Die EU-Finanzminister sind ihrem Ziel ein Stück näher gerückt, die Banken stärker an der Bewältigung künftiger Finanzkrisen zu beteiligen. Bei ihrem am Wochenende in Kopenhagen beendeten Treffen einigten sich die Finanzminister und Notenbankgouverneure darauf, eine Besteuerung von Finanzgeschäften weiterhin in der gesamten EU anzustreben. Zudem diskutierten sie auf Anregung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Einrichtung eines Fonds, mit dem die Pleite großer Finanzinstitute abgefedert werden könnte. Vertagt wurden dagegen Personalfragen.
Die Besteuerung von Finanztransaktionen soll nun doch in allen 27 EU-Staaten vorangetrieben werden, womit die schnelle Einführung einer Finanztransaktionssteuer nur in der Eurozone vom Tisch scheint. Die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager sagte als Gastgeberin des Kopenhagener Gipfels, am häufigsten sei die Einbeziehung einer Stempelsteuer nach britischem Vorbild oder anderer Arten von Aktivitätssteuern diskutiert worden.
Nach Angaben informierter Kreise hat Deutschland die Einführung einer Besteuerung von Aktiengeschäften nach Art der Stempelsteuer vorgeschlagen. Damit sollten auch Anreize für Geschäfte ohne wirtschaftlichen Nutzen, wie etwa den Hochfrequenzhandel, entzogen werden. Damit würde der Fehler behoben, dass auf Finanzgeschäfte bisher keine Mehrwertsteuer erhoben werde.
Vestager sagte, die technische Arbeit an einer Finanzstransaktionssteuer werde in allen 27 Ländern fortgesetzt, obwohl die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten fortbestünden. Vielleicht sei es ja möglich, die Ziele einer solchen Steuer zu erreichen, ohne sie tatsächlich einzuführen. Gegen eine Besteuerung sämtlicher Finanzmarkttransaktionen wehren sich Großbritannien und Schweden.
Nur von einigen Ländern wird bisher der Plan unterstützt, die Pleite großer europäischer Banken über einen extra hierfür eingerichteten Fonds abzufedern. Die Idee wird von der EZB favorisiert, die die Chance sieht, auf diese Weise die Risiken des Bankensektors von denen der öffentlichen Finanzen abzukoppeln. EZB-Vizepräsident Vitor Constancio sagte nach dem Treffen, eine Reihe von Staaten unterstütze dieses Vorhaben. Er sagte aber nicht welche, und auch zur Finanzierung wurden keine Details bekannt. Nach Aussage von Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sollten die Eurozone-Staaten in dieser Frage notfalls vorangehen.
Einig sind die sich die EU-Staaten jedoch darüber, dass auch hier der private Sektor seinen Anteil leisten muss. So soll es künftig die Möglichkeit geben, Aktionäre und Gläubiger von Banken im Rahmen eines "Bail-in" an den Kosten einer Pleite zu beteiligen. Constancio sagte, die Regeln hierfür müssten genau festgelegt werden. Die EU will eine komplettes Regelwerk für die Abwicklung bankrotter Banken bis zum G-20-Gipfel Mitte Juni vorlegen.
Bisher konzentrierten sich die Bemühungen der EU-Länder darauf, die Banken zu schützen und im Zweifelsfall zu retten ("Bail-out"). So wurde am Freitag eine Aufstockung des Euro-Rettungsfonds von 500 auf 700 Milliarden Euro beschlossen. Aus diesem Fonds können Länder Geld zur Rekapitalisierung von Banken beantragen, wenn sie dafür selbst nicht genug haben. Die Aufstockung des Rettungsschirms nimmt etwas Druck vom Internationalen Währungsfonds (IWF), noch mehr seiner knapper werdenden Mittel zur Stützung Europas aufzuwenden.
Diese Aufstockung ist auch eine Voraussetzung dafür, dass andere Wirtschaftsmächte dem IWF mehr Geld für Hilfsaktionen geben - in Europa oder anderswo. Allerdings gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die Aufstockung um 200 Milliarden Euro genug ist, um andere IWF-Mitglieder zur Stärkung der IWF-Ressourcen zu bewegen.
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte am Freitag, die europäischen Maßnahmen würden hilfreich sein. Aus anderen Kreisen verlautete dagegen, Europa habe nicht genug getan. Die EU-Kommission und Frankreich, sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatten eine Aufstockung des Rettungsschirm auf mindestens 1 Billion Euro gefordert. Dem hatte sich jedoch Deutschland entgegen gestellt.
Der IWF-Verwaltungsrat wird die Ressourcen-Frage bei seiner Frühjahrstagung in der zweiten April-Woche diskutieren. Über konkrete nationale Beiträge werden die G-20 Mitte Juni beraten.
Noch keine Entscheidung haben die EU-Finanzminister in einigen Personalfragen getroffen. Über die Nachfolge des scheidenden EZB-Direktoriumsmitglieds Jose Manuel Gonzalez-Paramo soll nach Aussage einer informierten Person Mitte April im Rahmen eines Treffens oder einer Telefonkonferenz erneut diskutiert werden. Da der Spanier aber erst Ende Mai ausscheide, habe diese Personalie noch Zeit, hieß es aus anderer Quelle. Als aussichtsreicher Kandidat wird weiterhin der Luxemburger Yves Mersch gehandelt.
Als Bremser in den Personaldiskussionen betätigt sich derzeit Frankreich, wo demnächst ein neuer Präsident gewählt wird. Frankreich möchte nicht nur die EZB-Personalfrage, sondern auch die Vakanzen an der Spitze der Eurogruppe und - möglicherweise - der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Für die Nachfolge Jean-Claude Junckers an der Spitze der Eurogruppe hat sich dem Vernehmen nach bisher kein anderer Kandidat als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gefunden. Dieser wird jedoch von einigen Ländern abgelehnt und ist an dem Posten wohl auch nicht besonders interessiert. Sollte er den Posten jedoch bekommen, müssten Deutschland die Führung der EBRD an ein anderes Land abtreten.
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