsten Helm weiter.
Nichts tun kostet uns extrem viel Geld
Zusammenfassend stellt Helm fest, dass bereits die regulatorischen Anforderungen einen Präventionsaufbau einfordern. So betont § 25c Kreditwesengesetz die Eigenständigkeit der Betrugsbekämpfung als Teil des Risikomanagements und verlangt die Einführung von Sicherungssystemen zur Gefahrenabwehr. "Nichts tun kostet uns extrem viel Geld", so Helm. Beim Aufbau einer präventiven Betrugsprävention sollte berücksichtigt werden, dass eine einzelne Einheit wie die Zentrale Stelle nicht koordinieren und gleichzeitig Detailwissen für jedes einzelne Produkt und jede individuelle Kundengruppe haben kann. Zur Umsetzung eines maschinellen Präventionsansatzes eignen sich die etablierten – auch statistischen – Methoden des Risikomanagements.
Die Aufgabe der Betrugsprävention fasste Helm mit einer kurzen und prägnanten Definition einer 4-jährigen Tochter eines Fraud-Experten zusammen: "Mein Vater errät die Tricks der Diebe!" Und das ist so schwierig, weil man nicht weiß, welche Tricks die Diebe im Kopf haben!
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