Im Februar 2015 wurde ein internationaler Cyber-Bankraub, der über mindestens zwei Jahre lang andauerte, aufgedeckt. Die Bankräuber spähten Routinen, Prozess- und Organisationsschwachpunkte auf, die von Seiten der Banken immer wieder durchlaufen wurden. Durch Lerneffekte steigerten die Bankräuber sowohl die Erfolgswahrscheinlichkeit, als auch den potenziellen Schaden. Mit zunächst banalen Manipulationen wurden Systeme und Grenzen getestet, bis das notwendige Konfidenzniveau erreicht wurde. Es handelte sich dabei um eine Spirale von sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten. Dies zeigt, dass Routine ein sich selbst verstärkender Feedback-Effekt und somit Risikofaktor, insbesondere für die Personen-, Objekt- und IT-Sicherheit darstellt.
Ein Beispiel für sich selbst verstärkende Feedback-Effekte im technischen Bereich ist ein Computervirus. "Ein Computervirus ist ein sich selbst vermehrendes Computerprogramm, welches sich in andere Computerprogramme einschleust und sich damit reproduziert. [...] Das Ausmaß des Schadens ist nur aufgrund der Vernetzung vieler Rechner und der zwischen ihnen fließenden Datenströme möglich." [Neitzke 2007, S. 13]
Was sind Feedback-Effekte?
Feedback-Effekte sind eines der zentralen Untersuchungsobjekte der "Pfadabhängigkeitstheorie" [Vgl. Bormann 2009, S. 93]. "Pfade entstehen der Theorie zufolge aufgrund von sich selbst verstärkenden Prozessen und [...] Rückkopplungen [...]" [Bormann 2009, S. 93].
Abbildung 01: The Constitution of an Organizational Path [Quelle: Sydow et al. 2009, S. 692].
Ein Feedback-Effekt wird als Wechselwirkung zwischen mindestens zwei Faktoren verstanden, die zu einer Schleife oder Spirale der gegenseitigen Beeinflussung führen. Unterschieden werden direktes und indirektes Feedback. Bei Feedback-Effekten sind "[...] zwischen Ursache und Wirkung viele intervenierende Größen wirksam [...], die diese Beziehung entweder verstärken oder abschwächen, so dass man aus der beobachteten Wirkung nicht ohne weiteres auf die auslösenden Ursachen Rückschließen kann. [...] Grund hierfür können Interaktionseffekte zwischen einer Vielzahl an unterschiedlichen Faktoren sein, z.B. mehrfache Synergien, oder lange Verzögerungszeiten zwischen Ursachen und Wirkungen." [Renn et al. 2007, S. 170]. Es ist oftmals weder möglich, noch notwendig, zu bestimmen, was Ursache und Wirkung in einer Feedback-Schleife ist [vgl. Beetz 2016, S. 2].
Abbildung 02: Pfaddiagramme für direktes und indirektes Feedback [in Anlehnung an Bortz/Schuster 2010, S. 436].
In der Pfadabhängigkeitstheorie wird zwischen "positiven" und "negativen" Feedback-Effekten differenziert. Diese Unterscheidung wird auf J. W. Forrester zurückgeführt [vgl. Gharajedaghi 2006, S. 112], der das Konzept des "System Dynamics" entwickelte [vgl. Romeike/Spitzner 2013, S. 124]. Positive Feedback-Effekte führen zu einer Verfestigung der eingeschlagenen Richtung, wohingegen negative Feedback-Effekte eine rückführende Funktion haben.
Wie das Beispiel des Cyber-Bankraubs zeigt, kommt es bei einem Feedback-Effekt weniger auf die bewusste und aktive Steuerung des Austauschprozesses an. Vielmehr ist auf das Potential einer gegenseitigen Wechselwirkung abzustellen. Dies wird anhand der zwei folgenden Beispiele verdeutlicht.
Kurzfristig mag die Wechselwirkung einer Fahne auf den Wind kaum mess- und beobachtbar sein oder nicht relevant erscheinen, sodass keine Wechselwirkung erkannt wird. Langfristig wird die Struktur der Fahne durch die Dauerbeanspruchung nachgeben und dem Wind weniger Angriffsfläche bieten (negativer Feedback-Effekt). Dies führt letztlich zum vollständigen Funktionsverlust und zum Systemzusammenbruch.
