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Eurokrise tritt in eine neue Phase


Eurokrise tritt in eine neue Phase News

Jeder redet in diesen Tagen von Zypern. Mit Recht. Dahinter vollzieht sich im Euro aber noch eine andere Bewegung. Die Krise tritt in eine neue Phase. Bisher ging es vor allem um die hohe Verschuldung einzelner Länder sowie um mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Strukturreformen auf den Arbeits- und Gütermärkten. Bei der Bewältigung dieser Probleme wurden erhebliche Fortschritte erzielt. An sich wäre es an der Zeit, sich über das Erreichte zu freuen.

Das ist aber leider nicht möglich. Denn jetzt ändert sich der Fokus der Krise und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum Einen kommen Konjunkturprobleme hinzu. Die reale Wirtschaftsleistung geht zurück. Die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch an (sh. Abbildung).

Das macht die Anpassung noch schwerer. Zudem werden jetzt auch Länder in den Strudel gezogen, die bisher noch relativ verschont geblieben waren. Ein Kandidat ist Frankreich. Es war schon im letzten Jahr in der Rezession. 2013 wird es kaum besser werden. Ein zweiter sind die Niederlande. Hier ist die reale Wirtschaftsleistung 2012 um fast 1 % zurückgegangen. Der Immobilienmarkt ist zusammengebrochen.

Steigende Arbeitslosigkeit: Arbeitslosenrate im Euroland in % [Quelle: EZB]
Steigende Arbeitslosigkeit: Arbeitslosenrate im Euroland in % [Quelle: EZB]

Die schlechte Konjunktur beruht zum Teil auf der schwächeren Weltwirtschaft. Dafür kann der Euro nichts. Teilweise ist sie aber auch hausgemacht. Die Regierungen entziehen der Privatwirtschaft Kaufkraft, indem sie selbst weniger ausgeben beziehungsweise die Abgaben erhöhen. Durch die Verwerfungen an den Kapitalmärkten kommen die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank nicht bei den Unternehmen und den Verbrauchern in den Krisenländern an. Sie zahlen für Kredite immer noch 8 % und mehr, wenn sie überhaupt Geld bekommen.

Es zeigt sich, dass die Sparmaßnahmen, anders als manche erwartet hatten, das Investitionsklima in den Schuldnerländern nicht verbessert haben. Der Ökonom würde sagen: Die Ricardianische Äquivalenz hat nicht funktioniert. Sie wurde von den keynesianischen Nachfragewirkungen überlagert.

Die zweite Änderung der Eurokrise hängt eng mit den Rezessionswirkungen zusammen: Es gibt zunehmend gesellschaftliche Akzeptanzprobleme. Je länger die Krise dauert, umso mehr. Die Unzufriedenheit der Menschen wächst. Die Proteste auf den Straßen eskalieren. Regierungen drohen, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Bei den Wahlen gibt es keine klaren Mehrheiten. Nicht Oppositionsparteien werden stärker, sondern Protestbewegungen. Italien steht vor einer schwierigen Situation. In Deutschland entsteht eine neue Protestpartei. Das muss man in einer Demokratie ernst nehmen.

Jeder wusste, dass die Anpassungsmaßnahmen in der Eurokrise Zeit brauchen und dass das die gesellschaftliche Stabilität strapaziert. Es war aber nicht klar, dass es so lange dauern würde. Bisher waren es ganze drei Jahre, allein um die erste Hälfte des Weges zu schaffen. In Griechenland etwa müssen die Lohnstückkosten insgesamt um 30 % sinken. Bisher sind sie um 15 % zurückgegangen. Das ist schon eine Leistung. Weitere 15 % müssen aber noch folgen. Hoffentlich braucht das Land dafür nicht noch einmal drei Jahre. Hinzu kommt, dass die zweite Hälfte der Anpassung oft schwerer ist als die erste. Man sagt, dass der Marathonlauf ab Kilometer 20 besonders schmerzhaft und mit dem Risiko des Scheiterns verbunden ist. Niemand weiß, wie lange demokratische Gesellschaften das aushalten.

Wenn sich der Charakter der Krise ändert, muss auch die politische Antwort anders werden. Keine Lösung ist, dass die betroffenen Länder – wie an Stammtischen immer wieder gefordert – aus der Währungsunion austreten. Erstens wird dadurch für sie gar nichts besser. Die dann folgende Abwertung wäre eine neue, vielleicht noch härtere Rosskur. Zweitens muss man sich immer vor Augen halten, dass selbst die deutsche Gesellschaft nicht die Kraft aufbringen würde, so große Verwerfungen durchzustehen.

Keine Lösung ist auch, die Sache auszusitzen und auf eine Verbesserung der Konjunktur zu hoffen. Sie wird nicht so schnell kommen.

Auch eine Aufweichung der Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen darf es nicht geben. Sie sind unabdingbar. Ohne sie würde das ganze System zusammenbrechen. Allenfalls kann man an eine gewisse zeitliche Streckung denken (wobei dies den Heilungsprozess aber noch länger macht).

