Die überraschende Ankündigung eines Referendums in Griechenland hat nach Überzeugung von Volkswirten führender deutscher Konjunkturinstitute die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöht. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine heftige Rezession sehen, ist immer noch recht hoch, und sie ist zumindest gegenüber der Situation kurz nach dem Gipfel gestiegen", sagte der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW), Joachim Scheide, am Dienstag. Die Krise schwele, und ein Schock wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 könne eine ähnliche Situation wie damals auslösen.
"Was im Moment dort passiert, kann in der Tat dazu führen, dass der ganze Rettungsplan über den Haufen geworfen wird, dass es zu einem Staatsbankrott kommt oder dass doch etwas Unerwartetes passiert, ein Machtwechsel in Griechenland oder ein ganz plötzliches Ausscheiden aus dem Euro", sagte Scheide. "Wie dann die Märkte reagieren, wissen wir nicht."
Der Chefvolkswirt des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, sah ebenfalls in letzter Konsequenz eine gestiegene Gefahr einer weltweiten Rezession. "Eine ungeordnete Insolvenz Griechenlands hätte sicherlich fatale Folgen auch für die reale Konjunktur der Weltwirtschaft", sagte Bräuninger. Schon die große Verunsicherung führe zu einer Zurückhaltung bei Investitionen, und schon dies störe die reale wirtschaftliche Entwicklung.
Sobald der Rettungsplan per Referendum abgelehnt werde, wäre "eine Insolvenz Griechenlands eigentlich unvermeidbar", was eine extreme Belastung für die Finanzmärkte bedeuten würde. Ein Austritt des Landes aus der Währungsunion berge die "Gefahr einer Kettenreaktion", warnte Bräuninger. "Es ist völlig unklar, wie das weitergeht", sagte er.
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Als "fatales Signal an die Weltmärkte" hat Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), die Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou bewertet, ein Referendum über die Ergebnisse des EU-Gipfels durchführen zu wollen.
"Dadurch wird Misstrauen gegenüber Europa erneut massiv verstärkt", sagte Börner am Dienstag in einem Interview mit Dow Jones Newswires. Es geschehe zudem in einer Phase, in der man durch die EU-Gipfelbeschlüsse gerade dazu übergegangen sei, verlorengegangenes Vertrauen mühevoll wieder aufzubauen. Wenn Investoren nun auf Europa schauten und davon ausgehen müssten, dass "das der Stil der europäischen Staatschefs ist", verwundere es nicht, wenn sie sich fragten, wem sie noch vertrauen könnten.
Die überraschende Ankündigung von Papandreou mache ihn "sprachlos". Ihm fehle "jegliches Verständnis" für das Vorgehen des griechischen Ministerpräsidenten. "Papandreou spielt auf jeden Fall mit dem Feuer und nicht nur mit seinem", sagte Börner.
Im Fall eines Scheiterns des griechischen Referendums hält der BGA-Präsident die Pleite und den Austritt Griechenlands aus der Eurozone für das "wahrscheinlichste Szenario". Weitere Hilfsprogramme für Griechenland nach einer gescheiterten Volksabstimmung wären nach Einschätzung von Börner kaum mehr mehrheitsfähig. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Deutsche Bundestag dann noch mit fliegenden Fahnen weitere riesige Milliardensummen genehmigt, um sie in das schwarze Loch zu werfen", sagte der BGA-Präsident.
Einen Euro-Crash erwartet Börner auch dann nicht, wenn es zu Turbulenzen nach einem gescheiterten Referendum käme. "Ich glaube, dass wir das stemmen können, wenn das mit Griechenland jetzt zu einer unkontrollierten Situation kommt", sagte Börner. Die Katastrophenszenarien würden seit Monaten durchgespielt. Wenn die Katastrophe dann tatsächlich eintrete, sei man bereits darauf eingestellt. "Das psychologische Moment ist dann: Im Grunde haben wir damit gerechnet und die Instrumente zur Stabilisierung der Märkte sind mehr oder minder bekannt."
Die weitere Entwicklung des Euro sehe er auch deswegen nicht dramatisch, weil er von einer Stützung des Euro durch China aus dessen Währungsreserven ausgehe. "Die Chinesen haben massive Interessen, ihre Devisenreserven zu splitten und weiter in den Euro zu gehen", sagte der BGA-Präsident. Das stüze natürlich den Kurs. Außerdem sei der Euro mehr als Griechenland und die Eurozone größer als Griechenland. "Ich sehe keinen Euro-Crash, überhaupt nicht", sagte Börner.
Der BGA-Präsident sieht momentan keine Auswirkungen durch die Entwicklungen in Griechenland auf den deutschen Export. Für das laufende Jahr geht der Außenhandelsverband weiter wie prognostiziert von einem Exportwachstum um nominal 9% aus. Im kommenden Jahr dürften die deutschen Ausfuhren nominal "um die 7%" steigen, sagte Börner Dow Jones Newswires.
Am Montagabend hatte der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou eine bindende Volksabstimmung über die Beschlüsse des Euro-Krisengipfels in Brüssel angekündigt. Wenn das griechische Volk die neue Vereinbarung ablehne, werde sie nicht verabschiedet, sagte Papandreou. Zugleich kündigte er an, dass er im Parlament die Vertrauensfrage stellen werde.
Beim Brüsseler Gipfeltreffen hatten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Donnerstag vergangener Woche einen massiven Schuldenschnitt sowie weitere Milliardenkredite für Griechenland beschlossen. Der Schuldendeal ist jedoch an harte Sparmaßnahmen geknüpft. Außer dem massiven Protest auf der Straße und dem Widerstand der konservativen Opposition sieht sich der Regierungschef auch wachsendem Unmut innerhalb seiner eigenen Partei gegenüber.