Das Hochhaus Bahrain World Trade Center (in einer Form von zwei Segeln) ist aerodynamisch so konstruiert, dass es die Windrichtung und Windstärke gezielt verändert. Einerseits dient dies dem Risikomangement dadurch, dass das Gebäude dem Wind weniger Angriffsfläche bietet (negativer Feedback-Effekt). Andererseits ermöglicht die gezielte Verstärkung und Kanalisierung des Windes (positiver Feedback-Effekt) die Gewinnung von Energie durch Windräder [vgl. Rötzer 2008]. Das Gebäude verändert den Wind, noch bevor er auf das Gebäude trifft. Somit besteht neben der extern induzierten Eigenschwingung des Gebäudes (interner Feedback-Effekt) eine, wenn auch begrenzte, aktive Wechselwirkung mit der Umwelt (externer Feedback-Effekt).
In der Pfadabhängigkeitstheorie werden sechs zentrale Übertragungskanäle für sich selbst verstärkende Feedback-Effekte benannt [vgl. Sydow/Schreyögg 2013, S. 6 f.].
Diese sind:
- Erfahrungskurveneffekte,
- Erwartungsänderungen,
- Koordinationseffekte (Regelbildung),
- Skaleneffekte – "economies of scale",
- Verbundeffekte – "economies of scope" und
- Netzwerkexternalitäten.
Weitere Übertragungskanäle für sich selbst verstärkende Feedback-Effekte sind das "Social Amplification of Risk", also die gesellschaftliche Verarbeitung und Verstärkung von Risiken sowie die "Prozyklizität" von Systemelementen.
Beispielhaft für das Social Amplification of Risk ist das Reputationsrisiko, das sich rasend schnell ausbreiten und deshalb eskalieren kann [vgl. Schiller 2013].
Ein Beispiel für Prozyklizität im Risikomanagement ist, dass die Risikodeckungsmasse in wirtschaftlich besseren Zeiten tendenziell überschätzt wird [vgl. Walther 2012, S. 2]. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten wird die Abwärtsdynamik (weiter) dadurch beschleunigt, dass sich vermehrt Risiken realisieren und höhere Rückstellungen oder Wertberichtigungen gebildet werden [vgl. Walther 2012, S. 11]. Weiter kann es in wirtschaftlich guten Zeiten Anreize dafür geben, übermäßig hohe Risiken einzugehen [vgl. Walther 2012, S. 28].
Netzwerkexternalitäten stehen für externe Effekte, die den Konsumnutzen dadurch beeinflussen, dass parallel andere Konsumenten die gleichen Güter oder Dienstleistungen konsumieren [vgl. Pindyck/Rubinfeld 2009, S. 189]. Ein Beispiel hierfür sind Warteschlangen, die den Nutzen mindern. Im positiven Sinne wird immer wieder auf den Vorteil eines hohen Verbreitungsgrades von (Mobil-) Telefonen verwiesen [vgl. Ehrhardt 2000, S. 25]. Wer aber pünktlich Neujahrsgrüße versenden möchte, realisiert unter Umständen die Grenzen des Systems bzw. einen temporären Systemzusammenbruch.
Dieses Beispiel verdeutlicht den typischen "S-Förmigen" Verlauf eines positiven, sich selbst verstärkenden Feedback-Effekts, der drei Phasen durchläuft: Launch, Takeoff und letztlich die Sättigung oder den Kollaps [vgl. Rennstich 2008, S. 163].
Abbildung 03: Impact of carrying capacity on the behavior of a system [Quelle: Gharajedaghi 2006, S. 114].
Gegenwärtig werden im Rahmen der makroprudentiellen Forschung der Zentralbanken zur Finanzsystemstabilität diverse Teilaspekte von sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten erforscht. Der Grund liegt darin, dass sich selbst verstärkende Feedback-Effekte das Finanzsystem zu einem "Schockverstärker" machen, anstatt Schocks zu absorbieren [vgl. Borio/Drehmann 2009, S. 7]. Weitgehend isolierte Forschungsthemen sind beispielsweise "Spillover-Effekte" (Übertragungseffekte beispielsweise zwischen Finanz- und Realwirtschaft oder verschiedenen Ländern), "Nichtlinearität", "Verhaltensänderungen" und "Prozyklizität".
Sind Feedback-Effekte nur für große Unternehmen relevant?
