Das Tōhoku-Erdbeben 2011 ereignete sich am 11. März 2011 um 14:46 Uhr Ortszeit. Das Epizentrum lag vor der Küste der Präfektur Miyagi etwa 370 Kilometer nordöstlich von Tokio und 130 km östlich von Sendai. Die Stärke des Erdbebens wird mit der Momenten-Magnitude 9,0 Mw angegeben. Die Folgen der dreifachen Katastrophe haben vor allem die Verwundbarkeit von Gesellschaft und Wirtschaft gezeigt: Das schwerste Erdbeben Japans erschütterte die Nordostküste der Hauptinsel Honshu. Ihm folgte ein gewaltiger Tsunami. Mehr als 15800 Menschen wurden getötet, ganze Städte verwüstet (300.000 Häuser zerstört, 600.000 Gebäude beschädigt) und der Unfall im Kernkraftwerk Fukushima ausgelöst. Mit über 200 Milliarden US-Dollar Schaden für die Volkswirtschaft ist das Ereignis die bisher teuerste Naturkatstrophe weltweit. Es verursachte 35 bis 40 Milliarden US-Dollar versicherte Schäden. Im Fall Japan trägt der Staat nach der Katastrophe mindestens geschätzte 85 Prozent der wirtschaftlichen Schäden im eigenen Land selbst.
Die Risikolage in Japan
Ein Jahr nach dem Beben beschreiben Erdbeben-Experten beim Rückversicherer Munich Re die Risikolage für Japan neu. Sie analysierten die Beben-Muster, wie sie seit einem Jahr beobachtet werden und stellten erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Erdbebengefährdung fest: Von einer grundsätzlich erhöhten Aktivitätsrate ist für mehrere Jahre auszugehen, Erdbeben mit einer Magnitude von bis zu mehr als 7 auf der Richterskala sind in der vor einem Jahr betroffenen Region mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Auch in 200 bis 300 Kilometer weiter entfernten Regionen landeinwärts können sich Spannungen entladen.
Insgesamt führt die Analyse auch zur Annahme einer gestiegenen Gefährdung für die Region um Tokio. Ludger Arnoldussen, marktverantwortlicher Vorstand für Japan bei Munich Re: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein mittelschweres Erdbeben mit Magnitude von zirka 7 und Epizentrum im Großraum Tokio stattfinden wird, ist für die kommenden Jahre deutlich gestiegen. Angesichts der Konzentration von Werten dort muss unsere Einschätzung auch Konsequenzen im Underwriting haben. Wir sind sehr früh und intensiv in die Gespräche mit unseren Kunden gegangen." In die Verhandlungen zur Vertragserneuerung für Japan zum 1. April 2012 gehen die Erkenntnisse über konkrete Vorgaben ein. Sowohl in proportionalen wie in nichtproportionalen Verträgen muss mit dieser erhöhten Schadenerwartung gerechnet werden. Die Erneuerungsrunde wird damit stark vom Naturkatastrophengeschäft – einem Kerngeschäft der Rückversicherung - geprägt sein. Munich Re erwartet weiter steigende Preise.
Die zuletzt aufgetretene Häufung schwerer Erdbeben über den Globus hinweg (Chile im Februar 2010, Neuseeland im September 2010 und Februar/Juni 2011) ist Zufall. Gleichwohl sollte die Möglichkeit von Extremszenarien wie Erdbeben der Magnitude 9 weltweit stärker in Betracht gezogen und bei Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt werden. Der erweiterte Blick auf die Worst-Case-Szenarien führt jedoch nicht automatisch zu höheren erwarteten Schäden.
Die Konsequenzen aus der Katastrophe reichen weit über die Grenzen Japans hinaus
Der Nutzen und die Grenzen von Prävention und Frühwarnsystemen wurden in Japan deutlich: Erfolgreich waren in Japan die strikten Bauvorschriften zur Erdbebensicherheit. Insbesondere jene Häuser außerhalb der Tsunamizone, die nach 1981 errichtet wurden, trugen nur niedrige Schäden davon. Die Hochhäuser in Tokio schwankten zwar minutenlang durch das Beben, wurden aber kaum beschädigt. Das gut funktionierende Frühwarnsystem mit einer Vorwarnzeit von 15 bis 20 Minuten und die weltweit wohl einzigartigen, extrem massiven Schutzwälle konnten die Opferzahlen verringern. Trotzdem starben Tausende durch den Tsunami. Die einzige Möglichkeit solche Katastrophen zu verhindern wäre ein generelles Bauverbot in den besonders gefährdeten Küstenstrichen. Schon vor Jahrhunderten hatten Menschen in Nordjapan ihre Nachkommen an Grenzlinien für sicheres Bauen durch warnende Gravuren in Wegsteinen erinnert. Sie sind nach den starken Tsunamis im Jahr 1611 oder 1896 entstanden.
