Gerade in der Finanzkrise lernten die Banken den Zahlungsverkehr als stabiles, berechenbares und risikoarmes Geschäftsfeld (das in der Regel ein Drittel bis zur Hälfte ihrer Gesamterträge ausmacht) zu schätzen. Einer Studie der Strategieberatung The Boston Consulting Group zufolge wachsen jedoch auch in diesem Segment die Risiken. Laut der Studie erwirtschafteten Banken im Jahr 2010 weltweit Erträge von rund 590 Mrd. US-Dollar im Zahlungsverkehr. Dies entspricht einem Rückgang von durchschnittlich sieben Prozent p. a. seit Ende 2008. Um dem Abwärtstrend entgegenzuwirken und einen nachhaltigen Wachstumskurs einzuschlagen, müssen sich Banken an die umfassenden Veränderungen in diesem Geschäftsbereich.
"Das traditionell starke Zahlungsverkehrsgeschäft hat in den letzten Jahren, vor allem durch sinkende Margen, deutliche Schwächen gezeigt. Wenngleich sich viele Bereiche derzeit wieder erholen, müssen Banken prüfen, ob ihre Geschäftsmodelle sowie die dahinterliegenden Operatingmodelle sich auch in einem gewandelten Branchenumfeld bewähren", so Niclas Storz, BCG-Partner und Mitautor der Studie. Dabei könnten unterschiedliche Strategien für verschiedene Kundensegmente und unterschiedliche Märkte zielführend sein – abhängig von der Reife des Zielmarktes hinsichtlich Infrastruktur und Entwicklungsstand des Zahlungsverkehrs. In jedem Fall müssten Banken, die ihr Zahlungsverkehrsgeschäft ausbauen wollen, die organisatorische Komplexität reduzieren.
Der Zahlungsverkehr sei für die Banken ein zu wichtiges Geschäft, um untätig zu bleiben. Die BCG erwartet, dass der weltweite Zahlungsverkehr bis 2020 eine Größenordnung von 782 Billionen US-Dollar in unbaren Transaktionen sowie Einnahmen von 492 Mrd. US-Dollar erreichen wird. Von 2010 bis 2020 werden die Erlöse pro Transaktion laut der BCG-Prognose jedoch von 0,75 US-Dollar auf 0,57 US-Dollar im inländischen Zahlungsverkehr sowie von 3,62 US-Dollar auf 2,93 US-Dollar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr fallen. Im westeuropäischen Zahlungsverkehrsmarkt werden dabei die niedrigsten Erlöse pro Transaktion erzielt; diese werden bis 2020 von aktuell 0,58 US-Dollar auf durchschnittlich 0,29 US-Dollar sinken.
Unterschiedliche Märkte erfordern unterschiedliche Strategien
Im europäischen Geschäft mit Retailkunden (Privatverbrauchern sowie kleinen und mittleren Unternehmen) fielen die Einnahmen, hauptsächlich aufgrund sinkender Erträge aus Konten, von 173 Mrd. US-Dollar Ende 2008 auf 136 Mrd. US-Dollar Ende 2010. Zukünftig müssen Banken die strukturellen Unterschiede im europäischen Zahlungsverkehr berücksichtigen. In Westeuropa muss ihr Fokus dank der hochentwickelten Produkte und reifen Infrastrukturen der einzelnen Märkte auf der intelligenten Ausgestaltung der Operatingmodelle liegen. Der Faktor "Effizienz" spiele dabei die zentrale Rolle. In Zentral- und Osteuropa hingegen wird es erfolgskritisch sein, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, um Wachstumschancen zu nutzen und neue Geschäftsfelder zu besetzen. Effiziente Operatingmodellen spielten dabei eine nachgelagerte Rolle.
In den USA sanken die Gesamterträge im Zahlungsverkehr von Ende 2008 bis 2010 um jährlich durchschnittlich vier Prozent – trotz konstanter Werte der Zahlungsströme und eines durchschnittlichen jährlichen Volumenzuwachses von drei Prozent. Die Gesamteinnahmen werden 2011 voraussichtlich wieder steigen, aber rund sechs Prozent unter dem Höchstwert von 2007 von 162 Mrd. US-Dollar zurückbleiben. Das Vorkrisenniveau, so die Prognose der BCG-Studie, wird auf absehbare Zeit nicht wieder erreicht werden. Ursache dafür sind regulatorische Veränderungen bei Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr. Darüber hinaus werden neue Finanzregeln wesentliche Effekte im US-Zahlungsgeschäft in den kommenden Jahren zeigen. Banken im US-amerikanischen Markt werden in den kommenden Jahren sowohl bei Geschäfts- als auch bei Operatingmodellen vor große Herausforderungen gestellt werden. Der traditionelle, auf Kreditkarten fokussierte "Monoliner"-Ansatz wird zunehmend durch einen kontozentrierten Ansatz ersetzt werden müssen.
In der Region Asien-Pazifik befindet sich das Retail-Zahlungsverkehrsgeschäft auf kontinuierlichem und unbegrenztem Wachstumskurs. Dennoch müssen Banken ihre Geschäfts- und Operatingmodelle so zuschneiden, dass sie Wachstumsvorhaben mit Effizienzzielen vereinen. Die Heterogenität der Region zwingt Banken zu maximaler Flexibilität bei Geschäfts- und Operatingmodellen. In reifen Märkten sollten sich Banken auf Bestandskunden konzentrieren, um ihre Marktanteile auszuweiten, indem der Nutzen von Zahlungsdienstleistungen für Kunden und Händler weiter verbessert wird. In den Schwellenländern der Region zeigt sich ein anderes Bild: "Das Wachstum in aufstrebenden Märkten wird durch die Gewinnung neuer Kunden, die bislang keine Finanzdienstleistungen nutzen, sowie den rapiden Infrastrukturausbau elektronischer Zahlungssysteme und innovativer Lösungen wie Mobile Payments getrieben", so die Einschätzung von Storz. Ausschlaggebend hierfür seien nicht zuletzt veränderte Zahlungsgewohnheiten und -präferenzen (vor allem bei den sogenannten "Digital Natives" und Verbrauchern, die von ländlichen Gegenden in die Städte ziehen.
Firmenkundengeschäft verspricht weiteres Wachstum
Auch nach der Finanz- und Wirtschaftskrise bleibt der Zahlungsverkehr, insbesondere im Firmenkundengeschäft, eine bedeutende Ertragsquelle für die Banken: Einnahmen aus dem Firmenkundengeschäft werden laut der BCG-Prognose von Ende 2010 bis 2020 durchschnittlich um neun Prozent pro Jahr wachsen, die Einnahmen werden sich von 64 Mrd. US-Dollar auf 119 Mrd. US-Dollar nahezu verdoppeln. Dennoch gilt es auch in diesem Bereich Hürden zu überwinden. Eine klare Kundensegmentierung und die Fokussierung des Serviceangebots auf diese Segmente werden für die Geschäftsmodelle von entscheidender Bedeutung sein, um die unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen von national versus global operierenden Firmenkunden bedienen zu können. Bei den Operatingmodellen werden vor allem die lokale Verankerung in den Märkten sowie organisatorische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Unterschiedliche Abteilungen innerhalb der Banken (Firmenkunden-Vertrieb, Produktspezialisten sowie Operations- und IT-Experten)sind aufeinander abzustimmen, um dem Zahlungsverkehr höchste Priorität einzuräumen. Dies kann eine diffizile Aufgabe sein – insbesondere, da diese Abteilungen in den meisten Fällen unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen angehören.
[Bildquelle: iStockPhoto]