Jeden Tag werden die Finanzmärkte mit neuen Hiobsbotschaften konfrontiert. Hier noch einige Milliarden Abschreibungsbedarf oder dort noch eine weitere Rettungsaktionen der Notenbanken und der Marktteilnehmer. In der Zwischenzeit schließt der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Ausweitung der Finanzmarktkrise bis zu einem Gesamtschaden von rund 800 Mrd. US-Dollar nicht mehr aus. Eine der drei großen Ratingagenturen spricht gar von einem Abschreibungspotenzial von rund einer Billionen US-Dollar (das ist eine "1" mit zwölf Nullen: 1.000.000.000.000). Auch den letzten Optimisten ist in der Zwischenzeit klar geworden, dass wir uns mit Krisenmanagement und den Aufräumarbeiten noch einige Monate, wenn nicht gar Jahre, beschäftigen werden.
In diesem Kontext fordert Bundesbankpräsident Axel Weber (Bild) in einem heute veröffentlichten Interview ein stärkeres Bemühen um Transparenz durch Offenlegung der Risiken – nicht zuletzt um das Vertrauen zu fördern. "Die Marktteilnehmer brauchen Klarheit über alle Risiken", so Axel Weber. Unsicherheit ist nach Meinung des Bundesbank-Chefs nur durch Offenlegung des Wertberichtigungsbedarfs zu beseitigen. Weber: "Transparenz ist und bleibt das Gebot der Stunde. Das gilt nicht nur für die regulierten Banken, sondern für alle Finanzmarktakteure – Fonds, Private Equity-Unternehmen und Hedge-Fonds eingeschlossen."
Krisenmanagement ist zunächst Aufgabe der Banken
Konträr zu Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der die Finanzkrise mit einer konzertierten Aktion von Banken, Regierungen und Notenbanken bekämpfen will, setzt Weber auch auf die Selbstheilungskräfte der Märkte: "Bei der Überwachung und Lösung der eigenen Schwierigkeiten sind zunächst einmal die Banken selbst gefordert."
Die Banken selbst können einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung der Risiken leisten. Er wies darauf hin, dass sie einen wichtigen Schlüssel für die weitere Entwicklung der Märkte in den nächsten neun Monaten selbst in der Hand halten. Zur Beruhigung der Märkte sei vor allem ein gegenseitiges Vertrauen unabdingbar. Und ein Vertrauen der Marktteilnehmer erfordert eine hohe Transparenz der Risiken.
Das Liquiditäts-Risikomanagement muss gestärkt werden
Weber wies darauf hin, dass seitens der Regulierung die zugrunde liegenden Schwächen des internationalen Finanzsystems analysiert werden müssen. In diesem Zusammenhang sei es offensichtlich, dass Banken, aber auch andere nichtregulierte Marktteilnehmer, ihre Liquiditätsplanung unter Stressbedingungen verbessern müssen. "Außerdem muss das Risikomanagement mit Blick auf die Liquidität besser werden. Erforderlich ist meines Erachtens eine breitere Vorsorge für Notfall-Liquidität; und es sollten höhere Liquiditätspuffer vorgehalten werden", so der Bundesbank-Präsident.
Weber wiederholte seine Klarstellung, dass Ratings keinen Ersatz für eine eigene Risikoanalyse bieten. Die aktuelle Finanzmarktkrise hat die Grenzen von Ratingurteilen deutlich gemacht. Im Hinblick auf Verbesserungen des aufsichtlichen Rahmens empfiehlt der Bundesbank-Chef, dass die Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in den letzten Jahren erarbeitet wurden (Basel II), global schnellstmöglich eingeführt werden.
Obwohl ursprünglich von den USA angeregt und initiiert, wurde Basel II in den Vereinigten Staaten nicht mit dem gleichen Engagement wie in Europa umgesetzt. So sind nach Basel II die den Kern der Probleme bildenden Liquiditätszusagen an Conduits mit Eigenkapital zu unterlegen. Außerdem sind die Finanzinstitute nunmehr zur Veröffentlichung von Adressenausfallrisiken, Marktrisiken, Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch sowie zu Angaben zu ihren Verbriefungsaktivitäten verpflichtet. Die Idee eines pauschalen Eigenkapitalpuffers über die Anforderungen von Basel II hinaus hält die Bundesbank derzeit für kontraproduktiv.
[Bildquelle: Bundesbank]