Irgendwie standen in den letzten beiden Jahren für EY alle Zeichen auf Erfolg! Eine günstige Konstellation.
Die ersten Mandatsverschiebungen im DAX aufgrund der gesetzlich eingeführten externen Rotation, neue Führungskultur durch den Deutschland-CEO Hubert Barth und die im Berufsstand und in der Wirtschaft empfundene überdrüssige Großmannssucht von PwC und KPMG, begleitet von diversen Skandalen im In- und Ausland. Und: Der Weg war frei – für EY!
Deutsche Bank, Commerzbank, Beiersdorf, Münchener Rück, Volkswagen sowie MTU Aero Engines und sicherlich auch ab 2021 die Deutsche Telekom u.a. – das sind ja wohl "Knaller" – und man plaziert sich unter den Big4 überzeugend! Man ist auf der Erfolgsschiene gen Himmel!
Kritische Fragen nach den erhöhten Anforderungen künftiger Personalausstattung und dem Profil des vorhandenen Internen Qualitätssicherungssystems sind in dieser Gefühlslage zunächst einmal nicht angebracht!
Diese Änderungen bedeuten natürlich auch eine selbstbewusstere Positionierung von EY im IDW und in der WPK.
Und dann kam der Fall Wirecard! Eine zukunftsweisende Ikone des deutschen Finanzmarkts mit den Ambitionen, den Mars zu erobern, verglüht binnen weniger Wochen in Schutt und Asche!
Stündlich werden die Gazetten mit neuen Nachrichten gefüllt:
- die Finanzaufsicht Bafin und DPR haben versagt,
- kriminelles Handeln von Vorständen und Treuhändern,
- dilettantisches Versagen der Wirtschaftsprüfer,
- Schadensersatzklagen schlauer Besserwisser-Anwälte,
- das Vertrauen ist dahin und ähnliches.
Vorschnell werden Konsequenzen gefordert, unverzügliche Reformen durch die Politik angekündigt und "Schuldige" beim Namen genannt.
Und all das passiert auch noch zur Unzeit: Unser monatelanger Weg aus der Corona-Pandemie in die Wohlfühl-Normalität und Urlaubssehnsucht. EY sitzt derweil betroffen und hypnotisiert auf der Anklagebank. Die Erfolgsstory zerfließt zwischen kritischen Kommentaren und berechtigten Zweifeln.
Gefordert ist jetzt eine ehrliche und selbstkritische Bestandsaufnahme des gesamten Berufsstands. Die Vertreter aus WPK, IDW und insbesondere der Politik (BMWi) sollten zuhören und drängende Fragen des Berufs nun endlich konstruktiv angehen. Am wenigsten gebraucht werden jetzt diejenigen aus Berufsstand und Politik, die diese bisherige Konstellation zu verantworten haben – die Lobbyisten der Big4 und die Doppel-Funktionäre in WPK und IDW.
Autor:
WP StB Dipl.-Kfm. Dirk Hildebrandt
Herausgeber WP Watch