Regionalflughäfen, Saunatempel, Meeresfischzucht – das Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung 2014" nimmt vor allem Wirtschaftsflops kommunaler Unternehmen unter die Lupe. Von Kostenexplosionen über Fehlplanungen bis zu teurer Politikwerbung hat der Bund der Steuerzahler insgesamt mehr als 100 exemplarische Fälle auf allen staatlichen Ebenen recherchiert.
So erhielt beispielsweise im niedersächsischen Walsrode eine Bürgermeisterin, die nicht freiwillig aus dem Amt scheiden wollte, eine sechsmonatige Fortbildung fernab des Rathauses – mit vollen Bezügen von monatlich 7.566 Euro. In Berlin-Moabit sollen elf Beton-Kiesel für knapp 280.000 Euro als Sitzmöbel dienen, um Identität im Kiez zu stiften. Für das diesjährige Sonderkapitel hat der Bund der Steuerzahler hinter die Kulissen der 13.400 Unternehmen und Einrichtungen geblickt, an denen Kommunen in Deutschland beteiligt sind. Immer mehr Städte und Gemeinden beschränken sich nicht mehr auf die Daseinsvorsorge, sondern sind wirtschaftlich aktiv. Das Schwarzbuch 2014 benennt die erheblichen Risiken und potenziellen Planabweichungen, die mit diesem Engagement einhergehen.
Teuer wurde es auch im bayerischen Miesbach. Dort feierte der im Jahr 2012 amtierende Landrat seinen 60. Geburtstag mit 362 Gästen. Von den 120.000 Euro, die seine Geburtstagsfeier kostete, übernahm der Landrat lediglich 7.600 Euro selbst. Hauptsponsoren waren der Landkreis Miesbach mit 33.000 Euro sowie die örtliche Kreissparkasse mit 79.000 Euro. Immerhin prüft die Sparkasse Rückforderungen gegenüber dem Ex-Landrat, der damals auch dem Verwaltungsrat des Geldhauses vorsaß. Compliance scheint in manchen Kommunen und Landkreisen ein Fremdwort zu sein.
Planabweichungen sind kein Problem: Der Steuerzahler zahlt
Die Berliner Staatsoper Unter den Linden wird seit September 2010 denkmalgerecht saniert. Als Baukosten waren von der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung anfangs 239 Millionen Euro veranschlagt worden. Nachdem der ursprüngliche Eröffnungstermin im Oktober 2013 bereits mehrfach verschoben worden war, konnte die Verwaltung bis zuletzt nicht einmal mehr einen Termin seiner Bekanntgabe mitteilen, so der Bund der Steuerzahler. Auch bei den Kosten gibt es massive Planabweichungen: Die Liste der Probleme ist lang. Neben der einvernehmlichen Trennung von einem Projektleitungsbüro und der Insolvenz einer Bauleitungsfirma seien vor allem Probleme mit dem Grundwasser und dem maroden Mauerwerk nicht vorhersehbar gewesen, rechtfertigt sich der Senat. Besondere Probleme bereitet auch das neue unterirdische Verbindungsbauwerk.
Die Staatsoper und der neue Tunnel liegen nämlich genau dort, wo im Mittelalter die Berliner Stadtmauer verlief. Und weil der Name unserer Hauptstadt auf das altslawische Wort für "Sumpf" zurückgeht, war die Stadtmauer damals auf Holzpfählen gegründet worden. Das wussten auch die Verantwortlichen, so die Autoren des Schwarzbuchs. Also führte man Probebohrungen durch. Nur kam es leider überraschenderweise "an anderen Stellen in einer Tiefe von 18 Metern zu Holzfunden aus dem 17. Jahrhundert", wie die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung mitteilte. Genau dort sollte die Baugrube für den Verbindungstunnel mittels einer dichten Sohle abgedichtet werden. Diese musste deswegen nun in einem aufwendigen, zeitintensiven Verfahren doppelt so stark ausgeführt werden.
