Menschen lassen sich bei Entscheidungen von Eindrücken und Gefühlen leiten, vertrauen ihrer Intuition und folgen Präferenzen. Es ist auch bekannt, dass Menschen je nach Aufgabenstellung schnell, weitgehend automatisch und ohne größere Anstrengung Entscheidungen fällen, wo es notwendig wäre, sich des Problems bewusst zu machen und sich mental stärker anzustrengen. Der Cognitive Reflection Test kann helfen, herauszufinden, ob und wann dies geschieht. Im Rahmen der Studie wurde getestet, ob Risikomanager und Controller auch dem "schnellen Denken" erliegen.
System 1 und System 2
Zu Beginn eine kleine Denkaufgabe: Ein Schläger und ein Ball kosten 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball?
Welche Antwort fällt Ihnen spontan ein?
Dies ist eine von Shane Fredericks entwickelten einfachen Denkaufgaben, mit welchen er die Fähigkeiten zur kognitiven Reflexion testete und zeigte, dass Menschen ihre Entscheidungen nicht immer angemessen reflektieren.
Stanovich und West (2000) beschreiben den mentalen Prozess zur Entscheidungsfindung mit der Metapher von zwei Systemen, dem intuitiven System 1 und dem bewussten, reflektierenden System 2: "[...] those with little conscious deliberation and those that are slower and more reflective" [Frederick, S.: 2005, S. 26].
Beide Systeme haben ihre besondere Eigenschaften und Fähigkeiten. Das System 1 erkennt aufgrund abgespeicherten Wissens Muster, arbeitet automatisch, schnell, weitgehend ohne Anstrengung und ohne bewusste und willentliche Steuerung. System 2 hingegen arbeitet bewusst, dabei langsamer und lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten. Es kommt dann zum Einsatz, wenn uns das Ergebnis nicht sofort einfällt, wie bei System 1, sondern wenn eine höhere Konzentration abverlangt wird, wir etwas analysieren oder kompliziertes berechnen müssen [Vgl. Kahneman, D.: 2012, S. 33].
Die einfache Schläger-und-Ball-Denkaufgabe, welche bereits am Anfang des Artikels dargestellt wurde, kann sehr gut zur Veranschaulichung herangezogen werden wie beide Systeme arbeiten und wie sie miteinander wirken.
Wenn ein Schläger und ein Ball zusammen 1,10 Euro kosten, der Schläger einen Euro mehr kostet, dann fällt Ihnen sofort die Zahl 10 ein, wenn sie gefragt werden wie viel der Ball dann kostet. Dies ist die intuitive, jedoch falsche Antwort von System 1. Nun kommt es darauf an, wie intensiv das System 2 den Vorschlag von System 1 überwacht. Wenn das System 2 die intuitive Antwort überprüft, so stellt es schnell fest, dass die Antwort falsch ist, da bei 10 Cent die Gesamtkosten 1,20 Euro betragen würden. So lautet die richtige Antwort 5 Cent [vgl. Kahneman, D.: 2012, S. 61f.].
Dieses Schläger-und-Ball-Problem und zwei weitere Fragen stellen den von Shane Frederick entwickelten "Cognitive Reflection Test (CRT)" dar [Vgl. Frederick, S.: 2005]. Diese Denkfallen des CRTs haben das gemeinsame Merkmal, dass sie neben der richtigen Antwort auch eine intuitive Antwort hervorrufen, die jedoch falsch ist. Somit eignen sich CRTs, um die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer zu untersuchen, mithin die Frage, ob die Teilnehmer eher System 1 einsetzen oder System 2 aktivieren, also ausreichend reflektieren [Vgl. Frederick, S.: 2005, S. 25ff.].
In seinen Studien kam Frederick zu dem Ergebnis das über 50 Prozent der Befragten intuitiv falsche Antworten geben. Dabei fiel auf, dass unter allen möglichen falschen Antworten die intuitiv-falsche Antwort dominiert. Des Weiteren konnte er feststellen, dass die Teilnehmer analoge Problemstellungen, die mehr Berechnung verlangen, besser lösen können als einfache Problemstellungen, da hierbei mit höherer Wahrscheinlichkeit das System 2 aktiviert wird.
In einem Experiment sollte nun untersucht werden wie Experten im Risikomanagement auf diese Testfragen reagierten, d. h. ob auch diese die Tendenz zeigen, auf vermeintlich einfachere Lösungen zurückzugreifen – also das System 1 zu aktivieren – statt etwas länger nachzudenken um auf die korrekte Lösung zu kommen (Aktivierung von System 2).