Aus den zwei Beispielen zur Wechselwirkung des Windes könnte man schließen, dass Feedback-Effekte zwar interessante Phänomene darstellen, sie aber nur für große Unternehmen relevant sind, da kleinere Unternehmen nur begrenztes Potenzial zur wechselseitigen Einflussnahme haben. Man denke aber nur an Kündigungswellen, Unterschlagungen und Diebstahl durch Mitarbeiter, Wechselwirkungen zwischen Personal und Organisation [vgl. Müller-Nuspl 2005, S. 111], zunehmende gegenseitige Abhängigkeiten von Kunden oder Lieferanten mit Ausweitung oder Konsolidierung des Geschäftsumfangs, risikoadäquate Finanzierungskosten, Wettbewerbsverhalten, Reputationsrisiken und vieles mehr. Man erkennt, dass selbst Kleinstunternehmen von einer Vielzahl von sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten betroffen sein können.
Dabei ist es tatsächlich so, dass große und international agierende Unternehmen einen größeren Einfluss auf ihre Umwelt haben als kleine und überwiegend regional agierende Unternehmen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die wirkmächtige oder gesundheitsgefährdende Technik einsetzen und eine gesellschaftlich exponierte Stellung einnehmen.
Das heißt, dass Unternehmen unter anderem abhängig von ihrer Größe, Komplexität und vom Geschäftsmodell von vielfältigen Feedback-Effekten betroffen sind. Diese gilt es im Risikomanagement und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Feedback-Effekte im Risikomanagement
Die Begriffe positiver (sich selbst verstärkender) und negativer (rückführender) Feedback-Effekt dürfen vor dem Hintergrund des Risikomanagements nicht entsprechend ihres Wortsinns als gut oder schlecht verstanden werden. Es kommt immer auf den Kontext an. Wie die Beispiele der Fahne im Wind und dem Mobiltelefonnetz gezeigt haben, können sowohl positive als auch negative Feedback-Effekte zu Beeinträchtigungen und Schäden führen. Nachfolgend wird dargestellt, dass sowohl positive, als auch negative Feedback-Effekte wünschenswert sein können, wenn es darum geht, bestimmte Ziele im Risikomanagement zu erreichen.
Negative Feedback-Effekte dienen der Risikobewältigung
Negative Feedback-Effekte dienen der Risikobewältigung im präventiven und im reaktiven Risikomanagement. Sie begrenzen potentielle Verluste, stellen die Systemstabilität sicher oder stellen diese wieder her. Hierunter fallen beispielsweise Business Continuity Management, der Abschluss von Versicherungen zur Ergebnisglättung, professionelle Krisenkommunikation zur Unterbrechung von eskalierenden Reputationsproblemen und vieles mehr. Um jedoch die Wirksamkeit der negativen Feedback-Effekte zu steigern, sind positive Feedback-Effekte im Sinne von "Multiplikatoren" nötig. Diese Multiplikatoren stellen effektive Hebel dar, um das Risikomanagement zur besseren Zielerreichung zu führen und es auf einen höheren Reifegrad zu heben. Beispielhafte Maßnahmen sind die Sensibilisierung der Mitarbeiter für Probleme des Risiko- und Compliancemanagements, die Einführung komplementärer Maßnahmen und Methoden sowie die Weiterentwicklung des bestehenden Instrumentariums unter der Beachtung des Pareto-Prinzips (80:20).
Feedback-Effekte in der Risikomanagement-Organisation
Derjenige, der Unternehmen dauerhaft erfolgreich führen will, muss dessen Risiken kontinuierlich identifizieren, analysieren, bewerten, kommunizieren, überwachen und die verschiedenen Risiken miteinander vernetzen. Hierzu stehen dem (Risiko-) Manager unter anderem zyklische Instrumente wie der PDCA-Managementzyklus (Demingkreis), der IKS-Regelkreis, Jour fixe sowie Monats-, Quartals- oder Jahresberichte zur Verfügung. Ein systematisches (Risiko-) Management ist somit in eine Vielzahl von Kreisläufen eingebunden und durch vielfältige Feedback-Effekte beeinflusst. Der Grund hierfür ist simpel: Routine und Vereinheitlichung ermöglichen unter anderem rasche Lerneffekte, intertemporäre Vergleiche und ersparen Zeit sowie Kosten. Dies alles kann die Qualität des (Risiko-) Managements positiv beeinflussen und die gefühlte Sicherheit steigern.
