Global Economic Overview

Ein heikler Balanceakt inmitten globaler Herausforderungen


Global Economic Overview: Ein heikler Balanceakt inmitten globaler Herausforderungen Studie

Während sich das Jahr 2024 weiterentwickelt, befindet sich die Weltwirtschaft in einem Spannungsfeld zwischen fragiler Erholung und drohenden Unsicherheiten. Zentralbanken weltweit haben vorsichtig manövriert, um eine „weiche Landung“ zu erreichen – ein Szenario, in dem sich die Wirtschaft nur so weit verlangsamt, dass eine Rezession vermieden wird und gleichzeitig die Inflation unter Kontrolle bleibt. Die "Creditreform Economic Briefs" vom September 2024 untersuchen, ob dieses Ziel erreicht wurde und was die Zukunft für die großen Volkswirtschaften bereithält.

Globaler Wirtschaftsausblick: Bewältigung geopolitischer und wirtschaftlicher Herausforderungen

Die globalen Wirtschaftsaussichten werden weiterhin von geopolitischen Spannungen und den Nachwirkungen jüngster Krisen überschattet. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten üben weiterhin erheblichen Druck auf die globalen Wachstumsaussichten aus und drohen, erneute Preisspitzen bei Rohstoffen und Unterbrechungen der internationalen Lieferketten zu verursachen. Trotz dieser Herausforderungen hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das globale BIP-Wachstum für 2024 bei 3,2 % beibehalten und für 2025 leicht auf 3,3 % angehoben.

In den Vereinigten Staaten scheint die Wirtschaft auf Kurs für eine weiche Landung zu sein. Das BIP der USA stieg im zweiten Quartal 2024 um 0,7 % gegenüber dem Vorquartal, hauptsächlich getrieben durch die Inlandsnachfrage. Während es aufgrund von Anzeichen einer Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt und sinkender Stimmung im verarbeitenden Gewerbe Rezessionsängste gibt, bleibt das Verbrauchervertrauen relativ stabil. Es wird erwartet, dass die Federal Reserve die Zinssätze bis Ende 2024 um insgesamt 50 Basispunkte und bis Mitte 2025 um weitere 75 Basispunkte senkt, wodurch der Leitzins bei 4,00-4,25 % liegen würde.

In China zielt die Regierung darauf ab, die Inlandsnachfrage in einem herausfordernden externen Umfeld zu stimulieren. Der IWF hat seine Prognose für das BIP-Wachstum Chinas auf 5,0 % für 2024 und eine leichte Verlangsamung auf 4,5 % für 2025 angehoben. Trotz dieser positiven Korrekturen bleibt der Immobiliensektor des Landes ein wesentlicher Abwärtsrisiko, und geopolitische Spannungen, insbesondere im Zusammenhang mit Taiwan, könnten weitere Unsicherheiten hinzufügen.

Euroraum: Erholung ohne Deutschland?

Das wirtschaftliche Umfeld im Euroraum ist durch eine ungleichmäßige Erholung gekennzeichnet, wobei die Wachstumsaussichten der Mitgliedstaaten stark variieren. Das BIP des Euroraums wuchs sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal 2024 um 0,3 %, getrieben durch starke Leistungen Spaniens und, in geringerem Maße, Frankreichs. Spanien übertrifft weiterhin die anderen großen Volkswirtschaften des Euroraums mit Wachstumsraten von 0,8 % im Quartalsvergleich, hauptsächlich unterstützt durch den Tourismus und einen robusten Dienstleistungssektor. Frankreich wird im dritten Quartal voraussichtlich einen vorübergehenden Aufschwung durch die Olympischen Spiele 2024 in Paris erleben, die das BIP-Wachstum um 0,3 Prozentpunkte steigern könnten.

Deutschland, die größte Volkswirtschaft des Euroraums, hat jedoch weiterhin zu kämpfen. Sein BIP wird voraussichtlich 2024 stagnieren, mit einem prognostizierten Wachstum von nur 0,1 %. Die Indikatoren für die Geschäftsstimmung, wie der Ifo-Geschäftsklimaindex, haben sich verschlechtert, was auf eine begrenzte Erholung in naher Zukunft hindeutet. Der Bausektor, der einige Anzeichen der Stabilisierung gezeigt hatte, sieht sich erneut Herausforderungen durch hohe Zinsen und gestiegene Kosten für Materialien und Energie gegenüber. Unterdessen nehmen die Unternehmensausfälle zu, und es wird erwartet, dass diese Entwicklung bis 2025 weiter anhalten wird. Dennoch könnte ein günstigeres Wachstumsumfeld, das durch die geldpolitische Lockerung begünstigt wird, im nächsten Jahr für einige Erleichterung sorgen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach einer Zinssenkung im Juni 2024 einen allmählichen Kurs der geldpolitischen Lockerung eingeschlagen. Es wird erwartet, dass der Hauptrefinanzierungssatz bis Mitte 2025 auf 2,9 % sinken wird. Diese Lockerung erfolgt jedoch vor dem Hintergrund eines erneuten Fokus auf Haushaltsdisziplin im Rahmen des neuen EU-Fiskalrahmens. Acht EU-Mitglieder, darunter Frankreich und Italien, unterliegen derzeit einem Verfahren bei übermäßigem Defizit, was das fragile fiskalische Gleichgewicht der Region widerspiegelt.

