Beim Schweizer Franken bewegt sich etwas. Fast eineinhalb Jahre war er gegenüber dem Euro auf den Devisenmärkten bei 1,20 Franken je Euro "einzementiert". Die Notenbank gab zeitweise riesige Beträge aus, um eine stärkere Aufwertung zu verhindern. Ihre Devisenreserven haben sich in dieser Zeit auf fast EUR 500 Mrd. verdoppelt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt hat sie inzwischen mehr Reserven als China. Sie musste sich für dieses Vorgehen zeitweise harsche Kritik von der Politik anhören. Notenbankchef Hildebrand trat zurück (freilich nicht nur aus diesen Gründen).
Jetzt hat der Aufwärtstrend beim Franken nachgelassen. Der Kurs stieg zeitweise auf über 1,23 CHF je Euro. Das ist zwar noch nicht viel. Für die über die Aufwertung klagende Wirtschaft war es jedoch ein erstes Hoffnungszeichen. Dies umso mehr, als sich die Währungsreserven auch nicht mehr stärker erhöht haben. In der Eidgenossenschaft nehmen jetzt die Erwartungen auf eine weitere Aufwertung zu. Zum Teil wird die Forderung erhoben, die Notenbank solle ihre Interventionsschwelle von 1,20 auf 1,25 CHF je Euro anheben. Ist das vorstellbar?
Um die Entwicklung der Schweizer Währung zu beurteilen, muss man sie in den längerfristigen Zusammenhang stellen. Der Franken ist – wie früher die D-Mark – generell eine Aufwertungswährung. Das hängt mit den günstigen Fundamentalfaktoren wie der gesunden Wirtschaft, dem niedrigen Staatsdefizit, der geringen Preissteigerung und der politischen Stabilität zusammen. Die Grafik zeigt die Entwicklung in den letzten 60 Jahren. Die Aufwertung vollzog sich dabei jeweils in großen Schüben. Einen Schub gab es Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre (nach der Ölkrise), einen anderen im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008.
Die Aufwertung des Schweizer Franken (EUR/CHF-Kurs) [Quelle: Bundesbank, Kurse vor 1999 aus den D-Mark Kursen errechnet]
Im Augenblick ist der Franken aufgrund dieser letzten Höherbewertung deutlich überbewertet. Nach der historischen Betrachtung müsste er eher bei 1,40 CHF je Euro liegen. Das zeigen auch Kaufkraftvergleiche. Jeder, der über den Jahreswechsel in der Schweiz Urlaub gemacht hat, dürfte das aus eigener Erfahrung bestätigen.
Für eine Abwertung in dieser Größenordnung spricht auch, dass der Krisenmodus auf den Finanzmärkten nachgelassen hat. Es gibt nicht mehr so viele Fluchtgelder aus den südeuropäischen Peripherieländern. Die Risikobereitschaft der Investoren hat sich erhöht. "Sichere Häfen" wie die Schweiz sind nicht mehr so stark gesucht. Natürlich kann (und wird) sich das auch mal wieder ändern, was dann erneut zu Geldzuflüssen in der Schweiz führen kann. Aber generell sieht das Umfeld günstiger aus.
Andererseits spricht auch eine Reihe von Faktoren gegen eine stärkere Abwertung des Franken. Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Notenbank ihr Wechselkursziel auf 1,25 CHF je Euro anhebt. Das wäre eine Feinsteuerung, die auf unruhigen Devisenmärkten für eine Notenbank von der Größe der Schweiz kaum durchzuhalten wäre. Die Notenbank war schon glücklich, dass es ihr dank außerordentlicher Anstrengungen gelungen ist, die Grenze von 1,20 CHF je Euro durchzuhalten. Sie würde das Schicksal sicher nicht durch ein neues Ziel herausfordern wollen.
Freilich kann man annehmen, dass die Notenbank sich nicht gegen eine vom Markt herkommende Abwertung des Franken stellen würde. Das würde den Interessen der Schweizer Wirtschaft entgegenlaufen. Was sie in einem solchen Fall allerdings tun würde, wäre zu versuchen, einen Teil ihrer hohen Währungsreserven abzugeben. Sie würde damit die Abwertung leicht abbremsen.
Gegen eine größere Abwertung des Franken spricht auch, dass die Wirtschaft der Eidgenossenschaft mit dem hohen Wechselkurs besser zurande kommt, als das ursprünglich zu erwarten war. Das reale Bruttoinlandsprodukt entwickelt sich günstiger als das von Deutschland (obwohl die Schweiz ja auch viel in die von der Eurokrise betroffenen Länder exportiert). Im letzten Jahr dürfte es sich um 1 % erhöht haben (Deutschland plus 0,7 Prozent). Für dieses Jahr rechnet die Notenbank mit einer Expansion von 1 Prozent bis 1,5 Prozent (Deutschland 0 Prozent bis 0,5 Prozent).
Dazu trägt auch bei, dass sich die Wirtschaft an das hohe Wechselkursniveau angepasst hat. Nicht nur haben die exportorientierten Firmen außerordentliche Anstrengungen unternommen. Auch das gesamtwirtschaftliche Preisniveau ist dank der niedrigeren Importpreise gefallen. Es dürfte im letzten Jahr um 0,7 Prozent zurückgegangen sein, während sich die Preise in Euroland um 2,5 Pozent erhöht haben. Das ergibt eine interne Abwertung der Schweizer Währung um über 3 Prozent gegenüber dem Euro. Auch dadurch hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz verbessert.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Und keiner hat es gemerkt !!!
Es sind nicht mehr nur die Spekulanten vs. Schweizer Notenbank aktiv - Jetzt sind die Investoren zum Teil wieder als "Market Maker" aktiv.
Mal sehen wie lange noch...