Stärkung der Nachhaltigkeit und längerfristige Lehren aus der Krise

Forderung nach einer globalen Risikolandkarte


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Bei der Anpassung des regulatorischen Rahmens im Aufsichts- und Bilanzrecht von Banken kommt es nach Ansicht von Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, vor allem darauf an, nicht durch eine Fülle  interventionistischer Detailregelungen die Komplexität zu erhöhen und den Grundstein für neue Felder von Regulierungsarbitrage zu legen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen sollte vielmehr stehen, nachhaltig wirksame Anreizstrukturen zu schaffen, so Zeitler in seiner Begrüßungsrede auf dem Symposium der Deutschen Bundesbank "Bankenaufsicht im Dialog" in Frankfurt am Main am 30. Juni 2009.

Hierzu gehört nach Ansicht der Bundesbank – basierend auf dem Prinzip "same risks, same rules" – die Einbeziehung marktrelevanter Schattenbanken (hedge funds, nearbanks, private equity funds) in ein aufsichtsrechtliches Regelwerk und letztlich in eine internationale "Risikolandkarte". Zeitler wies weiter darauf hin, dass auch die Vergütungsregeln angepasst werden müssen. Hierzu gehören insbesondere die Anpassung der variablen Vergütungen an die mit höheren Erträgen verbundenen Risiken, ihre Kapitalkosten sowie die Abstimmung des Zeithorizonts von Vergütungen. Wegen der Volatilität des Zeitwertausweises und somit auch der fair-value-Gewinne bietet sich auch eine Orientierung der Vergütung an den tatsächlich realisierten und damit nachhaltigen Gewinnen an.

Einführung eines Risikoselbstbehalts für Urheber einer Verbriefung

Zeitler weiter: "Zur Rückkehr des Vertrauens in den Verbriefungsmarkt gehört schließlich auch die Einführung eines Risikoselbstbehalts für den Urheber (originator) einer Verbriefung; dies war lange Zeit umstritten, soll aber jetzt von der Europäischen Kommission in der neuen Bankenrichtlinie umgesetzt werden und entspricht auch den jüngsten Ankündigungen des US-Präsidenten."

Bei der Zeitwertbilanzierung (fair value accounting) ist deren hohe Volatilität durch das "systematische front loading", das Abstellen auf künftig erwartete Mittelflüsse, zu hinterfragen, so der Bundesbank-Vizepräsident. Der Europäische Standardsetter IASB ist hierbei seit längerer Zeit im Rückstand mit den notwendigen Anpassungen (etwa der Zulassung der discounted cash-flow-Methode bei abnormen  Marktsituationen), wie sie der US-amerikanische FASB schon vor längerer Zeit vorgenommen hat. In die Richtung einer stärkeren Ausrichtung der Rechnungslegung an der Nachhaltigkeit auch in Aufschwungphasen gehen Vorschläge, neben dem Zeitwert auch den realisierten Gewinn auszuweisen; Investoren erhielten damit zusätzliche Informationen. Ein ausgesprochen antizyklisches Element wäre darüber hinaus die Einstellung der Differenz zwischen Zeitwertgewinn aus Finanzinstrumenten und realisiertem Gewinn in eine eigenkapitalstärkende Rücklage, so Zeitler weiter.

Prozyklische Wirkung bei Anhebung des regulatorischen Mindestkapitals

"Bei den notwendigen Anpassungen der Eigenkapitalanforderungen ist zu berücksichtigen, dass eine generelle Anhebung des regulatorischen Mindestkapitals mitten in der Krise ausgesprochen prozyklisch wirken würde." Der mit einer höheren Kapitalunterlegung verbundene höhere Risikoanteil des Eigentümers und der darin liegende Anreiz zu mehr Nachhaltigkeit seines Geschäftsmodells sollte deshalb erst bei einer substantiellen Beruhigung der Situation umgesetzt werden, so die Forderung Zeitlers (Bild rechts).

