Jeder Risikomanager weiß: Risiken sind die aus der Unvorhersehbarkeit der Zukunft resultierenden Ziel- bzw. Planabweichungen. Risiken können daher auch als "Streuung" um einen Zielwert betrachtet werden. Mögliche Abweichungen von den geplanten Zielen stellen Risiken dar – und zwar sowohl negative (Gefahren) wie auch positive Abweichungen (Chancen).
Es ist eine Aufgabe des Risikomanagements diese Streuung bzw. die Schwankungsbreite von Gewinn und Cashflow zu reduzieren. Dies führt u. a. zu einem positiven Nebeneffekt auf das erwartete Ertragsniveau, reduzierte Kapitalkosten, die sich positiv auf den Unternehmenswert auswirken sowie einer niedrigeren Insolvenzwahrscheinlichkeit. Erfolgreiche Unternehmen haben in der Zwischenzeit erkannt, dass ein präventives Risikomanagement – nicht zu verwechseln mit einer rückspiegelorientierten Risikobuchhaltung – nicht nur zu einer höheren Planungssicherheit führt, sondern auch den Unternehmenswert nachhaltig steigern kann.
In der öffentlichen Verwaltung hingegen scheinen diese Erkenntnisse unbekannt zu sein. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass viele Politiker und Beamte glauben, dass die Gesetzmäßigkeit der Risikotragfähigkeit – bei privatwirtschaftlichen Unternehmen begrenzt durch Eigenkapital und Liquidität – für den Staat und die öffentliche Verwaltung keine Gültigkeit besitzt. Im Zweifel wird der Steuerzahler für die Schulden des Staates schon aufkommen. Ludwig Erhard erkannt bereits, dass einmal der Tag kommen wird, da der Bürger erfahren muss, dass er die Schulden zu bezahlen hat, die der Staat macht und zum Wohle des Volkes deklariert. Jeder Kaufmann und jeder Bürger, der einen Kredit aufnimmt, muss auch einen Tilgungsplan mit seiner Bank vereinbaren. Für den Staat gilt diese Regel nicht. Daher muss heute jeder Mensch, der in Deutschland geboren wird, von Geburt an zwischen 25.000 Euro Staatsschulden (optimistisches Szenario) bis 90.000 Euro (realistisches Szenario inkl. verdeckter Staatsverschuldung) schultern.
Rund 3,3 Billionen Euro betragen die öffentlichen Schulden in Deutschland. Hiervon fallen rund 1,3 Billionen Euro auf die Haftungsrisiken, die Deutschland im Zuge der Euro-Krise bisher übernommen hat. Hinzugerechnet werden muss die Staatsverschuldung aus Renten- und Pensionsverpflichtungen für Staatsangestellte sowie die Schulden von Institutionen im direkten oder indirekten Staatsbesitz (etwa Landesbanken).
"Gerade die europäische Staatsschuldenkrise führt uns vor Augen, was geschieht, wenn Staaten den eigenen Anspruch an einen effizienten und zielgerichteten Umgang mit Steuergeld aufgeben", so jüngst Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, zur Vorstellung des 40. Schwarzbuchs "Die öffentliche Verschwendung" am 19. September 2012.
Risikomanagement Fehlanzeige: Geldvernichtung in der öffentlichen Verwaltung
Beispiele für eine massive Vernichtung von Steuergeldern liefert das Schwarzbuch ein ausreichender Zahl: So hatte etwa der Landkreis Holzminden Ende letzten Jahres einen neuen Vertrag mit guten Konditionen zur Müllverbrennung unterzeichnet. Allerdings wurde dem alten Vertragspartner nicht rechtzeitig gekündigt. In den Jahren 2013 und 2014 ist der Landkreis folglich mit zwei Müllverbrennungsverträgen überversorgt und muss für einen sechsstelligen Betrag geradestehen.