Den Arbeitslosen muss aber geholfen werden. Und zwar schnell. Woran man aber denken kann sind unkonventionelle Eingriffe wie etwa gezielte Investitionszuschüsse an Unternehmen. Vielleicht könnte man auch Lohnkostenzuschüsse an Firmen geben, die neue Arbeitnehmer einstellen. Das kostet natürlich auch Geld. Man könnte dies aufbringen durch die Europäische Investitionsbank oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (die bisher noch gar nicht eingeschaltet worden ist). Das wären keine Euro-Bonds, sondern Finanzierungen ähnlich dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 



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Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /21.03.2013 06:19
+++ Zyperns Banken bleiben bis Dienstag geschlossen +++

Wegen der zugespitzten Lage in Zypern und der drohenden Insolvenz von Banken hat die Regierung die Zwangspause für die Geldhäuser verlängert. Statt an diesem Donnerstag öffnen die Banken erst nächste Woche Dienstag wieder ihre Schalter und Home-Banking-Portale. Dies teilte die zyprische Zentralbank mit. Der kommende Montag war bereits als Ruhetag für die Institute eingeplant.

Auf der Mittelmeerinsel befürchten die Behörden einen Run auf die Konten. Die Banken sind nun schon seit Samstag geschlossen, Geldautomaten funktionieren nur zum Teil. Am Dienstag hatte das Parlament die Zwangsabgabe auf Bankguthaben abgelehnt, die als wichtige Bedingung für die Hilfen von 10 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds ESM gilt.
RiskNET Redaktion /21.03.2013 08:49
+++ Börse auf Zypern bleibt auch am Donnerstag und Freitag geschlossen +++

Die zyprische Börse folgt dem Beispiel der bis Dienstag kommender Woche geschlossenen Banken und lässt den Handel weiter ruhen. Mit dem Schritt reagiert der Börsenbetreiber auf die Furcht der Regierung, die jüngsten Beschlüsse zur Rettung der Banken könnten zu panikartigen Reaktionen bei Sparern und Anlegern führen. Wie aus einer Mitteilung auf der Homepage der zyprischen Börse hervorgeht, soll die verlängerte Handelspause dem Schutz der Investoren gelten und sicherstellen, dass bei Wiederaufnahme des Geschäfts ein ordnungsgemäßer Handel ermöglicht wird.

Weiter ist nicht sicher, ob und auf welche Art und Weise private Sparguthaben bei zyprischen Banken zur Finanzierung der Bankenrettung herangezogen werden. Am Dienstag hatte das Parlament die Zwangsabgabe auf Bankguthaben abgelehnt, die als wichtige Bedingung für die angebotenen EU-Hilfen von 10 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds ESM gilt. Inzwischen gibt es aber offenbar einen neue Plan, demzufolge doch noch eine Einmalabgabe auf bestimmte Sparguthaben erhoben werden könnte.

Wegen der zugespitzten Lage in Zypern und der drohenden Insolvenz von Banken hatte die Regierung zuvor bereits die Zwangspause für die Geldhäuser verlängert. Statt an diesem Donnerstag öffnen die Banken erst nächste Woche am Dienstag wieder ihre Schalter und Home-Banking-Portale. Am kommenden Montag begeht Zypern seinen Nationalfeiertag, weshalb Banken und Börse an diesem Tag ohnehin geschlossen sind.

Auf der Mittelmeerinsel befürchten die Behörden einen Ansturm der Sparer auf die Konten und einen Liquiditätsabfluss ins Ausland. Die Banken sind nun schon seit Samstag geschlossen, Geldautomaten funktionieren nur zum Teil.
RiskNET Redaktion /21.03.2013 19:22
+++ Deutsche Industrie erleidet Schwächeanfall im März +++

Die deutsche Industrie hat im März überraschend einen Schwächeanfall erlitten. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes fiel auf 48,9 Zähler von 50,3 im Vormonat und sank damit auf den niedrigsten Stand seit drei Monaten, wie der Datendienstleister Markit Economics im Rahmen der ersten Veröffentlichung mitteilte. Außerdem rutschte der Index unter die Marke von 50, ab der Wachstum signalisiert wird. Volkswirte hatten im Mittel einen kleinen Indexanstieg auf 50,5 prognostiziert.

Auch der Dienstleistungssektor schwächelte: Der Index für den Servicesektor fiel auf 51,6 Punkte von 54,7 im Vormonat, hielt sich aber noch über der Wachstumsschwelle. Ökonomen hatten einen Anstieg auf 55,0 erwartet.

Die Ergebnisse basieren auf der monatlichen Befragung von rund 1.000 Einkaufsleitern und Geschäftsführern aus Industrie und Dienstleistung in Deutschland.

Der aggregierte Sammelindex, der auf dem Produktionsindex für das verarbeitende Gewerbe und dem Index des Dienstleistungsbereichs basiert, verzeichnete mit 51,0 Zählern nach 53,3 im Vormonat ebenfalls den niedrigsten Stand seit drei Monaten.
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