Komplexe Abhängigkeiten in der globalen Produktionswelt bergen erhebliche Risiken: Die Folgen des Erdbebens blieben nicht auf Japan beschränkt. Zusätzlich zu den in den betroffenen Gebieten entstandenen Sachschäden schlummert etwa bei der Versicherung sogenannter Rückwirkungsschäden (Contingent Business Interruption, CBI) ein weiteres erhebliches Kumulpotenzial: Die Deckung von Rückwirkungsschäden schützt Unternehmen vor Verlusten aus Betriebsunterbrechungen, wenn ein Zulieferer aufgrund eines an seiner Produktionsstätte entstandenen Sachschadens seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkommen kann. Beim Japan-Beben kam es insbesondere durch Schäden bei wichtigen Zulieferern der Automobil- und Hightech-Industrie zu Produktionsausfällen weltweit. Transparenz über die wichtigsten Zulieferer sowie deren Standorte und gezielte Limitierungen sind künftig unabdingbar, um die Risiken aus diesen Deckungen zuverlässig kalkulieren zu können. Munich Re wird im Dialog mit den Kunden den Deckungsumfang solcher Konzepte schärfen um die Versicherbarkeit von Rückwirkungsschäden nachhaltig zu gewährleisten.
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Die Munich Re will im laufenden Jahr wieder an die Gewinne vor dem Katastrophenjahr 2011 anknüpfen. Beim Konzernergebnis peilt der weltweit größte Rückversicherer 2,5 Milliarden Euro, nachdem dieser im vergangenen Jahr um über 70 Prozent auf 712 Millionen Euro eingebrochen war.
Vor allem das versicherungstechnische Ergebnis soll sich dabei deutlich verbessern. "Gerade nach Großschäden, wie wir sie im vergangenen Jahr erleben mussten, nimmt das Risikobewusstsein zu", zeigte sich Vorstandsvorsitzender Nikolaus von Bomhard optimistisch. Auch 2013 wollen die Münchener den Gewinn weiter steigern.
Bei den Einnahmen spiegelt sich diese Zuversicht jedoch nicht wieder. Die gebuchten Bruttoprämien sieht der DAX-Konzern mit 48 bis 50 Milliarden Euro lediglich auf Vorjahresniveau. 2011 waren sie um neun Prozent auf 49,6 Milliarden Euro geklettert. Auch in den jeweiligen Sparten Rückversicherung und Erstversicherung soll das Prämienniveau gehalten werden.
Für ihr 207 Milliarden schweres Anlageportfolio will die Munich Re trotz des schwierigen Niedrigzinsumfeldes erneut eine Rendite von 3,5 Prozent erzielen. Um auch höhere Renditen zu erreichen, legen die Münchener neben dem bereits beschlossenen Investitionsprogramm von 2,5 Milliarden Euro für Erneuerbare Energien jetzt auch noch ein zusätzliches Infrastrukturprogramm auf. Dieses soll mittelfristig ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro aufweisen.
Das Kapitalanlageergebnis soll im nächsten Jahr bei 7,2 Milliarden Euro liegen - 0,4 Milliarden Euro über dem mit hohen Abschreibungen auf Griechenland-Anleihen belasteten Vorjahr, aber unter den vorherigen Jahren. Aus dem jüngst beschlossenen Schuldenschnitt und Anleihetausch bei Hellas-Bonds erwartet die Munich Re "allenfalls noch relativ geringe Aufwendungen". Diese Papiere haben die Münchener bereits zum Jahresende auf den Marktwert von 23 Prozent abgeschrieben.
Die hohen Abschreibungen von 1,2 Milliarden Euro auf Griechenland-Papiere waren einer der Gründe, warum die Münchener im vergangenen Jahr beim Konzernergebnis einen Einbruch um über 70 Prozent hinnehmen mussten. Dies hatten sie bereits Anfang Februar mit einigen vorläufigen Zahlen mitgeteilt. Hinzu kamen die höchsten Schäden aus Naturkatastrophen, die der DAX-Konzern jemals in seiner Geschichte verkraften musste. Die Schäden aus dem Tsunami in Japan, den Erdbeben in Neuseeland sowie den Überschwemmungen in Australien und zuletzt in Thailand - um nur die größten zu nennen - summierten sich auf über 4,5 Milliarden Euro.