Studiendesign: Stichprobe und Erhebungsmethode
Im Rahmen einer Konferenz für Risikomanager wurden die Teilnehmer gebeten, während der Pausen in einem separaten Raum an einen kleinen Test teilzunehmen. Dazu waren vier Rechner aufgebaut, über die Zugang zu einem online-Fragebogen bestand. Von den insgesamt 54 Personen, die an der Studie teilnahmen konnten 50 vollständige Datensätze ausgewertet werden. Dabei waren von diesen 50 Personen über 70 Prozent im Risikomanagement tätig (8 Prozent im Controlling), mehr als zwei Drittel hatten drei oder mehr Jahre Berufserfahrung im Risikomanagement, 14 Prozent hatten keinen Hochschulabschluss und 16 Prozent der Stichprobe waren Frauen.
Der Fragebogen setzte sich aus drei Teilen zusammen:
Im ersten Teil wurden die Befragten gebeten einige demografische Fragen zu ihrer Person zu beantworten. Gefragt wurde nach: Geschlecht, Alter, höchster Bildungsabschluss, der Berufserfahrung im Bereich Risikomanagement, in welchem Bereich sie arbeiteten und wie sie ihre eigenen Fähigkeiten zur Beurteilung von Risiken einschätzten.
Im zweiten Teil ging es um die Risikobewertung. Hierbei wurden den Teilnehmern einige Fallbeispiele und Szenarien präsentiert, zu denen die Teilnehmer Stellung nehmen sollten.
Der dritte Teil der Umfrage bestand aus den drei einfachen Rechenaufgaben des "Cognitiv Reflection Tests" von Frederick und zwei Lotteriebeispielen, bei denen sich die Probanden zwischen zwei alternativen Wahlmöglichkeiten entscheiden mussten.
In diesem Artikel wird das Augenmerk auf den dritten Teil, auf den CR-Test von Frederick gelegt. Die Häufigkeiten der intuitiv-falschen Antworten und die Häufigkeit der richtigen Antwort der Teilnehmer wurden gegenübergestellt und betrachtet.
Ergebnisse
Auf die Frage, wie viel der Ball kosten würde, antworteten 45,1 Prozent der Befragten mit der intuitiv richtigen Antwort (0,10 Euro). Nur 33,3 Prozent gaben die richtige Antwort (0,05 Euro). Somit zeigt sich, dass die inkorrekte, intuitive Antwort unter allen möglichen Antworten dominiert. Offensichtlich haben die Risikomanager hier nicht das System 2 aktiviert, da die Antwort auf den ersten Blick einfach erschien.
Die zweite Aufgabe des CRT´s lautete wie folgt: 5 Maschinen benötigen für die Produktion von 5 Produkten 5 Minuten. Wie lange benötigen 100 Maschinen für die Produktion von 100 Produkten?
Hier zeigte sich, dass 58,8 Prozent der Teilnehmer bei dieser Aufgabe die richtige Antwort (5 Minuten) angegeben haben. Die Häufigkeit der intuitiven Antwort (10 Minuten) liegt bei 19,6 Prozent. Dies zeigt, dass die dominierende Antwort in diesem Problem die richtige Antwort ist (5 Minuten).
Die dritte Aufgabe des CRT's befasste sich mit exponentiellem Wachstum: Eine Kultur von 100 Bakterien verdoppelt ihre Größe jeden Tag. Wenn es 12 Tage dauert, um eine Fläche von 409.600 mm2 zu bedecken, wie lange dauert es, um die Hälfte zu bedecken? Hier stieg der Anteil der korrekten Antworten sogar auf 74,5 Prozent. Die intuitive Antwort wurde von 11,8 Prozent genannt, die jedoch unter den möglichen falschen Antworten (2,0 Prozent, 5,9 Prozent, 2,0 Prozent, 2,0 Prozent) mit 11,8 Prozent klar dominiert.
Bei der Betrachtung der Häufigkeiten von gegebenen Antworten auf die drei dargestellten Rechenbeispiele zeigt sich damit, dass auch Risikomanager sich ähnlich den Annahmen von Fredericks verhalten. So ist im vermeintlich einfachen Schläger-und-Ball Beispiel die intuitiv falsche Antwort die dominierende (45,1 Prozent). Das System 1 schlägt spontan eine Antwort vor, diese wird vom System 2 nicht weiter überprüft und als richtige Antwort angenommen.
Wie in der Annahme auch erwartet nimmt diese Dominanz jedoch bei den nächsten beiden Rechenaufgaben ab. Der Grund dafür liegt darin, dass bei diesen Aufgaben eine höhere Anstrengung, mehr Rechenleistung der Teilnehmer zur Lösung der Aufgabe abverlangt wird. Sie haben hierbei ihre kognitiven Fähigkeiten und somit das System 2 eingesetzt und konnten ohne große Anstrengung die richtige Antwort geben. Dabei wurde auch hier deutlich, dass die Teilnehmer Problemstellungen, die mehr Berechnung verlangen, besser lösen.
