Die deutsche Unternehmensfinanzierung steht vor einem Wandel. Mit der restriktiveren Kreditvergabepolitik der Banken und den Regelungen von Basel II wird es immer wichtiger, den Kapitalmarkt in seiner ganzen Breite zu nutzen. Vor allem Mittelständler müssen heute umdenken: Es gilt, ein effizientes Risikomanagement umzusetzen und innovative Finanzierungsformen zu nutzen. Das ist das Fazit des zweitägigen EOS Kongress in Berlin, an dem rund 130 Vertreter von Unternehmen, Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern teilnahmen.
"Nicht nur international agierende Konzerne, auch die großen Mittelständler sind längst in der globalen Welt angekommen", beschreibt Keynote Speaker Dr. Michael Otto, Vorstandsvorsitzender der Otto Group, die Situation. "Um weiter wachsen und investieren zu können, müssen sie ihre Eigenkapitalbasis stärken." Der Schlüssel hierzu sind innovative Finanzierungsinstrumente, wie beispielsweise Asset Backed Securities (ABS), Mezzanine Kapital oder Hybrid-Anleihen. "Auch wenn Bankkredite die Finanzierung mittelständischer Unternehmen weiter dominieren, können kleine Unternehmen mit den neuen Möglichkeiten ihre Finanzierung auf ein breiteres Fundament stellen", bekräftigt Otto.
Auf Seiten der Finanzdienstleister ist dieser Umbruch eine Chance, maßgeschneiderte Produkte zu entwickeln: "Ein guter Finanzdienstleister sollte seine Kunden während des gesamten Workflows seines Finanzmanagement begleiten", fordert Hans-Werner Scherer, Vorsitzender der Geschäftsführung der EOS Gruppe. "Der Kreislauf beginnt bei der Auswahl der Geschäftspartner, setzt sich fort bei einem funktionierenden Liquiditätsmanagement und schließt beim Einzug gestörter Forderungen." Das bringt neue Anforderungen an die Qualität und Transparenz der Prozesse mit sich: "Auch der Banker weiß um die Bedeutung eines professionellen Forderungsmanagement und wird den kreditsuchenden Unternehmer danach fragen", meint Prof. Dr. Herrmann Schulte-Mattler, Professor für Finanzwirtschaft an der Fachhochschule Dortmund.
Die Botschaft ist in vielen Unternehmen schon angekommen: Sie setzen auf ein effizientes Risikomanagement. "Nur mit einer einheitlichen Prozesskette, die bei Geschäfts- wie Privatkunden bei der Risikofrüherkennung in Form einer Watchlist beginnt und beim gerichtlichen Mahnverfahren endet, können wir den Anforderungen des Collection Management gerecht werden", weiß Stefan Wiesweg, Abteilungsleiter Collection Management bei der DaimlerCrysler Bank AG. Das meint zunächst einmal, sämtliche internen und externen Datenquellen anzuzapfen und systematisch zu nutzen. Dazu steht den Unternehmen eine ganze Palette von Analyseverfahren zur Verfügung - von der Semiometrie über Scoring bis zum Neuromarketing. Rainer Woidich, Geschäftsführer der Experian Deutschland GmbH, warnt jedoch vor einer Statistikverliebtheit: "Nicht die Anzahl der Daten entscheidet, sondern ihre Relevanz für das jeweilige Unternehmen. Wie Daten also bewertet werden, ist das Wichtigste." Die Hamburger Electricitäts-Werke AG hat ein proaktives lernendes Inkassosystem entwickelt, um das Forderungsmanagement zu unterstützen. "Wir müssen dafür sorgen, dass die vorhandenen differenzierten Informationen richtig bewertet, geclustert und frühzeitig an die richtigen Stellen weitergeben werden", beschreibt Olaf Jobmann, Leiter Forderungsmanagement, seine Aufgabe.
Viele Unternehmen, so das Teilnehmerfazit, sehen sich hier auf dem richtigen Weg - wissen aber gleichzeitig, das bei der Unternehmensfinanzierung noch unerledigte Hausaufgaben warten: "Es ist davon auszugehen, dass ab 2006 die meisten Kreditnehmer mittels bankinternen Rating individuell nach der Bonität in Ratingklassen eingeteilt werden" pronostiziert Schulte-Mattler, rät aber gleichzeitig, Basel II als Chance zu sehen und zu nutzen. Denn eine Überprüfung der geforderten Parameter führt in den Unternehmen schließlich zu notwendigen Prozessoptimierungen. Auch Robert Froitzheim, Direcor Risk-/Portfoliomanagement bei der Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG ist sich sicher, dass Basel II die Kreditversorgung nicht verschlechtern, wohl aber verändern werde. Aber: "Mittelständische Unternehmen müssen lernen, ihre Kapitalstruktur strategisch zu optimieren, und zwar unter Einbezug vielfältiger Finanzierungsinstrumente", fordert Professor. Christoph J. Börner von der Universität Düsseldorf. Das aber verlangt vor allem von unternehmergeführten Unternehmen, sich stärker zu öffnen - für neue Kapitalgeber und neue Informationspflichten. Zwar wächst die Bedeutung alternativer Anbieter und neuer Finanzierungsformen - wie beispielsweise Forderungskauf, Factoring oder ABS - doch im internationalen Vergleich hat Deutschland noch erheblichen Aufholbedarf.
Insgesamt 14 Referenten präsentierten ihre theoretischen und praktischen Erfahrungen u. a. mit den neuen Richtlinien zur Eigenkapitalhinterlegung Basel II, mit alternativen Finanzierungsinstrumenten, Scoringsystemen und Datenpooling. Hans-Werner Scherer zieht eine positive Bilanz: "Der EOS Kongress 2005 hat gezeigt: Nach einer Zeit unternehmerischen Stillstands sind die Entscheider jetzt bereit die Herausforderungen der Zukunft anzunehmen. Der Kongress konnte Wege aufzeigen wie die Balance zwischen innovativen Wegen und effizientem Risikomanagement zu finden ist."