Insgesamt litt der Branchenprimus mit am stärksten unter dem für die Rückversicherer außerordentlich schwierigen Jahr. Der Branchenzweite Swiss Re verdiente zwar mehr als im Vorjahr, hatte dafür aber auch massiv Rückstellungen aufgelöst und im Anlageportfolio Gewinne mitgenommen. Die Munich Re hat auf solche Maßnahmen zugunsten der Kontinuität weitgehend verzichtet. Auch die Hannover Rück hat sich mit einem kleineren Gewinnrückgang besser geschlagen. Sie profitierte dabei von ihrer stärkeren Rückabsicherung im Kapitalmarkt und auch von ihrer stärkeren Nischenorientierung.
Die Aktionäre des DAX-Konzerns sollen gleichwohl nicht unter dem Gewinneinbruch leiden. Die Dividende wird, auch wegen der soliden Kapitalausstattung, bei 6,25 Euro gehalten. Die Münchener müssen dafür tief in die Rücklagenkasse greifen, denn die Ausschüttungssumme von rund 1,1 Milliarden Euro liegt deutlich über dem Jahresüberschuss.
Im Markt wird der konkrete Zahlenausweis ruhig zur Kenntnis genommen. Die Zahlen deckten sich mit den bereits veröffentlichten vorläufigen Kennziffern und die Gewinnprognose treffe exakt die Markterwartung, hieß es. In den ersten Handelsminuten legen die Aktien etwas stärker als der Gesamtmarkt um 1,4 Prozent auf 110,25 Euro zu.
Das vergangene Jahr war eines der schlimmsten für die Versicherungsbranche. Eine Entwarnung will Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann auch für 2012 nicht geben. ”Das neue Geschäftsjahr wird nicht weniger fordernd sein als das Berichtsjahr”, schreibt der Manager in einem Brief an die Aktionäre von Europas größtem Versicherer. Der DAX-Konzern rechnet mit anhaltenden finanziellen Turbulenzen.
Diese Schwankungen dürften so lange anhalten, bis die Märkte von einer Lösung der Staatsschuldenkrise durch die Politik überzeugt sind. ”Da dies noch dauern könnte, dürfte auch der Druck auf die Bilanzen der Versicherer anhalten, ebenso wie der weitere Abbau von Risiken bei Investitionen”, warnt der Versicherer in dem Geschäftsbericht.
Die vor einem Monat abgegebene Prognose für den operativen Gewinn 2012 bekräftigte die Allianz: Der operative Gewinn soll, abhängig von der Entwicklung von Währungen und Zinsen, in einer Spanne von 7,7 Milliarden bis 8,7 Milliarden Euro liegen und sich 2013 verbessern. Im vergangenen Jahr hatte der operative Gewinn 7,9 Milliarden Euro betragen und war damit leicht zurückgegangen, während der Nettogewinn um rund die Hälfte eingebrochen war. Hohe Abschreibungen auf Aktien sowie griechische Anleihen und Belastungen wegen schweren Naturkatastrophen hatten der Allianz 2011 die Bilanz verhagelt.
Das schwache Ergebnis im Vorjahr hat auch auf den Gehaltszetteln der Vorstände seine Spuren hinterlassen: Die zehn Vorstände bekamen inklusive der Pensionszusagen insgesamt 31,6 Millionen Euro und damit knapp ein Viertel weniger als im Vorjahr. Das Gehalt von Diekmann schrumpfte auf 5,3 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 6,6 Millionen Euro. Sein Grundgehalt – also ohne Pensionszusagen – sank um knapp 30 Prozent auf 4,4 Millionen Euro.
In diesem Jahr rechnet der Versicherer trotz der Herausforderungen zum Teil mit einer Entspannung. So sei nicht mit einem ”signifikanten Einfluss” durch den Umtausch griechischer Anleihen zu rechnen, heißt es im Geschäftsbericht. Eine Prognose für den Nettogewinn wagt die Allianz aber nicht. Extreme Marktschwankungen gehörten ”neuerdings zum Normalzustand der Weltwirtschaft”, schreibt Diekmann an die Aktionäre. Das mache eine genaue Prognose schwierig. Vom niedrigen Stand 2011 ausgehend sollte sich der Jahresüberschuss aber wieder leicht erholen, heißt es in dem Bericht.
Neue Dynamik für die Versicherungsbranche erhofft sich der DAX-Konzern von dem für 2012 und 2013 erwarteten weltweiten Wirtschaftsaufschwung. ”Dabei gehen wir davon aus, dass das Branchenwachstum in den Schwellenländern während des gesamten Zeitraums robust bleiben und über den Wachstumsraten in den Industrieländern liegen wird”, prognostiziert der Versicherer.