Deutschland: In wirtschaftlichen Herausforderungen gefangen

Deutschland, einst die treibende Kraft des Euroraums, kämpft derzeit mit einer Stagnation. Die Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal 2024 um 0,1 %, nachdem sie im ersten Quartal nur um 0,2 % gewachsen war. Der Rückgang war breit gefächert, mit Rückgängen im privaten Konsum, in Investitionen in Maschinen und Anlagen sowie im Bauwesen, während auch die Exporte zurückgingen. Die Geschäftsstimmung hat sich in allen Sektoren, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und Bauwesen, verschlechtert, wo die Unternehmen pessimistisch hinsichtlich der Zukunftsaussichten bleiben.

Das Verbrauchervertrauen, das sich Anfang des Jahres erholt hatte, ging im August zurück. Obwohl der Arbeitsmarkt relativ robust bleibt und die Arbeitslosenquote niedrig ist, deuten schwaches Beschäftigungswachstum und verhaltene Einstellungsabsichten darauf hin, dass die wirtschaftlichen Aussichten weiterhin herausfordernd bleiben. Zusätzlich weisen steigende Ausfälle bei deutschen Unternehmen – ein Anstieg um 15,9 % im ersten Halbjahr 2024 – auf anhaltende finanzielle Belastungen hin. Die erwartete Lockerung der Geldpolitik könnte jedoch einige dieser Belastungen im Jahr 2025 abmildern und ein günstigeres Umfeld für die Erholung schaffen.

Vereinigtes Königreich: Eine überraschende Erholung inmitten fiskalischer Unsicherheit

Die britische Wirtschaft hat viele überrascht, indem sie sich im ersten Halbjahr 2024 stärker als erwartet erholt hat. Nach einer technischen Rezession in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 wuchs das BIP des Vereinigten Königreichs im ersten Quartal um 0,7 % und im zweiten Quartal 2024 um 0,6 %, hauptsächlich getrieben durch die Inlandsnachfrage. Das Verbrauchervertrauen hat sich verbessert, unterstützt durch nachlassenden Inflationsdruck und steigende Realeinkommen. Die Inflation sank im Juni auf 2,0 %, was für die Haushalte eine gewisse Erleichterung brachte, obwohl die Dienstleistungsinflation aufgrund von Lohndruck relativ hoch bleibt.

Für die Zukunft wird erwartet, dass die Bank of England ihren Zinssenkungszyklus fortsetzen wird, wenn auch langsamer als zunächst erwartet. Der Schlüsselzinssatz wird voraussichtlich bis Mitte 2025 bei 4,25 % liegen. Inzwischen hat der Erdrutschsieg der Labour Party bei den vorgezogenen Wahlen im Juli eine neue politische Dynamik im Vereinigten Königreich gebracht, mit einem Fokus auf Haushaltskonsolidierung und engerer Zusammenarbeit mit der EU. Diese Veränderung könnte die zukünftige Wirtschaftspolitik und die Wachstumsaussichten beeinflussen, insbesondere da die Regierung versucht, ihre Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin mit Maßnahmen zur Wachstumsförderung in Einklang zu bringen.

China: Balance zwischen Wachstum und geopolitischen Spannungen

Die chinesische Wirtschaft bleibt auf Kurs, um das offizielle Wachstumsziel von etwa 5 % für 2024 zu erreichen, angetrieben durch eine Kombination aus gestiegenem Inlandsverbrauch und Exportwachstum zu Beginn des Jahres. Der Immobiliensektor bleibt jedoch ein erhebliches Risiko, und die jüngste Lockerung der Geldpolitik zielt darauf ab, die Inlandsnachfrage weiter zu unterstützen. Die Führung Chinas bleibt auf Modernisierung und wirtschaftliche Kontrolle fokussiert, wie das Dritte Plenum der Kommunistischen Partei im Juli 2024 gezeigt hat. Jedoch könnten die zunehmenden geopolitischen Spannungen, insbesondere in Bezug auf Taiwan, und die Fortsetzung protektionistischer Handelspolitiken weltweit die mittelfristigen Wachstumsaussichten Chinas beeinträchtigen.

