Der Frankfurter Ökonom Sascha Steffen hat wegen des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens vor der Einführung einer Finanztransaktionssteuer gewarnt. "Was wir gar nicht gebrauchen können, ist eine Finanztransaktionssteuer, denn die würde die Illiquidität der Märkte noch verstärken", sagte Steffen unter Verweis auf den Brexit, der den Unternehmen der EU ein Drittel ihres bisherigen Kapitalmarktvolumens entziehen dürfte.
Wie gravierend die Auswirkungen für die Unternehmen auf dem europäischen Festland werden, hängt laut Steffen davon ab, wie "hart" der Brexit auf der Finanzmarktseite ausfällt. "Je härter, desto schlimmer und desto stärker müssen wir bei der europäischen Kapitalmarktunion vorangehen", sagte er bei einer Veranstaltung der Frankfurt School of Finance, in der er als Professor für Finance arbeitet.
Ein Risiko eines harten Brexits besteht aus EU-Sicht laut Steffen darin, dass es zu einer Kapitalunterversorgung der Unternehmen kommt, dass die Kapitalkosten langfristig steigen und dass Festlandseuropa noch abhängiger von Banken wird. Europas Bankensystem sei verglichen mit dem der USA immer noch vergleichsweise schwach, und auch ein stärker kapitalmarktorientiertes Europa brauche starke Banken als Intermediäre in den Sekundärmärkten für Aktien und Anleihen, sagte er.
Die Voraussetzungen für tiefere Kapitalmärkte müssen laut Steffen von den Staaten selbst geschaffen werden, aber für deren stärkere Integration sei die EU verantwortlich, die gegen die Fragmentierung von Aufsicht und Insolvenzrecht vorgehen müsse.
Steffen will aber noch nicht so weit gehen, den Finanzstandort London für die EU völlig abzuschreiben, denn beide ergänzten einander gut. "Großbritannien hat das Kapital, die EU hat die Kunden, und deshalb hat auch Großbritannien ein großes Interesse daran, den Zugang zum EU-Kapitalmarkt zu behalten", sagte er. Umgekehrt hätten beispielsweise die deutschen Autohersteller Interesse am britischen Markt.
Am 1. Februar beginnt eine einjährige Übergangsphase, innerhalb derer die EU und Großbritannien ihre Handelsbeziehungen klären müssen. Eine Fristverlängerung, die prinzipiell möglich wäre, schließt der britische Premierminister Boris Johnson bisher aus.