In jüngster Zeit bestätigt die höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland (vgl. BGH-Entscheidungen "KMW" und "Selbstreinigung"), der Gesetzgeber und auch die Exekutive die allgemein anzuerkennende Rechtsfigur, dass organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Pflichtverstößen unter Umständen im Einzelfall den Vorwurf vorsätzlichen Handelns entfallen lassen oder bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind.
Auch der Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums zur Unternehmenssanktion bei Compliance-Verstößen bewegte sich in diese Richtung. In den USA existieren die US Sentencing Guidelines bereits seit den 1980er Jahren, die eine einheitliche Politik für die Verurteilung von Einzelpersonen und Organisationen festlegen, die in den Bundesgerichten der Vereinigten Staaten wegen Verbrechen und schweren Vergehen (Klasse A) verurteilt werden. In anderen Ländern ist die Rechtslage abhängig vom Haftungsmodell der jeweiligen Rechtsordnung. Internationale Standards verweisen ebenfalls auf diese Wirkungen.
Dass Compliancesysteme und Kontrollsysteme tatbestandsausschließend oder bei der Strafzumessung positiv zu berücksichtigen sind, ist in Deutschland nunmehr gefestigte Rechtslage , wenngleich bei Instanzgerichten, (Verfolgungs-) Behörden und auch in Wissenschaft und Praxis hierzu noch u. U. für Transparenz gesorgt werden muss.
Der nachfolgende Artikel (Autoren: Scherer, Josef / Grötsch, Andreas / Fruth, Klaus) setzt sich mit der aktuellen Rechtslage einer "enthaftenden" Wirkung von Compliance- und Whistleblowing-Managementsystem auseinander.