Die Marke, betrachtet als Bindeglied zwischen ökonomischer und ethischer Wertschöpfung, rückt unter dem Eindruck der aktuellen Finanzmarktkrise ganz besonders in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der Fokus liegt dabei nicht auf reinem "Gutmenschentum", sondern auf der Übernahme sozialer Verantwortung und einer vertrauensbildenden und zugleich differenzierenden Wertehaltung, die durch nachhaltige Kundenbindung einen klaren Wettbewerbsvorteil schafft.
Aufgrund ihrer hohen Komplexität und vielfachen Unsicherheiten bergen die heutigen Märkte große Risiken für alle Marktteilnehmer. Deshalb fällt die Bildung von Vertrauen besonders schwer. Marken, begriffen als wertschöpfende, wertegeleitete Sinn-Systeme, reduzieren Komplexität und absorbieren Risiken, indem es ihnen dennoch gelingt, wachsendes Vertrauenskapital aufzubauen. Je effizienter eine Marke dies leistet, umso größer wird gewissermaßen ihr ethischer Mehrwert. Immerhin braucht man für den Aufbau von Vertrauen oft Jahrzehnte, aber nur wenige Sekunden, um es wieder zu verlieren, wie es uns die aktuelle Finanzmarktkrise plastisch vor Augen führt.
Vertrauen als Grundlage ethischen Mehrwertes
Vertrauen als Grundlage ethischen Mehrwertes entsteht zum einen durch die kontinuierliche Einlösung eines Qualitätsversprechens auf der sachlichen Leistungsebene: Qualitätsversprechen und Produktqualität müssen zu jeder Zeit übereinstimmen, sonst wird das Markenversprechen als unglaubwürdig wahrgenommen. Zum anderen bedarf es für den Vertrauensaufbau auch einer glaubwürdigen Haltung auf der soziokulturellen Ebene: einer von Respekt geprägten sinnstiftenden Wertehaltung als Bindeglied zwischen ökonomischen und nichtökonomischen Interessen.
Betrachtet man die Ethik einer Marke demnach als eine Technik zur Pflege der Kundenbindung und des Images, so kommt es hier vor allem auf die Wertetreue, Konsequenz und Selbstähnlichkeit in der Eigendarstellung an. Wollen Unternehmen ihre Marke mit Erfolg führen, heißt das, dass sie ihr gesamtes Verhalten an den Prinzipien der Glaubwürdigkeit, Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit ausrichten müssen: Glaubwürdigkeit in der Vermittlung einer authentischen Wertehaltung, Verbindlichkeit im Verhalten den Kunden und der Umwelt gegenüber und Nachhaltigkeit auf die Sicherung der Zukunft ausgerichtet. Nur so ist es dem Unternehmen möglich, seine Kundschaft langfristig und wertschöpfend an das Unternehmen zu binden.
Besonders Unternehmen mit starken Marken, also Marken mit einer ausgeprägten Kundschaft, werden für viele Menschen wertvolle "Sinnproduzenten", die nicht nur hochwertige Waren und Dienstleistungen erzeugen, sondern auch Normen, Werte oder Lebensstile etablieren und damit Kulturressourcen mit hoher Kundenbindungsenergie schaffen. Unternehmen müssen also eine doppelte Aufgabe erfüllen: die kontinuierliche Sicherstellung eines "Total Quality Managements" auf der Produktebene und eines "Total Brand Managements" als Ausdruck eines aktiven Wertemanagements zur Gewinnung und Erhaltung des Kundenvertrauens.
>> Eine Marke ohne Wertehaltung entbehrt der notwendigen Glaubwürdigkeit und Legitimität, um in globalen Märkten bestehen zu können.
