Josef Ackermann hat sich als einer der prominentesten Banker seiner Zeit einen Namen gemacht. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen, wo er auch promovierte. Ackermann begann seine Karriere bei der Schweizerischen Kreditanstalt (Credit Suisse) und stieg schnell in führende Positionen auf. Im Jahr 2002 wurde er Vorstandssprecher der Deutschen Bank, wo er bis zum Jahr 2012 tätig war. Während seiner Zeit als Deutsche-Bank-Vorstand musste er zahlreiche Krisen bewältigen und etablierte sich als eine Schlüsselfigur in der globalen Finanzwelt.
Im Interview mit der Schweizer "Weltwoche" (26. Juli 29024) reflektiert Josef Ackermann über seine Erfahrungen und die Herausforderungen, denen sich die Schweiz und die globale Finanzwelt stellen müssen. Ein zentrales Thema sind die Risiken, die mit dem Finanzsektor verbunden sind und wie diese bewältigt werden können.
Ackermann hebt hervor, dass die Schweiz trotz ihrer geringen Größe und Rohstoffarmut eine der wettbewerbsfähigsten Nationen der Welt ist. Dies führt er auf die starke Eigenverantwortung, das stabile politische Umfeld und ein vertrauenswürdiges Rechtssystem zurück. Ackermann: "Bei uns ertönt nicht sofort der Ruf nach dem Staat. Die Unternehmen leben aber auch in einem stabilen politischen Umfeld und in einem Rechtssystem, in das man Vertrauen haben kann. Und wir haben eine unglaublich starke Währung." Jedoch sieht er auch Herausforderungen in der zunehmenden Kluft zwischen Stadt und Land sowie zwischen den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz. Diese Spannungen könnten das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl gefährden.
Ein bedeutendes Risiko, das Ackermann anspricht, ist die Finanzkrise von 2008. Er betont die Wichtigkeit von Kooperation und offenem Austausch zwischen Politik und Finanzsektor, wie es damals in Deutschland praktiziert wurde. "Die Finanzkrise und als Folge die internationale Schuldenkrise waren verbunden mit der realen Gefahr, dass Griechenland fallen und einen Dominoeffekt auf Italien, Spanien, vielleicht sogar Frankreich auslösen könnte. Man musste dieses Feuer löschen, bevor es andere Häuser anzündete. Ich glaube, es ist – wie im Militär gelernt – gerade in Krisensituationen wichtig, einen Führungsrhythmus beizubehalten und sich zu fragen: Worum handelt es sich? Statt sofort panikartig in eine falsche Richtung zu rennen.", so Ackermann.
Ackermann kritisiert, dass in der Schweiz während der Krise der Credit Suisse (CS) ein schnelleres und koordiniertes Handeln gefehlt habe. Er sieht die Gefahr, dass durch mangelnde Vorbereitung und fehlende Krisenszenarien wichtige Reaktionszeit verloren geht.
Er betont die Notwendigkeit, dass Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte besser ausgebildet und auf Krisenszenarien vorbereitet werden sollten. "Wir müssen ein besseres Verständnis bekommen, auch in der Praxis, etwa über Regularien, Compliance, Rechnungswesen und so weiter. Auch finde ich – da denke ich vielleicht etwas militärisch –, wir sollten 'Stabsrahmenübungen' durchführen, in denen wir mit Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten Krisenszenarien durchspielen und so die Früherkennung verbessern. Auch sollte die Finanzmarktaufsicht fehlbare Personen mit Bussen belegen können. Es geht überhaupt nicht darum, die Leute an den Pranger zu stellen. Sondern man muss erreichen, dass sich die Verantwortlichen in 'vorauseilendem Gehorsam' richtig verhalten. Als verantwortungsbewusster Automobilist halte ich mich auf der Strasse ans Tempolimit, nicht zuletzt, weil ich keine Busse riskieren will. Die Aufsichtsbehörden sollten auch vermehrt vor Ort Kontrollen durchführen, statt alles oder fast alles an die Prüfungsgesellschaften zu delegieren." so Ackermann.
Besonders die Kultur der Boni und überzogenen Gehälter sieht Ackermann kritisch. Diese hätten nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert, sondern auch zu einer Risikoverlagerung innerhalb der Banken geführt. Er betont die Wichtigkeit eines Kontrollsystems, das sicherstellt, dass die Unternehmenswerte auch in den Geschäftsprozessen durchgesetzt werden.
Abschließend blickt Ackermann, trotz der zahlreichen Risiken und Unwägbarkeiten, mit einem optimistischen Pessimismus in die Zukunft. Er bereitet sich auf das Schlimmste vor, erwartet jedoch das Beste. Diese Haltung spiegelt seine langjährige Erfahrung und die Bewältigung zahlreicher Krisen wider.