Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, sieht den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin kritisch. Deshalb dürfte er bei einer der nächsten beiden Sitzungen, wenn das Thema auf die Tagesordnung des EZB-Rats kommt, wohl auch gegen eine Politik der quantitativen Lockerung (QE) stimmen.
Gleichwohl möchte Weidmann nicht als ewiger Nein-Sager oder Anführer der Opposition gegen EZB-Präsident Mario Draghi dastehen. "Dass im Hinblick auf die Geldpolitik Welten zwischen den Notenbanken (der EZB und der Bundesbank) liegen, würde ich nicht sagen", sagte er - und erklärte seine Kritik an QE a la EZB im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) noch einmal ganz genau.
Drei Punkte sind es, die seiner Ansicht nach geprüft werden sollten, ehe die EZB zum groß angelegten Kauf von Staatsanleihen schreitet.
Ist QE notwendig?
Die gegenwärtig niedrige Inflation beruht vor allem auf dem Rückgang der Energiepreise und auf Anpassungsprozessen zur Besserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Da "schauen wir zunächst mal hindurch", sofern es keine Zweitrundeneffekte gibt. Zwar sind auch die Inflationserwartungen gesunken, doch bewegen sich die laut Weidmann "noch in der Nähe unseres Preisstabiitätsziels". "Von einer Entankerung würde ich deshalb trotz des Rückgangs nicht sprechen." Es widerspricht dem Preisstabilitätsmandat nicht per se, wenn die EZB ihr Ziel etwas später erreicht. Die EZB hat in den vergangenen Monaten umfangreiche Maßnahmen beschlossen, deren Auswirkungen sich erst später zeigen werden.
Bis hierher lautet die Antwort des EZB-Ratsmitglieds Weidmann also "Nein", denn von einer Deflation in Europa kann keine Rede sein und das Risiko, dass es so weit kommt, hält er für "gering". Aber dann sagt er auch noch etwas, was man als Hintertürchen für eine Zustimmung zu zusätzlichen Maßnahmen interpretieren könnte: Wir müssen die Inflationserwartungen genau beobachten, weil ein Anstieg der Realzinsen eine ungewollte Straffung der Geldpolitik darstellen könnte.
Falls QE als notwendig erachtet werden sollte - wäre es mit Blick auf das Preisstabilitätsmandat auch wirksam?
Hier meldete Weidmann wie üblich Zweifel an. Seine wichtigsten Argumente: Die Staatsanleihezinsen sind bereits so niedrig, dass weitere Käufe nur wenig Auswirkungen hätten; positive Vermögenseffekte für Privathaushalte, wie sie in den USA und in Großbritannien im Zuge der Wertpapierkäufe auftraten, sind für Deutschland nicht in dem Maße zu erwarten; die Liquiditätsausstattung im Euroraum ist bereits gut; es müssten erheblich Mengen Staatsanleihen gekauft werden, um eine womöglich nur bescheidene Wirkung zu erzielen. Klare Antwort: Nein.
Welche Risiken und Nebenwirkungen brächte QE mit sich?
Weidmanns Kritik konzentrierte sich auf den ordnungspolitischen Regelverstoß, den QE darstellen würde. Staatsanleihekäufe seien wegen der besonderen Konstruktion der Eurozone mit finanziell souveränen Staaten unterschiedlicher Bonität "kein geldpolitisches Instrument wie jedes andere", denn faktisch werde für die gekauften Papiere eine Gemeinschaftshaftung eingeführt. Besonders kritisch sieht Weidmann Staatsanleihekäufe dann, wenn sie sich wie beim OMT-Programm auf einzelne Länder konzentrieren.
Aber auch bei "breit angelegten Käufen" wie bei QE bewegt sich die Geldpolitik laut Weidmann "im Grenzbereich zur Finanzpolitik", denn sie erleichtert den Finanzministern das Leben. "Auch im Rahmen eines breiten QE-Programms kann es an den Regierungen und Parlamenten vorbei zu einer Umverteilung von Risiken zwischen den Steuerzahlern der Mitgliedsländer kommen, es sei denn, die Käufe werden auf Länder mit höchster Bonität beschränkt oder jede Notenbank kauft auf eigenes Risiko Anleihen des eigenen Landes."
Eher nebenbei erwähnt der Bundesbank-Präsident das Risiko, dass die EZB einer Preisblase bei Vermögenswerten Vorschub leisten könnte: Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik dürfe die längerfristigen Nebenwirkungen bestimmter Maßnahmen nicht ignorieren, wenn diese die Preisstabilität beeinträchtigen könnten, sagte er. Antwort: Es gibt erheblich Risiken.
Weidmanns Urteil zu QE fällt also insgesamt negativ aus. Lediglich ein Punkt - die Aussage zu einer ungewollten Straffung der Geldpolitik im Falle weiter sinkender Inflationserwartungen - lässt mit etwas Phantasie eine Zustimmung Weidmanns zu QE denkbar erscheinen. Völlig abwegig ist ein weitere Rückgang der Inflationserwartungen nicht. Die tatsächliche Inflation, mit der die Erwartungen zusammen hängen, könnte nach Weidmanns Aussage in den nächsten Monaten sogar in Deutschland unter Null fallen.