Ein weiteres Problem liegt in der kompletten Erneuerung der Bühnentechnik. Um künftig schwerere Bühnenbilder halten zu können, muss der Bühnenturm umgebaut werden. Die Pfeiler, die das Bühnentragwerk eigentlich tragen sollten, haben sich nach ihrer Freilegung als marode erwiesen und müssen erneuert werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beteuert, das gesamte Projekt wäre von Beginn an seriös geplant worden. Die "einzigartigen Umstände an der Baustelle" hätten zu den Verzögerungen und zu der Kostenexplosion geführt.
Im aktuellen Schwarzbuch bezweifelt der Bund der Steuerzahler dies. Dass die Staatsoper über 250 Jahre alt ist, mehrfach wiedererrichtet wurde und in einem bereits historisch besiedelten Sumpfgebiet steht, ist seit langem genauso bekannt wie das Grundwasserproblem in der Mitte Berlins.
Zuletzt war die Bausumme bereits auf 296 Millionen Euro gestiegen. Jeder Monat Verzögerung kostet laut Senatsverwaltung mindestens eine Million Euro. 200 Millionen Euro übernimmt der Bund. Der Rest inklusive aller Baukostenüberschreitungen geht voll zu Lasten des Landes Berlin.
Trotz stetig neuer Rekordsteuereinnahmen: Die bei Bund und Ländern im Kalenderjahr 2013 eingegangenen Steuereinnahmen betrugen 570,21 Mrd. EUR, das sind 18,4 Mrd. EUR oder 3,3 Prozent mehr als im Jahr 2012. Im Jahr 2018 kann der Fiskus mit Einnahmen von rund 740 Mrd. Euro rechnen. Trotzdem wird auf allen Ebenen Geldmangel beklagt. Doch das Thema Verschwendung bzw. Risikomanagement spielt leider keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Der französischer Staatsmann Jean Baptiste Colbert hatte bereits im 17. Jahrhundert festgestellt: "Die Kunst der Besteuerung besteht ganz einfach darin, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viel Federn bei möglichst wenig Geschrei erhält." Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Kommunales Risikomanagement
Risikomanagement befasst sich vor allem mit einer systematischen Erkennung, Analyse, Bewertung, Überwachung und aktiven Steuerung von Risiken. Doch im Umgang mit Risiken hapert es im öffentlichen Bereich noch gewaltig. Andere Länder zeigen uns, das es auch anderes geht. So spielt proaktives und kommunales Risikomanagement in den Niederlanden und in der Schweiz bereits seit langer Zeit eine entscheidende Rolle in der öffentlichen Verwaltung. Zum einen gibt es in den Niederlanden eine gesetzliche Verpflichtung zum Risikomanagement, zum anderen ist Risikomanagement kein Tabuthema. Zahlreiche Studien belegen, dass das Erreichen strategischer Zielsetzungen durch eine Vielzahl von Risiken gefährdet wird, wie durch Ausfälle bei Steuereinnahmen oder ungünstige Entwicklungen am Finanzmarkt, die beispielsweise zu Zinserhöhungen führen.
Allerdings kann beobachtet werden, dass in Gemeinden das Bewusstsein für den Mehrwert von Risikomanagement steigt. Der Einsatz eines Managementsystems zur strukturierten Erfassung aller Indikatoren sowie zur Dokumentation und Überwachung aller Details spielt neben der Entwicklung einer Risikomanagementstrategie und -kultur eine Schlüsselrolle, um Risikomanagement erfolgreich umzusetzen.
Das "Niederländische Beratungsbüro für Risikomanagement" hat jüngst eine Studie zum Stand des Risikomanagements in deutschen Kommunen durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurden auch die wesentlichen Risiken der Kommunen ermittelt.
