Amerika super, China aussichtsreich, Europa naja. So könnte man das Bild zusammenfassen, dass die Deutsche Bank in diesen Tagen von den Wachstumsaussichten der großen Wirtschaftsräume zeichnet. Für die USA rechnet die Bank mit einer ersten Leitzinserhöhung Mitte 2015, für China mit einer nur leichten Wachstumsverlangsamung und für die Eurozone mit dem Beginn von Staatsanleihekäufen im ersten Quartal 2015. Das klingt nicht besonders originell und überraschend - einige Einschätzungen der Experten des größten deutschen Kreditinstituts sind aber durchaus interessant.
David Folkerts-Landau, der Chefvolkswirt, ist vom Zustand der Eurozone frustriert: "Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Euro Bestand haben wird. Aber die Kosten, ihn zu erhalten, erzeugen eine verlorene Generation", sagt er. Solange es zwischen Staaten des Euroraums keine wirkliche ökonomische Annäherung gebe, "werden wir Episoden hoher Arbeitslosigkeit haben."
Der langjährige Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) kritisiert die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) als einen Versuch, Schmerzen zu vermeiden, der aber zugleich Anreize für die Fortführung einer falschen Politik setze. "Ich bin weit entfernt davon, Angst vor einer Deflation zu haben", sagt er. So weit, so typisch deutsch, könnte man sagen.
Interessanterweise hält seine eigene volkswirtschaftliche Abteilung aber einen Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ab dem ersten Quartal für wahrscheinlich und auch angemessen - wegen des Abwärtsdrucks, den die weiter sinkende Teuerung auf die Inflationserwartungen haben dürfte. "Wir werden in den nächsten Monaten negative Inflationsraten sehen, vielleicht schon im Dezember", sagt Europa-Chefvolkswirt Marcel Cassard, der mit Folkerts-Landau schon beim IWF zusammen gearbeitet hat.
Im offiziellen Prognose-Papier der Deutschen Bank heißt es: "Der Übergang in den Erholungsmodus wird von einem erfolgreichen QE (quantitative Lockerung, also Staatsanleihekäufen) abhängen." Wenn es der EZB jedoch nicht gelinge, die Inflationserwartungen zu verankern, könnte sich die positive Wirkung des gesunkenen Ölpreises verringern. Für 2014 und 2015 erwartet die Deutsche Bank einen Anstieg der Wirtschaftsleistung in der Eurozone von 0,8 und 1,0 Prozent.
Deutlich besser stehen die USA da. Die Deutsche Bank prognostiziert Wachstumsraten von 2,4 und 3,5 Prozent. Bei der Frage, wann die US-Notenbank ihre Zinsen erhöht, liegt das Institut auf einer Linie mit dem Konsens: Es wird voraussichtlich Mitte 2015 sein.
US-Experte Torsten Slok glaubt, dass sich die Fed nicht von der relativ niedrigen Inflation von einer Anhebung der Leitzinsen abhalten lassen wird. Der Grund: Am US-Arbeitsmarkt beginne es bereits eng zu werden. "Es sieht nicht so aus, als würden sehr viele Menschen an den Arbeitsmarkt zurückkehren", sagte er. Das bedeutet: Der Rückgang der Arbeitslosenquote dürfte nachhaltig sein.
Interessant sind die Aussagen der Deutsche-Bank-Volkswirte zu China. Offiziell erwartet die Bank eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums von 7,3 auf 7,0 Prozent im kommenden Jahr und für 2015 jeweils zwei Senkungen von Mindestresevesätzen und Leitzinsen. Aber Asien-Chefökonom Michael Spencer meint im Gespräch, wahrscheinlich wachse Chinas Volkswirtschaft noch stärker als er glaube - "und ich bin mit Blick auf China schon der optimistischste Ökonom".
Der Grund für seinen Optimismus ist zum einen, dass Chinas Behörden dem Privatsektor immer mehr Spielraum lassen: "Die Liste der Aktivitäten, in die nur der Staat investieren darf, hat sich in den vergangenen 18 Monaten halbiert", sagt er. Das dürfte Investitionen nach sich ziehen.
Der andere Faktor: Die Finanzierung des Privatsektors läuft viel besser als vor der Finanzkrise. "Aus dem Privatsektor kommen bisher 70 Prozent des Wachstums, aber es fließen nur 40 Prozent der Kredite dorthin - deshalb ist der Schattenbankensektor eine wunderbare Sache", sagt er. Spencer - auch er hat mal beim IWF gearbeitet - hofft deshalb, dass die Schattenbanken in nächster Zeit noch schneller als bisher wachsen werden. Das, so sagt er, sei die wahre Hoffnung für China.
Die Liberalisierung der Landeswährung Yuan läuft unterdessen auf vollen Touren. Seit einigen Wochen können Aktien aus der Volksrepublik in Hongkong gehandelt werden, rund um die Welt entstehen sogenannte Off-Shore-Zentren für den Handel mit Yuan - eines davon ist Frankfurt. Dass China den Zahlungsverkehr noch nicht völlig freigegeben hat, liegt nach Meinung mancher Ökonomen daran, dass die Staatsführung eine starke Aufwertung der Landeswährung befürchtet, was für die exportorientierte Wirtschaft Chinas schlecht wäre.
Aber Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Folkerts-Landau glaubt nicht an dieses Szenario: "Wenn China seine Zahlungsbilanz öffnet, dann dürfte der Renminbi eher ab- als aufwerten", sagt er. Denn die Chinesen seien sehr an der Internationalisierung ihrer Anlagen interessiert. "Schon heute kaufen chinesische Investoren überall auf der Welt Immobilien."