Die internationalen Finanzmärkte befinden sich unbestritten in einer der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte. Es sind besonders Dauer und Intensität des Vertrauensverlustes in die Märkte - vor allem in die Banken - die viele Marktbeobachter erschrecken lässt. Was als ein lokales Problem im US-Subprimemarkt begann, hat sich wie ein Flächenbrand über den gesamten Kapitalmarkt ausgebreitet. Auch wenn die Subprimekrise allgemein als Initialzündung der Krise betrachtet wird, so muss man feststellen, dass die Ursachen der derzeitigen Finanzkrise tiefer liegen und vielfältiger Natur sind. Es hat sich ein Zusammenspiel und die Kombination vieler verschiedener Faktoren ergeben, um eine so schwere Krise auszulösen. Zum einen ist die Politik des 'billigen' Geldes als ein wichtiger Aspekt beim Entstehen der "Asset Bubbles" zu nennen. Hier ist nicht nur die Niedrigzinspolitik der Notenbanken gemeint, sondern auch das zunehmende 'Aufweichen' von Kreditstandards bei den Banken. Hinzu kommt eine in Teilen sehr 'expansive' Kreditpolitik. Exemplarisch lässt sich dies an der Entwicklung der Margen und Wachstumsraten in Teilbereichen der Kreditmärkte aufzeigen.
So kam es zum Beispiele im ersten Quartal 2007 zu neuen Rekordvolumina bei sogenannten Financial Sponsor-Krediten, Emissionen von Unternehmens- & Structured-Finance-Anleihen und einem Rekordtiefststand bei 'BBB'-Margen. Der Markt für M&A-Kredite ist vor allem in den letzten Jahren vor Ausbruch der Krise mit einem plus von durchschnittlich über 30 Prozent pro Jahr stark angestiegen.
Fakt ist auch, dass das Thema Kreditrisiko in den Jahren vor der Krise einen immer geringeren Stellenwert eingenommen hat. Warnungen der Ratingagenturen wurden kaum noch wahrgenommen. So hat Fitch Ratings bereits im April 2007 darauf hingewiesen, dass die erste Generation der hochkomplexen Verbriefungsform CPDOs (Constant Proportion Debt Obligations) kein Rating im oberen Investmentgradebereich erhalten würden. Aus diesem Grund hat die Agentur dann auch keine solchen Transaktionen bewertet.
Darüber hinaus ist sicher der Aspekt einer seit Jahren verstärkten Deregulierung an den Kapitalmärkten zu nennen, die nicht nur in den USA sondern auch in Europa stattgefunden hat. Diese Deregulierung war teils Treiber bei der Entwicklung und dem starken Wachstum neuer Kapitalmarktprodukte, vor allem im Verbriefungsmarkt. Im Nachhinein kann man konstatieren, dass selbst die Aufsichtsbehörden sich häufig nicht über mögliche Auswirkungen dieser neuen Entwicklungen völlig im Klaren waren.
Ratingagenturen sind im Zuge der Verwerfungen an den Märkten verstärkt in den Fokus der Kritik gekommen; die besondere Rolle, die den Ratingagenturen an der Krise beigemessen wird, ist jedoch stark übertrieben. Fakt ist: die Ratingagenturen sind ein wichtiger Bestandteil der Kapitalmärkte und mit dem Rating diverser Kapitalmarktprodukte betraut. Bei einigen Kritikern entsteht jedoch der Eindruck, die Agenturen hätten nur 'falsche' Ratings vergeben und die Märkte 'bewusst' zu spät über mögliche Bonitätsänderungen informiert. Dies ist eine sehr eingeschränkte Sichtweise der Tatsachen.
Richtig ist, dass in dem einen oder anderen Fall, vor allem bei einigen Verbriefungsprodukten, Fehler gemacht wurden. Diese wurden aber weder beabsichtigt gemacht, noch wurden Herabstufungen bewusst verzögert. Auch die Ratingagenturen sind von der Schwere der Krise überrascht worden. Auch sie konnten dies wie viele andere Marktteilnehmer in der Tragweite nicht vorhersehen und daher auch nicht in ihren Ratings reflektieren. Aber auch Marktteilnehmer und Nutzer der Ratings müssen sich fragen lassen, ob sie in die Ratingnoten nicht Aussagen hineininterpretiert haben, die diese nicht abbilden können. Hier ist vor allem der Aspekt der Liquidität von Anleihen mit einem 'AAA'-Rating - hauptsächlich bei Verbriefungstransaktionen - zu nennen.
Viele Marktteilnehmer sind von einer Liquidität dieser 'AAA'-Tranchen ausgegangen, vergleichbar mit der von Staatsanleihen. Fakt ist, dass Credit Ratings nur eine Aussage über die fristgerechten Zins- und Tilgungszahlungen einer Anleihe treffen und nichts über deren Liquidität. In diesem Punkt werden die Ratingagenturen in Zukunft sicher noch klarer herausstellen müssen, was ihre Ratings aussagen und was nicht. Die derzeitige Krise bietet jedoch auch Chancen, sich der immer komplexer werdenden Kapitalmärkte bewusst zu werden. Bei den Überlegungen zur neuen Finanzmarktordnung und Regulierung sollte man sich nicht von der Illusion treiben lassen, solche Krisen in Zukunft komplett vermeiden zu können. Ansatz der Überlegungen muss sein: Wie können solche extreme Krisen vermieden oder zumindest abgemildert werden? Das bedeutet nicht mehr Regulierung, sondern eine andere, international stärker verzahnte und abgestimmte Regulierung.
Autor: Jens Schmidt-Bürgel ist Managing Director und Geschäftsführer der Fitch Deutschland GmbH in Frankfurt am Main.
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