Nur ein Drittel der Gemeinden beschäftigen sich mit Risikomanagement
Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Umfrage in 50 deutschen Gemeinden und Landkreisen. Das Bild ist eindeutig: Risikomanagement steckt noch in den Kinderschuhen. Lediglich knapp ein Viertel der befragten Gemeinden betreiben "strukturiertes" Risikomanagement. Nur knapp die Hälfte haben eine definierte Berichtsform als Anlage zum Rechenschaft- und Lagebericht. Jedoch benutzt nur ein Drittel dieser Gemeinden auch ein IT-gestütztes Informationssystem zur strukturierten Dokumentation und Risikoanalyse. Des Weiteren berechnen nur 15 Prozent das notwendige Risikokapital aus dem Risikoprofil der Organisation. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass nicht einmal 10 Prozent der Befragten wissen, ob das berechnete Budget für die potenziellen Risikoeintritte ausreicht. In anderen Worten: Sie haben keinerlei Transparenz über die Balance zwischen Risikotragfähigkeit und dem aggregierten Risikoumfang. Dies kann durch die Tatsache begründet werden, dass keinerlei systematische Analysen durchgeführt werden. Auch bei der Berichterstattung über Risiken gibt es noch keine einheitliche Vorgehensweise. Zwar berichtet ein Großteil der Gemeinden ihre Risiken im Jahresabschluss, Haushalt oder Finanzbericht. Allerdings werden Risiken auch dem Stadtrat, Verwaltungsvorstand oder auch dem Amtsleiter berichtet und in einigen Gemeinden ist gar keine Risikoberichterstattung vorhanden. So zeigt die Studie auf, dass zum jetzigen Zeitpunkt Risikomanagement bei der Mehrzahl der Kommunen noch unstrukturiert und ineffizient ausgerichtet ist.
TOP-10 kommunaler Risiken
Im Kontext der Umfrage wurden auch die aktuellen Top-10-Risiken in deutschen Gemeinden ermittelt. Nahezu alle Befragten (90 Prozent) stimmten überein, dass Entwicklungen zum kommunalen Finanzausgleich die Zielerreichung der Organisation am meisten gefährdet. Dicht gefolgt vom Risiko Umlagen Entwicklungen (87 Prozent). Im Mittleren Bereich der Top 10 Risiken befinden sich Standarderhöhungen (80 Prozent) und Ausfall von EDV (75 Prozent). Des Weiteren befürchten viele Gemeinden das Zinsentwicklungen (67 Prozent) die Zielerreichung gefährden kann. Im Übrigen wurden Risiken die es nicht in die Top-10-Liste geschafft haben auch von mehr als der Hälfte der Befragten als essentielles Risiko erkannt. Zum Beispiel identifizierten 59 Prozent Eintritt einer Kindeswohlgefährdung als Risiko. Weiterhin fällt auf, dass bei den Top-10-Risiken alle Risiken primär finanzielle Folgen haben. Risiken, wie zum Beispiel Eintritt eines Schadensereignisses bei Veranstaltungen wurden von nur 28 Prozent als zielsetzungsgefährdend angesehen.
Abbildung 1: Die Top-10 der kommunalen Risiken
Kommentare zu diesem Beitrag
Bundesverkehrsminister Dobrindt will ein modernes Risikomanagement bei Infrastrukturprojekten zur Pflicht machen: "Kein Bauprojekt ist ohne Risiken. Sie sind aber beherrschbar, wenn sie frühzeitig identifiziert und systematisch gemanagt werden. Mögliche Risiken wie zum Beispiel Klagen gegen ein Projekt und damit verbundene Verzögerungen, geologische Besonderheiten und damit verbundener Aufwand für Alternativplanungen oder die Risiken innovativer, unerprobter Technik müssen über die gesamte Dauer des Projekts solide in die Planung einbezogen werden. Durch Risikopuffer und professionelles Risikomanagement können Kosten- und Zeitpläne verlässlicher eingehalten werden. Wir werden bei größeren Projekten der Verkehrsinfrastruktur künftig moderne Risikomanagementmethoden anwenden." Teil des Risikomanagements sollen mehr digitale Planungsprozesse sein, für die sich alle Beteiligten früh miteinander vernetzen. Dobrindt weiter: "Große Bauprojekte werden immer komplexer. Die Anforderungen an technische Qualität, Umweltschutz und Bürgerbeteiligung steigen. Modernstes, digitales Bauen kann helfen, Kosten- und Zeitpläne im Griff zu behalten. Mit vier Pilotprojekten testen wir die Potenziale der Digitalisierung jetzt in der Praxis und werten die Erfahrungen wissenschaftlich aus."