Die Forderung nach kontinuierlicher Weiterentwicklung kann dadurch begründet werden, dass mit den gerade benannten Vorteilen eines zyklisch und zirkulär organisierten (Risiko-) Managements auch potenzielle Gefahren in Form von adversen Feedback-Effekten verbunden sind. Diesbezüglich sind einige kritische Fragen zu stellen: Wie entwickelt sich die Fähigkeit, in alternativen Szenarien und vernetzt zu denken, wenn immer wieder dieselben und nur wenige Methoden angewandt werden? Hierzu passt das Sprichwort: "Wenn das einzige Werkzeug ein Hammer ist, dann wird das Problem ein Nagel sein." Führt Routine zu Mehr- oder Minderleistung? Werden dieselben Fehler immer wieder begangen? Sind Prüfungshandlungen und Maßnahmen antizipierbar und bieten sich daraufhin Opportunisten die Möglichkeit, sich darauf einzustellen? Gibt es sich selbst erfüllende Prophezeiungen (Thema Risikobericht)? Dies alles sind Fragestellungen, die mit positiven, adversen Feedback-Effekten verbunden sind.
Feedback-Effekte bei der Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung
Der Mensch strebt nach einem konsistenten, widerspruchs- und konfliktfreien Weltbild [vgl. Zabel 1999, S. 11]. Daraus folgt, dass auch das (Risiko-) Management von starken, sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten betroffen ist, die zu Vereinfachungen und Vereinheitlichungen [beispielsweise durch Heuristiken, vgl. Abatecola 2014, S. 935] führen. "Unser intuitives Beurteilungsvermögen ist bereits relativ unzuverlässig, wenn es um die Analyse eines einfachen Rückkopplungsprozesses geht, der fünf oder sechs Variablen beinhaltet." [Romeike/Spitzner 2013, S. 132]. "Komplexe Situationen kann das menschliche Gehirn nur sehr eingeschränkt verarbeiten. Nur durch eine [...] Filterung von Informationen können wir uns in Gefahrensituationen auf das Wichtigste konzentrieren. Je komplexer die Informationsgeflechte, desto mehr Informationen filtern wir heraus, um diese Informationsfragmente gerade noch analytisch zu erfassen. Dabei ist die Anzahl von Variablen, die unser Gehirn schlüssig miteinander in Verbindung bringen kann, sehr beschränkt." [Romeike/Spitzner 2013, S. 132].
Selbst einfache Wirkungsketten und Rückkopplungen werden oftmals nur unzureichend im Risikomanagement berücksichtigt [vgl. Klauck/Wünnemann 2010, S. 20]. Dies führt dazu, dass der zentrale Gegenstand des Risikomanagements oft als direktes und lineares Phänomen verstanden wird [vgl. Schließmann 2014, S. 42 f. und 54]. Diese Vereinfachung ist allerdings nur unter normalen Marktbedingungen zu halten, nicht aber, wenn sich eine Krise oder der Risikoeintritt tatsächlich realisiert [vgl. Schließmann 2014, S. 43; Quagliariello 2009, S. 320 sowie Čihák 2007, S. 28]. Das heißt, dass genau dann, wenn der Erfolgsdruck besonders hoch ist, die gewohnten Maßnahmen und Modelle ggf. nicht mehr greifen [vgl. Čihák 2007, S. 55]. Sog. Kaskadenrisiken, Eskalationsspiralen oder adverse, sich selbst verstärkende Feedback-Effekte werden folglich ausgeblendet, obwohl sie von erheblicher Bedeutung für das (Risiko-) Management sein können. Dies kann zu einer Unterschätzung, zur Verschärfung der Risikosituation, ja sogar zur Entstehung neuer Risiken führen [Vgl. Schließmann 2014, S. 42 f.]. Ggf. kann die Anforderung an das Verständnis vom Zusammenwirken von Einzelrisiken gem. IDW PS 340 ohne die Beachtung von Feedback-Effekten nicht angemessen erfüllt werden.
Insbesondere in der heutigen Zeit, in der sich Dank der modernen Telekommunikationstechnologie eine Hyperkonnektivität und die digitale Wirtschaft (sog. "Industrie 4.0") abzeichnet, werden neue Anforderungen an das Risikomanagement gestellt [vgl. Kersten et al. 2014, S. 101]. "Erst die komplexe Verknüpfung von Einzelrisiken ist von besonderer Bedeutung für das Management der Unternehmensrisiken. Risikokategorien dürfen nicht losgelöst voneinander erfasst und analysiert werden, da Risiken durch positive und negative Rückkopplungen miteinander verbunden sind." [Gleißner/Romeike 2011, S. 21].