Übernahme sozialer Verantwortung
Angesichts zunehmender internationaler Wirtschaftsskandale, man denke nur an Brent Spa, die Sweatshops von Nike oder ganz aktuell an die Banken-Krise, werden auch in Deutschland nachdrücklich klare Ethikprogramme von der Wirtschaft erwartet. Hierbei geht es jedoch nicht um "Gutmenschentum" schlechthin, sondern um die Übernahme sozialer Verantwortung und die Verfolgung einer vertrauensbildenden Wertehaltung. Denn für einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf sollten nicht nur die Kunden wieder Vertrauen in die Unternehmen und ihre Manager haben, sondern ganz besonders auch die Mitarbeiter und Lieferanten, ebenso wie Investoren und Analysten.
Gerade starke Marken sind in der Lage hier eine klare Position einzunehmen, beschäftigen sie sich doch schon länger mit einem konsistenten Ethikmanagement und verbinden Innovation mit sozialer Verantwortung. Denn eine ethische Haltung ist ein zunehmend wichtiger Faktor für wirtschaftlichen Erfolg geworden. Das haben vor allem amerikanische und englische Unternehmen wie Starbucks, The Body Shop oder Tesco schon längst erkannt und in ihrer Kommunikation ethischen Aspekten wie Sozial- und Umweltaktivitäten viel Platz eingeräumt. So ergab zum Beispiel eine Untersuchung von "Brands und Values" in Deutschland, dass 40 Prozent der Befragten lieber bei Unternehmen kaufen würden, die sich für die Lösung sozialer und ökologischer Probleme einsetzen. Dieser "gesellschaftliche Markenwert" erreicht damit eine überproportionale Bedeutung für das Image und die Markenpräferenz. Deshalb verstehen sich auch in Deutschland immer mehr Unternehmen als Sinn- und Wertegemeinschaften, die das Ziel verfolgen, langfristig Vertrauen in der Öffentlichkeit durch eine Unternehmensphilosophie aufzubauen, die auf einer klaren ethischen Haltung im Unternehmen beruht. Denn eine Marke ohne eindeutige Wertehaltung, entbehrt der Glaubwürdigkeit und Legitimität, die notwendig ist, um in globalen Märkten bestehen zu können.
Ethische Markenführung kann sich so als nachhaltige Strategie in einem globalen Wettbewerb erweisen und langfristig den unternehmerischen Erfolg sichern und damit auch wertvolle Beiträge zur Sicherung des Standortes Deutschland leisten.
Die Bedeutung ethischer Markenwerte wird unterschätzt
Die Generierung ethischer Markenwerte wird von den Führungskräften im Unternehmen gegenüber den sehr hoch bewerteten klassischen betriebswirtschaftlichen Wertetreibern wie Preis, Produkt- und Servicequalität immer noch unterschätzt. Kultursoziologisch betrachtet, sind ethische Werte jedoch die letzte Bezugsgröße auf die sich eine Kultur ausrichtet. Sie repräsentieren den Kern einer Kultur und sichern deren Identität ab. Ändern sich also die Werte, dann ändert sich auch die Kultur. Kommt es zum Beispiel zu einem gerade in jüngster Zeit immer wieder postulierten "Wertewandel", stirbt eine bestimmte Kultur einfach aus. Überträgt man dieses Phänomen auf eine Marke, bedeutet das nichts anderes, als dass die Kunden eine bisher gewohnte vertrauensbildende Information als Identifikationsangebot nicht mehr erhalten und sich folglich von der Marke abwenden. Die Kundenbindung als Grundlage der Wertschöpfung geht so verloren.
Ethische Werte sind nicht nur vertrauensbildend, sondern auch gemeinwohlorientiert: Sie verfolgen das Wohl aller. Eine Prämisse, die heute zunehmend auch von den Stakeholdern gewünscht wird. Man ist sogar bereit, mehr für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bezahlen, wenn ein sinnvoller Zusatznutzen deutlich wird, wie es zum Beispiel in der Naturkostbranche der Fall ist. Dieser Zusatznutzen muss jedoch eindeutig und transparent sein. Die konsequente Übernahme und die umfassende Dokumentation sozialer und ökologischer Verantwortung sind in diesem Zusammenhang eindeutige Positionierungsargumente nachhaltiger Marken und eine wesentliche Basis für das Vertrauen der Kunden in die Markenleistung.