Die Systematik von Basel II – der Grundgedanke der Risikosensitivität und damit im Unterschied zu Basel I die Vermeidung einer Quersubventionierung von schlechten durch gute Risiken über die Kapitalkosten – sorgt naturgemäß für ein Atmen der Kapitalunterlegung mit der Entwicklung der Risiken. Unabhängig von allen aufsichtlichen Regeln muss jedes Institut schon nach ökonomischen Gesichtspunkten seine Kapitalbedürfnisse risikoadäquat steuern, so der Bundesbank-Vize. "Hierin mag eine gewisse unvermeidbare Zyklik liegen, die aber durchaus zu trennen ist von speziellen "prozyklischen", den Auf- und Abschwung beschleunigenden Elementen. Unabhängig davon haben wir das Baseler Regelwerk daraufhin durchgesehen, inwieweit einzelne Elemente und Regeln unter dem Gesichtspunkt der Prozyklik überdacht werden müssen."

Regulierungs- und Harmonisierungsdefizit bei Liquiditätsrisiken

Zeitler wies darauf hin, dass der deutsche Weg bei der Berücksichtigung von Neubewertungsreserven aus Anleihen (in der Kategorie availabe for sale) von dem Weg abweicht, den andere Staaten (USA, UK, F) in dieser Frage gegangen sind. Daher soll die bisherige Regelung der Konzernüberleitungsverordnung überprüft werden, wonach positive Neubewertungsreserven zu 45 Prozent vom Ergänzungskapital zuzuschreiben, negative Neubewertungsreserven aber zu 100 Prozent vom Kernkapital abzuziehen sind.

Nach Ansicht der Bundesbank ist ein Regulierungs- und Harmonisierungsdefizit vor allem bei den Liquiditätsregeln festzustellen. "Die Finanzmarktkrise war in ihrem Ursprung ja stärker eine Liquiditäts- und Marktvertrauenskrise als eine Kapital- und Solvenzkrise; erst mit zunehmender Dauer "frisst" sie sich in die Kapital- und Solvenzquoten hinein." Der Baseler Ausschuss hatte bereits im Jahr 2008 mit neuen Liquiditätsprinzipien, mit Vorgaben für Liquiditätspuffer und Liquiditätsstresstests reagiert.

[Bildquelle oben: iStockPhoto, Bildquelle Zeitler: Bundesbank]

 

Kommentare zu diesem Beitrag

Benny /03.07.2009 11:53
Aber passiert auf den Märkten nicht genau das? Werden nicht gerade auf nationalen Ebenen jede Menge interventionistischer Detailregelungen verabschiedet, die dazu führen werden, dass die Komplexität weiter zunimmt und der Grundstein für neue Felder von Regulierungsarbitrage gelegt wird. Wo ist die große globale Lösung? Die EU verabschiedet einen Zulassungsprozess für Ratingagenturen ... die globalen Finanzmärkte wird das nicht interessieren. Die BaFin novelliert die MaRisk und verlangt von den Banken, dass sie "die von ihm betriebenen Geschäftsaktivitäten verstehen" müssen. Aha ... das haben sie wohl in der Vergangenheit nicht ... Klein-klein-Regulierungen und nationale ad-hoc-Aktionen sind nicht der richtige Weg ...
SwissBanker /08.07.2009 09:33
Ein wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht der Risikoselbstbehalt für den Urheber (originator) einer Verbriefung. Schliesslich hatten sich die Verbriefungs-Originatoren in der Folge der Finanzkrise recht zügig ihrer Risiken entledigt. Sie sind Risiken eingegangen, die sie sofort weiterverkauft haben = nach mir die Sintflut. Derartige subjektive Risiken wird man nur in den Griff bekommen, wenn die Originatoren am Risiko partizipieren.
Paperball /08.07.2009 18:00
Es gab im Konsultationsprozess rund um Basel II immer wieder Stimmen zur prozyklischen Wirkung (auf RiskNET habe ich regelmäßig Artikel zu diesem Thema gelesen). Leider hat das Thema aber keiner ernst genommen und vor allem nicht darüber nachgedacht, wie man die Prozyklität von Basel in den Griff bekommen könnte ...
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