Besonderes Augenmerk ist dabei auf nicht intendierte Folgen und adverse Nebeneffekte zu richten, die sich zu bedeutsamen sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten entwickeln können und deshalb das Potential zu eskalierenden und deshalb kaum zu bewältigenden Risiken beinhalten [vgl. Sydow/Schreyögg 2013, S. 8].
Wohin führen Feedback-Effekte?
Begriffe wie Kreislaufwirtschaft, Wirtschaftsjahr, Konjunktur-, Produktlebenszyklus und Recycling zeigen, dass das Wirtschaften in Kreisläufe eingebunden ist. Dennoch werden im (Risiko-) Management überwiegend lineare und einstufige Ursache-Wirkungsbeziehungen unterstellt, obwohl Kreisläufe, Rückkopplungen und somit Feedback-Effekte in dynamischen und sozialen Systemen allgegenwärtig sind.
Vor dem Hintergrund des Risikomanagements sind adverse, sich selbst verstärkende Feedback-Effekte relevant, da diese das Potenzial eskalierender Risiken bergen. Wenn Feedback-Effekte im Risikomanagement ausgeblendet werden, führt dies zur Unterschätzung, Ausblendung oder Entstehung neuer und bedeutsamer Risiken. Andererseits wird ggf. nicht erkannt, an welchen Punkten Risikobewältigungsmaßnahmen ihre beste Wirkung zur Unterbrechung von Kaskadeneffekten entfalten könnten.
Vor dem Hintergrund des ("Chancen-") Managements wäre es vorteilhaft zu wissen, ob günstige sich selbst verstärkende Feedback-Effekte existieren, die man stimulieren könnte [vgl. Müller-Nuspl 2005, S. 113]. Andererseits muss hinterfragt werden, ob etwa negative Feedback-Effekte vorhanden sind, welche die Wirksamkeit von Maßnahmen konterkarieren. Insoweit können Synergien zwischen Risikomanagement und anderen Funktionsbereichen im Unternehmen gehoben werden. So kann das Verständnis und das Wissen über das eigene Unternehmen sowie über die Wechselwirkungen mit der Unternehmensumwelt verbessert werden [vgl. Klauck/Wünnemann 2010, S. 20]. Dies wiederum erhöht die Wirksamkeit des (Risiko- und "Chancen"-) Managements. Eine neue Feedback-Schleife entsteht.
Das hierzu notwendige vernetzte Denken in Rückkopplungen und Wirkungsketten erfordert neben der notwendigen Sachkenntnis auch viel Übung [vgl. Schaffernicht/Groesser 2012, S. 23]. Mit zunehmender Verbreitung und Akzeptanz des vernetzten Denkens innerhalb des Unternehmens werden sich die hierdurch erzeugten Wertbeiträge durch sich selbstverstärkende Lerneffekte rasch steigern lassen.
Nachdem in diesem Artikel die theoretischen Grundlagen zum Verständnis von sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten gelegt wurden, folgt in einem weiteren Beitrag die Darstellung einiger besonders interessanter Übertragungskanäle anhand realer Beispiele. Zunächst werden Faktoren identifiziert, welche die Entstehung von sich selbst verstärkenden Feedback-Effekten begünstigen. Diese sind beispielsweise die individuelle Risikopräferenz, Risikowahrnehmung, Erwartungs- und Verhaltensänderungen, aber auch Regelsysteme und Institutionen. Zuletzt wird aufgezeigt, wie sich selbst verstärkende Feedback-Effekte identifiziert, abgebildet und bewertet werden können. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse sollen dem (Risiko- und "Chancen"-) Management als Entscheidungsgrundlage dienen.
Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise:
- Abatecola, G (2014): Untangling self-reinforcing processes in managerial decision making. Co-evolving heuristics?, S. 934 - 949, in: Management decision, Volume 52 (5), Emerald Verlag, Bingley (UK).
- Beetz, J. (2016): Feedback, Springer Verlag, Berlin Heidelberg.
- Bleuel, C. (2015): Berücksichtigung von adversen selbstverstärkenden Feedback-Effekten im Risikomanagement, Masterarbeit an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD), Deggendorf.
- Borio, C. und M. Drehmann (2009): Towards an operational framework for financial stability: "fuzzy” measurement and its consequences. BIS Working Papers 284.
- Bormann, I. (2009): Zwischenräume der Veränderung, Innovationen und ihr Transfer von Bildung und Erziehung, VS Verlag, Wiesbaden.
- Bortz, J. und Schuster, C. (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler, 7. Auflage, Springer Verlag, Wiesbaden.
- Čihák, M. (2007): Introduction to Applied Stress Testing, IMF Working Paper 07/59.