Ein weiteres Beispiel für eine Planabweichung gefällig? Mangelnde Kontrolle trieb die Wasserrechnung der Gemeinde Schwentinental in ungeahnte Höhen. In den öffentlichen Toiletten des Raisdorfer Bahnhofs betrug der Wasserverbrauch 2010 unglaubliche 3,7 Mio. Liter, anstelle der durchschnittlichen 300.000 Liter im Jahr. Bereits 2009 gab es einen Wasserverbrauch von 1 Mio. Liter. Frei nach dem Motto "Es ist ja nicht mein Geld" ging niemand der Ursache nach. Ein defekter Bewegungsmelder war schließlich der Kostentreiber und so müssen die Steuerzahler eine Gebührenrechnung für Frisch- und Abwasser in Höhe von 17.200 Euro zahlen.
Experten zum Thema Planabweichungen sitzen von allem in den Ländern Berlin und Brandenburg. Abermals musste der Eröffnungstermin für den Großflughafen Berlin Brandenburg verschoben werden. Zudem geht man derzeit von Kosten von weit über 4 Mrd. Euro aus. Wie teuer den Steuerzahler die zahlreichen Baukostenüberschreitungen am Ende zu stehen kommen, ist noch offen. Fest steht jedoch, dass Fehlplanungen, Missmanagement, unvollständige Bauunterlagen und Kostenüberschreitungen zu einem Schlamassel führten, über das weltweit gespottet wird. Mit diesem Bauprojekt liefert das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler ein weiteres Beispiel dafür, dass Politik und Verwaltungen zu kurzsichtig planen, die Kosten nur mit Minimalansatz durch die politischen Gremien bringen, ausschreibungsrelevante Bestandteile schlichtweg vergessen oder sich politische Änderungswünsche im Nachgang als besonders kostenträchtig herausstellen. Und die Erfahrungen aus Berlin und Brandenburg zeigen nur zu deutlich die Inkompetenzen im Bereich Risk Management. "Natürlich dürfen nicht alle Probleme der Politik angelastet werden, aber wenn Politiker in Aufsichtsräten entscheidende und führende Rollen einnehmen, dann müssen sie zu ihrer Verantwortung stehen. Klar ist jedenfalls, dass mehr Sorgfalt und Sachverstand bei Großbauprojekten in Deutschland bitter nötig sind", ergänzt Reiner Holznagel.
Neu ist das Thema nicht wirklich. Bereits der römische Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph Marcus Tullius Cicero wusste vor rund 2100 Jahren: Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.
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Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern haben im August nochmals kräftig angezogen. Sie legten im Vergleich mit August 2011 um 12,8 Prozent zu. Insgesamt flossen 41,257 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen, wie aus dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums (BMF) hervorgeht. Hierzu haben die gemeinschaftlichen Steuern mit einem Plus von 14,7 Prozent, die reinen Bundessteuern mit einem Plus von 4,6 Prozent und die reinen Ländersteuern mit einem Anstieg um 23,0 Prozent beigetragen. Im Zeitraum Januar bis Juni 2012 kletterten die Steuereinnahmen gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr insgesamt um 5,8 Prozent auf 352,611 Milliarden Euro.
Für Wolfgang Schäubles Kasse, die aus den Bundessteuern sowie dem Bundesanteil an den gemeinschaftlichen Steuern gefüllt wird, ergab sich im August ein Plus von 10,5 Prozent auf 19,636 Milliarden Euro. Die Einnahmen der Länder, die sich aus den Ländersteuern und dem Länderanteil an den gemeinschaftlichen Steuern ergeben, erhöhten sich um 13,5 Prozent auf 17,494 Milliarden Euro.
Das Plus in der Staatskasse führt das Ministerium vor allem auf die gute Entwicklung bei den Abgaben zurück, die besonders von der Konjunktur abhängen. So stieg etwa die Lohnsteuer um 11,1 Prozent auf 11,938 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen entwickeln sich aus Sicht der BMF-Konjunkturexperten im Einklang mit der konjunkturellen Aufwärtsentwicklung. Vorlaufende Indikatoren deuteten allerdings darauf hin, dass sie sich in der zweiten Jahreshälfte abschwächen dürfte.
>> Fazit: Die öffentliche Verschwendung darf fortgesetzt werden - die Kassen sind voll ;-)