Für den Kauf eines Markenartikels ist damit nicht mehr der günstige Preis des Produktes oder der Dienstleistung ausschlaggebend, sondern das Vertrauen in das vom Kunden erfahrene Verantwortungspotenzial der Marke. Dieser ethische Aspekt in der Markenführung ist jedoch ein immer noch zu wenig genutzter Erfolgsfaktor, obwohl er doch einen Wertekonsens zwischen Markenhersteller und Kunde generiert und durch diese Stiftung von sinnhaften Bindungswerten positiv auf die gerade in den Dienstleistungsbranchen sinkende Kundenbindung einwirkt. Vor diesem Hintergrund hat sich vor allem bei Analysten ein Paradigmenwechsel vollzogen, sehen diese doch zunehmend soziale und ökologische Aspekte als immaterielle Wertschöpfungstreiber und Ausdruck eines visionären Führungsstiles, die sich positiv auf die Unternehmensbewertung auswirken.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen
Die erfolgreiche und glaubwürdige Positionierung als sinnstiftende, ethische Marke lässt sich allerdings nur im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes verwirklichen. Hierbei reicht es nicht aus, die Marke ausschließlich über die Werbung kommunikativ aufzuladen. Es bedarf vielmehr eines eindeutigen Commitments der Unternehmensführung und eines kulturellen Change-Prozesses in Hinblick auf alle markenrelevanten Leistungsbereiche im Unternehmen gekoppelt mit einer selbstähnlichen Kommunikationskultur unter Berücksichtigung interner und externer Stakeholder. Einfach ausgedrückt: Das Sinn-Konzept der Marke muss allen Mitarbeitern bewusst gemacht und in allen Unternehmensbereichen bis ins Detail glaubwürdig gelebt werden. Dazu bedarf es entsprechender systemischer Markenführungs-Instrumente, um die wertegeleitete Markenkultur auch operativ auf allen Leistungsebenen implementieren zu können.
>> Nur so kann langfristig Vertrauen und Reputation auf Basis gemeinsam gelebter Werte entstehen.
Vertrauen erreicht man nicht mit erhobenem Zeigefinger
Wenn die Marke verbindlich und damit treu gegenüber ihren Kunden sein soll, sollten auch die Kunden verbindlich gegenüber der Marke sein. Ein solches Vertrauenskapital lässt sich jedoch nicht mit dem "erhobenen Zeigefinger" erreichen. Vielmehr gilt es, den "ethischen Nerv" der Kunden über ein attraktives, zeitgemäßes Leistungsangebot zu treffen, das einen fairen Konsum verspricht, einen Genuss ohne bitteren Nachgeschmack. Neueste Marktstudien dokumentieren, die zunehmende Bedeutung von Ethik als "Wohlfühlfaktor" und die wachsende Chance, das Thema "Nachhaltigkeit" aus der politisch-ideologischen Ecke in die Welt des modernen Lifestyle zu transferieren. Der Trend geht dabei in Richtung "Selbstverwöhnung statt Weltverbesserung", wobei sich die Stakeholder dem Thema Ethik mehr über Ästhetik als über abstrakte Ideologie nähern. Hierbei will man sich aber dennoch auf authentische Werte verlassen wollen, denn Haltung und Offenheit schaffen Glaubwürdigkeit und Orientierung, was gerade bei den jüngeren Stakeholdern zunehmend gewünscht wird.
Konsum-Ethik als Ausdruck von Nachhaltigkeit, muss also nicht mehr asketisch und prophetisch daherkommen, sondern "lustvoll, leicht und einfach" sein. Nur so findet sie Akzeptanz bei den Kunden, wie das Rheingold Institut herausfand. Vorgemacht haben das aktuell zum Beispiel im Bekleidungsmarkt die finnische Inmarke Globe-Hope, die sich auf recycelte Mode spezialisiert hat, Edun-Label vom U2 Sänger Bono und seiner Frau, die fair hergestellte Kleider in Nobelkaufhäusern verkaufen oder die Marke American Apparel, die ihre T-Shirts unter sozialen Arbeitsbedingungen in den USA herstellen lässt und mit 5.000 Mitarbeitern stolze 250 Mio. Dollar Umsatz erzielt.