- Ehrhardt, M. (2000): Netzwerkeffekte, Standardisierung und Wettbewerbsstrategie, Hrsg. Krüger, W., Gabler Verlag, Wiesbaden.
- Gharajedaghi, J. (2006): Managing Chaos and Complexity, Second Edition, Elsevier Verlag, Amsterdam.
- Gleißner, W. und Romeike, F. (2011): Die größte anzunehmende Dummheit im Risikomanagement, S. 21 - 26, in: Risk, Compliance & Audit, 3. Jg., 01/2011.
- Kersten et al. (2014): Industrie 4.0: Auswirkungen auf das Supply Chain Risikomanagement, S. 101 - 126, in: Industrie 4.0 - Wie intelligente Vernetzung und kognitive Systeme unsere Arbeit verändern, GITO Verlag, Berlin.
- Klauck, K.-O. (2010): Abbildung von Wechselwirkungen zwischen Risikofaktoren; Wirkungsketten im Risikomanagement, S. 20 - 24, in: Risiko-Manager, Band 7 - 2010, Hrsg. Bank-Verlag GmbH, Köln.
- Müller-Nuspl, C. (2005): Organisatorische und personalwirtschaftliche Risikoanalysen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main.
- Neitzke, H.-P. (2007): Systemische Risiken, AACCrisk Report 3/2007, Hrsg. ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung, Hannover
- Pindyck, R. und Rubinfeld, D. (2009): Mikroökonomie, 7. Auflage, Person Studium Verlag, Hallbergmoos
- Quagliariello, M. (2009): Conclusions, in Stress-testing the Banking System, S. 318 - 321, in: Stress-testing the Banking System, Hrsg. Quagliariello, M., Cambridge University Press, Cambridge (UK).
- Renn, et al. (2007): Systemische Risiken: Charakterisierung, Management und Integration in eine aktive Nachhaltigkeitspolitik, S. 157 - 188, in: Jahrbuch Ökologische Ökonomik 5, Metropolis Verlag, Marburg.
- Rennstich, J. K. (2008): The Making of a Digital World, Palgrave Macmillan Verlag, Basingstoke.
- Romeike, F. und Spitzner, J. (2013): Von Szenarioanalyse bis Wargaming, Betriebswirtschaftliche Simulationen im Praxiseinsatz, Wiley Verlag, Weinheim.
- Rötzer, F. (2008): Bahrain: Erste Windkraftanlagen in Gebäude integriert, abgerufen am 25. März 2016, unter: www.heise.de/tp/news/Bahrain-Erste-Windkraftanlagen-in-Gebaeude-integriert-2007702.html
- SAP (2015): Vier vereinfachte Geschäftsprozesse, abgerufen am: 24. März 2016 unter: news.sap.com/germany/2015/06/09/vier-vereinfachte-geschaftsprozesse/
- Schaffernicht, M. und Groesser, S. N. (2012): Learning to Think in Circles: Improving Mental Models of a Dynamic System.
- Schiller, W. (2013): Reputationsrisiken beschädigen immer auch die Marke, Hrsg. Risknet, abgerufen am 11. Oktober 2015 unter: www.risknet.de/themen/risknews/reputationsrisiken-beschaedigen-immer-auch-die-marke/58d2b8a9ee822425a1f60da8d3fe1032/
- Schließmann, C. (2014): Das Konzept Interdependency, Chancen und Risiken systemischer Komplexität erkennen und steuern, 2. Auflage, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden.
- Sydow, et. al. (2009): Organizational Path Dependence: Opening the Black Box, S. 489 - 709, in: Academy of Management Review, Vol. 34, No. 4.
- Sydow, J. und Schreyögg, G. (2013): Self-Reinforcing Processes in Organizations, Networks, and Fields - An Introduction, S. 3 - 13, in: Self-Reinforcing Processes in and among Organizations, Palgrave Macmillan Verlag, Basingstoke.
- Walther, S. (2012): Dämpfung der prozyklischen Wirkung von Kapitalanforderungen in Basel III?, in: Deutsches Institut für Bankwirtschaft Schriftenreihe Band 8, Hrsg. Schütt, H., Berlin
- Zabel, H.-U. (1999): Verhaltensmodell eine Ökologischen Ökonomik, Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge, Beitrag 31/99, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle.
Autor:
Christian Bleuel, Diplom-Volkswirt sowie Alumni des Masterprogramms Risiko- und Compliancemanagement (RCM)