Die Frage ist nun, ob die Antworten der Risikomanager sich vom Antwortverhalten der Stichprobe von Fredericks unterscheiden, die hauptsächlich aus Bachelorstudierenden bestand. Bildet man aus den Antworten der drei CRT-Fragen dazu einen CRT-Wert in dem für jede korrekte Antwort ein Punkt vergeben wird, ergibt sich folgendes Bild im Vergleich zur Studie von Frederick:
Tabelle 1
Es wird deutlich, dass die Risikomanager im Mittel einen höheren CRT-Wert erreicht haben, folglich eher das System 2 aktivierten als die Vergleichsgruppe aus Studierenden verschiedener Hochschulen. In allen Gruppen wird dieser Unterschied sichtbar bis auf die Gruppe derer, die eine Antwort korrekt gaben. Nur dort ist der Anteil der Vergleichsgruppe etwas höher, aber gerade bei 2 oder 3 korrekten Antworten werden die Unterschiede zwischen den Risikomanagern und Fredericks Vergleichsgruppe deutlich.
CRT-Wert als Prädikator für Entscheidungsverhalten
Welche Auswirkungen das Antwortverhalten auf die Entscheidungen selbst hat, untersuchte Frederick anschließend an einigen typischen Fragen aus der Forschung zur Prospect-Theorie. Dazu mussten sich die Teilnehmer für verschiedene Optionen unter Unsicherheit entscheiden (jeweils Alternative A und Alternative B). Hier wurde untersucht, ob sich die Teilnehmer eher für riskantere Optionen entschieden, für höhere Gewinne bereit waren, zu warten oder wie sie sich bei Entscheidungen mit sicheren Verlusten oder sicheren Gewinnen, verhielten. Es gab dazu wiederum einen Gesamtwert, der sich aus den korrekten Antworten auf der Basis des Erwartungsnutzens zusammen setzte. Wer folglich korrekte Antworten basierend auf dem Erwartungsnutzen gab, bekam einen höheren Punktwert. Diese Punktwerte korrelierte Frederick wiederum mit den erreichten CRT-Werten und stellte fest, dass der CRT-Wert ein guter Prädikator für das korrekte Antwortverhalten ist. Er zog deshalb daraus den Schluss, dass Menschen mit einem höheren CRT-Wert auch eher besser Entscheidungen treffen können um den Erwartungsnutzen zu erhöhen.
Fazit
Die Entscheidungen von Menschen sind durch kognitive Verzerrungen oder Urteils- und Bewertungsanomalien beeinflusst. Diese Fehler können trotz des Wissens über diese in der Praxis beobachtet werden, zum Beispiel bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten oder der Bewertung von Handlungsalternativen, obwohl meist davon ausgegangen wird, dass Entscheidungen rational unter Einbezug der best verfügbaren Informationen getroffen werden. Es ist jedoch bekannt, dass Menschen je nach Aufgabenstellung schnell, weitgehend automatisch und ohne größere Anstrengung Entscheidungen fällen, wo es notwendig wäre, sich des Problems bewusst zu machen und sich mental stärker anzustrengen. Dieses schnelle Denken verleitet zu vermeintlich klaren und einfachen Entscheidungen ohne größere Anstrengung. Wie die Studie zeigt, erliegen Risikomanger bei der Entscheidungsfindung teilweise auch diesem Fehler. Jedoch sind sie insgesamt geduldiger als Frederick in seiner Stichprobe festgestellt hat. Die Studie liefert damit einen ersten Hinweis, dass den Entscheidungen von Risikomanagern eher vertraut werden kann als "normalen" Menschen, wenngleich die Stichprobe mit 50 Personen recht klein war und der Unterschied zur Vergleichsgruppe recht gering war.
Die Frage ist nun, was dagegen getan werden kann, denn erst einmal ist es grundsätzlich nicht möglich, derartigen unbewusst ablaufenden intuitiven Phänomenen zu entkommen. Es kann jedoch versucht werden, sich den eigenen Schwächen des intuitiven Denkens bewusst zu werden und sich zu zwingen im Rahmen der betrieblichen Problemstellungen die spontanen Lösungen erst einmal außen vor zu lassen und zu versuchen, das System 2 zu aktivieren in dem das Problem beispielsweise niedergeschrieben wird und man sich bewusst einige Minuten mit dem Fall befasst. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit.
Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise:
Frederick, S.: Cognitive Reflection and Decision Making, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 19/2005, Nr. 4, S. 25-42.
Kahneman, D.: Schnelles Denken, Langsames Denken, 6.Auflage, München 2012.
Stanovich, K.; West, R.: Individual differences in reasoning: implications for the rationalitiy debate?, in: Behavioral and Brain Science, Jg. 22, Nr. 5, S. 645-726.
Autor:
Prof. Dr. Thomas Berger, Professor für Betriebswirtschaft, SRH FernHochschule Riedlingen
Egle Maksimaite, Studierende an der SRH Fernhochschule Riedlingen.
[Bildquelle oben: © alphaspirit - Fotolia.com]