Die unter dem Titel Basel III zusammengefassten neuen Anforderungen an Geschäftsbanken zur Ausstattung mit Eigenkapital und Liquidität könnten für deutsche Institute teurer als erhofft werden. Darauf deuten Äußerungen des Bundesbank-Vizepräsidenten Franz-Christoph Zeitler und Reaktionen des Verbandes öffentlicher Bank vom Mittwoch hin. Ziel der Reform ist Zeitler zufolge, die Balance zwischen der Stabilität des Finanzsystems durch höhere Mindestkapitalquoten und bessere Kapitalqualität auf der einen Seite und der Vermeidung von Einschränkungen für das Kreditangebot auf der anderen Seite zu finden. Er räumte aber ein, dass die neuen Regelungen für die Institute einen "erheblichen Kapitalbedarf" bedeuteten, was zu Kapitalerhöhungen und Gewinneinbehaltungen führen dürfte.
Untersuchungen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben ergeben, dass die Banken des Euroraums ihre Kreditstandards zuletzt wieder verschärft haben. Zudem deuten Geldmengendaten auf eine weiterhin schwache Kreditvergabe an Unternehmen hin. Gleichwohl geht die EZB bisher nicht davon aus, dass es im Euroraum zu einer regelrechten Kreditklemme kommen könnte. Zur Höhe der Kapitalanforderungen wollte Bundesbank-Vize Zeitler keine Aussagen machen. Er deutete aber an, dass das harte Kernkapital künftig 75 Prozent bis 80 Prozent des Kernkapitals ausmachen dürfte. Man habe sich auf die Mitte zwischen 50 Prozent bis 60 Prozent und 100 Prozent geeinigt, sagte er. In den Eckpunkten des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht hatte es dazu geheißen, das Kernkapital solle künftig "überwiegend" aus hartem Kernkapital bestehen. Auf deutsche Seite war diese Formulierung mit "50 plus x" übersetzt worden. Zeitler deutete aber auf der anderen Seite an, dass dafür die Kernkapitalquote insgesamt etwas niedriger als zwischenzeitlich geplant ausfallen könnte.
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) zeigte sich gleichwohl alarmiert. "Die offenbar vorgesehenen dramatischen Eingriffe in die Eigenkapitalbasis der Kreditinstitute würden mit dem entsprechenden bankaufsichtlichen Hebeleffekt in vollem Umfang auf alle Aktivpositionen des Bankgeschäfts durchschlagen", erklärte VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos. Die daraus möglicherweise resultierenden beschränkten Kreditvergabemöglichkeiten der Banken könnten sich negativ auf die Unternehmensfinanzierung und damit auf den wirtschaftlichen Aufschwung auswirken.
Beim Einführungszeitraum für die neuen Eigenkapitalregeln liegt der Kompromissvorschlag Zeitler zufolge zwischen fünf und zehn Jahren. Auch hinsichtlich der Anrechenbarkeit stiller Einlagen auf das Kernkapital habe man sich auf einen Kompromissvorschlag geeinigt, sagte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Für deutsche Institute ist dieser Punkt von erhöhtem Interesse, weil stille Einlagen beim Eigenkapital traditionell eine große Rolle.
Grundsätzlich hatte sich der Baseler Ausschuss darauf geeinigt, dass das harte Eigenkapital von als Aktiengesellschaften geführten Instituten nur aus Stammaktien und einbehaltenen Gewinnen bestehen dürfe. Für deutsche Banken stellt dieser Passus zweifellos eine Herausforderung dar. Auf die Frage, ob die neuen Kapitalanforderungen die Interessen deutscher Institute hinreichend berücksichtigten, antwortete Zeitler diplomatisch: "Ich glaube, dass die Regelung, wie sie sich andeutet, insgesamt fair sein könnte, behalte mir aber eine weitere Prüfung vor."
Viel Zeit dazu gibt es nicht mehr, denn schon am Wochenende wollen die Chefs der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der im Baseler Ausschuss vertretenen Länder in Basel ihre Beschlüsse fassen. "Wir wollen am Wochenende in Basel das Endpaket schnüren", hatte Bundesbankpräsident Axel Weber am Morgen bei einer Konferenz in Frankfurt gesagt. Ausgenommen hiervon bleiben möglicherweise die neuen Liquiditätsanforderungen. Bundesbank-Vize Zeitler sagte, es sei möglich, dass über dieses Kapitel erst bei der nächsten Ausschusssitzung später im Monat entschieden werde. Sie findet am 21. September statt.
Morgan Stanley macht sich für globale Einhaltung der neuen Bankenregeln
stark
Die US-Investmentbank Morgan Stanley hat sich unterdessen für eine globale Einhaltung der neuen Bankenregeln stark gemacht. Eine abgesprochene Regulierung "auf nationaler und idealerweise auf internationaler Ebene" machten den Erfolg aus, sagte Vorstandsvorsitzender James P. Gorman im Rahmen einer Konferenz am Mittwoch. In der Diskussionsrunde mit Bankern waren die USA zuvor dafür kritisiert worden, sich nicht an die bereits vor Jahren - unter dem Oberbegriff "Basel II" - getroffenen internationalen Absprachen zu halten.
Unabhängig davon, wie die finale Regulierung ausfällt, kommt es aus Gormans Sicht darauf an, bei den zwei wichtigsten Punkten international einheitlich vorzugehen, und zwar bei den Kapitalanforderungen und den Bilanzierungstandards. Nicht zuletzt sieht er aber die Geschäftsführung in der Pflicht, nicht zu hohe Risiken einzugehen. Insgeheim habe er gehofft, so Gorman, dass es nicht erforderlich sei, den Banken vorzuschreiben, wie sie zu agieren haben. Doch die Krise habe nun einmal dazu geführt und zwinge dazu, die Geschäftsmodelle zu überprüfen.
Noch deutlichere Worte als Gorman fand Bundesbankpräsident Axel Weber: Das internationale Finanzsystem müsse sich "tiefgreifend" ändern, forderte er. "Die Finanzmärkte haben sich zwar wieder beruhigt, sind aber noch immer von erhöhter Unsicherheit geprägt und nicht vor Rückschlägen gefeit", warnte er. Beide, Gorman und Weber, wollten indes trotz aller Vorsicht und mahnender Worte kein zu dunkles Szenario an die Wand malen. Die Realwirtschaft entwickle sich weit besser als zu Jahresbeginn erwartet, sagte Weber. "Befürchtungen einer Doppelrezession oder einer Deflation teile ich daher nicht." Der Chef von Morgan Stanley betonte, er rechne nicht mit Staatspleiten.
Eine für Großbanken typische Haltung nahm Gorman bei der Frage "Too-big-to-fail" ein - also ob eine Bank so groß sein darf, dass sie vom Staat vor einer Pleite in jedem Fall gerettet werden muss, um einen Dominoeffekt zu vermeiden. Der Vorstandschef einer der größten US-Investmentbanken warnte davor, hier falsche Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Nicht die Größe einer Bank sei gefährlich, sondern falsches Management, erklärte er. Die Gefahren lägen in einer zu niedrigen Kapitalisierung und einem zu riskanten Geschäftsmodell. Mit dieser Haltung bewegt sich Gorman auf einer Linie mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank. Nicht die Größe einer Bank sei entscheidend, hatte wiederholt Josef Ackermann gesagt, sondern die Aufstellung des Instituts.
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