Aber auch Toyota mit seinem Hybridauto Prius oder Nestlé und Kraft mit ihrem fair gehandelten Kaffee setzen hier positive Zeichen. Auch in Deutschland gibt es immer mehr gute Beispiele, wie Hipp, Bionade, Manufactum, dm, Alnatura oder auch die "Trusted Brands" wie Nivea, Sparkasse, Frosch oder Volkswagen beweisen.
Marken-Ethik reduziert Risiken und steigert den Unternehmenswert
Viele Unternehmen entwickeln ihre Marke ohne authentische Werte im Unternehmen zu implementieren, sondern fokussieren sich ausschließlich auf den Einsatz von Kommunikation im Markt. Doch – wie oben dargelegt – kann Werbung zwar als Vehikel zum Transport von ethischen Botschaften eingesetzt werden, aber für sich allein noch kein Vertrauen erzeugen. Denn wird das Werteversprechen in der Realität nicht eingelöst, wirkt die Werbung eher kontraproduktiv, die Kunden verlieren jegliches Vertrauen in das Unternehmen.
Ein umfassendes Internal- und Employer-Branding geht hier in die richtige Richtung und schafft überhaupt erst die Voraussetzungen zur Sicherstellung einer authentischen Ethikleistung im Unternehmen. Die aus diesen positiven Prozessen hervorgehenden Mitarbeiter, verstanden als "Markenbotschafter", sichern nicht nur auf Basis eines verbindlichen Regelwerkes für ihre jeweiligen Leistungsbereiche eine glaubwürdige Markenleistung, sondern erzeugen außerdem eine effiziente Kommunikationswirkung im Markt, indem sie glaubwürdig vermitteln, dass hinter den kommunizierten Markenwerten eine Nachhaltigkeit steht.
Nachhaltigkeit – verstanden nicht als "Marketingtrick", sondern als zentrales Prinzip der Marken-Ethik auf der Grundlage von Professionalität – treibt den Wert einer Marke, und zwar in allen Branchen: von der Investitonsgüterindustrie über die Konsumgüterindustrie bis in den Bereich des Handels und der Dienstleister. Corporate Social Responsibility als Konzept eines ethisch orientierten Managements, nimmt hierbei einen wachsenden Stellenwert ein, steigert es doch die Marken-Differenzierung, Marken-Präferenz und das Marken-Vertrauen. Entscheidend ist hierbei jedoch, dass die gesellschaftlichen und ökologischen Faktoren nicht nur konsequent in die Marken-Strategie integriert werden, sondern dass die damit verbundenen ethischen Werte im Unternehmen authentisch gelebt werden.
Fazit: Marken als Träger öffentlichen Vertrauens sollten ihrer Mission, Ausdruck einer ethischen, wertegeleiteten Haltung zu sein, noch besser entsprechen. Denn Unternehmen, die "Gutes tun" sind weniger krisenanfällig, verfügen über eine größere Reputation, profitieren von motivierten Mitarbeitern und steigern so den Unternehmenswert nachhaltig. Dabei sollte Marken-Ethik jedoch kein plumpes Feigenblatt darstellen, sondern als Ausdruck eines echten Commitments der Unternehmen ökonomische und nichtökonomische Ziele auf Basis eines verantwortungsvollen Menschenbildes zum Wohle des Unternehmens und seiner Mitarbeiter verbinden.
Der Autor Wolfgang Schiller ist Inhaber der Schiller Brand Company. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Durchführung von ganzheitlichen Prozessen zur Bildung von gestaltstarken Marken-Systemen mit einer hohen Kundenbindungsenergie.
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