Fazit: Ein heikler Balanceakt

Obwohl die Zentralbanken es geschafft haben, eine harte Landung zu verhindern, bleibt der globale Wirtschaftsausblick mit Unsicherheiten behaftet. Geopolitische Spannungen, fiskalische Herausforderungen und inflationsbedingte Belastungen prägen weiterhin die Erholungsperspektiven weltweit. Der Weg zu einem nachhaltigen Wachstum erscheint vorerst ungleichmäßig und risikoreich und erfordert ein umsichtiges Handeln seitens der politischen Entscheidungsträger und Zentralbanken.

Tabelle: IWF-Prognosen für Welt, China, USA

 

Kompakte Zusammenfassung:

1. Für den Euroraum haben wir die BIP-Wachstumsprognose für 2024 auf 0,8 % nach oben korrigiert. Dies ist vor allem auf unsere Erwartung eines stärkeren BIP-Wachstums in Spanien und Frankreich in diesem Jahr zurückzuführen, wohingegen die Wirtschaftsleistung Deutschlands mehr oder minder stagnieren dürfte. In Sachen Wirtschaftswachstum konnte Spanien die anderen drei großen Volkswirtschaften des Euroraums im ersten Halbjahr 2024 erneut übertreffen. Die französische Wirtschaft könnte durch die Olympischen Spiele in Paris in Q3-2024 einen gewissen Auftrieb erfahren.

2. Aufgrund einer schrittweisen geldpolitischen Lockerung und der damit verbundenen Stärkung der Binnennachfrage erwarten wir für 2025 weiterhin eine Beschleunigung des jährlichen BIP-Wachstums im Euroraum auf 1,3 %.

3. Wir gehen davon aus, dass die EZB nach ihrer ersten Zinssenkung im Juni dieses Jahres graduell weitere Zinssenkungen vornehmen wird, wobei der Hauptrefinanzierungssatz bis Mitte 2025 bei 2,90 % und der Einlagensatz bei 2,75 % liegen dürfte. Derzeit liegen diese bei 4,25 % und 3,75 % und die Spanne zwischen dem Hauptrefinanzierungssatz und dem Einlagesatz soll von derzeit 0,50 auf 0,15 Prozentpunkte im September 2024 verringert werden.

4. Mit dem neuen EU-Fiskalregelwerk, das seit April 2024 in Kraft ist, rückt die Haushaltsdisziplin wieder mehr in den Fokus. Insgesamt acht EU-Mitglieder, darunter Frankreich und Italien, sind nun aufgrund der neuen Fiskalregeln im Rahmen eines abgestimmten Verfahrens dazu angehalten, ihr als übermäßig angesehenes gesamtstaatliches Defizit abzubauen. 

5. Wir gehen weiterhin davon aus, dass das reale BIP in Deutschland in diesem Jahr weitgehend stagnieren wird. Die jüngsten Umfragen bei Unternehmen und Verbrauchern deuten auf eine Eintrübung der kurzfristigen Wachstumsperspektiven hin. Für die Bauwirtschaft scheint sich zumindest Licht am Ende des Tunnels abzuzeichnen.

6. Weitere Zinssenkungen und eine kräftigere Auslandsnachfrage dürften trotz derzeit überwiegender Abwärtsrisiken dafür sorgen, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in 2025 um 1,1 % wächst, etwas weniger als bislang von uns prognostiziert. Während die Zahlungsausfälle von Unternehmen weiter zunehmen, dürfte sich der auf den Unternehmen lastende Druck im Laufe des nächsten Jahres in einem positiveren Wachstumsumfeld merklich verringern.

7. Die wirtschaftliche Erholung des Vereinigten Königreichs fiel in der ersten Jahreshälfte 2024 stärker aus als von uns erwartet. Unsere BIP-Wachstumsprognose heben wir daher für 2024 auf 1,1 % an. Für 2025 rechnen wir mit einer Beschleunigung auf 1,5 %, zum Teil unterstützt durch einen voraussichtlich robusten privaten Verbrauch. Die Bank of England dürfte ihren Leitzins weiter senken, allerdings etwas langsamer als bisher angenommen, so dass der Leitzins im Sommer 2025 bei 4,25 % liegen dürfte. Nach ihrem Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen im Juli regiert die Labour-Partei mit einer klaren Mehrheit. Bemühung um Haushaltskonsolidierung wird voraussichtlich auch für die neue Regierung ein Thema bleiben. Daneben gehen wir von einer engeren Zusammenarbeit mit der EU in wichtigen Bereichen von gemeinsamem Interesse aus.

8. Die US-Wirtschaft bleibt auf Kurs für eine sanfte Landung, wobei sich die Zeichen für eine Abkühlung des Arbeitsmarktes in letzter Zeit verdichten. Nach einer erwarteten ersten Zinssenkung im September sowie folgenden Senkungen wird der Leitzins der Fed unserer Einschätzung nach Mitte 2025 bei 4,00-4,25 % liegen.

 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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