Im November 2005 startet das Forschungsvorhaben "Risikomanagement für produzierende Unternehmen". Dabei werden das Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH Aachen und der Dr.-Wolfgang-Schieren-Lehrstuhl für Versicherungs- und Risikomanagement der HU Berlin zusammen mit interessierten Unternehmen Methoden zum Risikomanagement und zur quantitativen Risikobewertung entwickeln. Ziel des Projektes ist es, Unternehmen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, mit denen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen ins Risikomanagement monetär bewertet werden kann.
Produzierende Unternehmen sehen sich vor allem mit zwei zentralen, aktuellen Herausforderungen konfrontiert: der steigenden Marktdynamik und den drastisch sinkenden Lieferzeiten. Aus Sicht der Unternehmen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, auf diese Herausforderungen zu reagieren. So kann eine hohe Flexibilität der eigenen Produktionssysteme dazu dienen, auf marktseitige Schwankungen des Produktionsvolumens oder Art und Anzahl produzierter Varianten zu reagieren. Alle diese Möglichkeiten bergen jedoch Produktionsrisiken. Flexible Anlagen sind im Vergleich zu starren spezialisierten Produktionssystemen beispielsweise häufig störungsanfälliger, wodurch die Gefahr eines Produktionsausfalls steigt. Bei zunehmenden Kooperationen mit Partnern in Folge der Fokussierung auf Kernkompetenzen steigt außerdem das Risiko des Produktionsausfalls durch externe Störfaktoren. In diesem Fall sind Unternehmen deutlich abhängiger von der Stabilität ihrer Kooperationen, der Liefertreue ihrer Partner und der Zuverlässigkeit der Logistik. Die von Seiten der Kunden geforderten immer knapperen und flexibleren Lieferzeiten erhöhen die negativen Konsequenzen eines Produktionsausfalls für das produzierende Unternehmen noch weiter. So besteht in der Lieferkette zwischen Auftragseingang und Auslieferung eines Produktes an den Kunden kaum Spielraum, um selbst einen kurzfristigen Ausfall des Produktionssystems aufzufangen.
Für produzierende Unternehmen gibt es drei Risikobereiche, die die Produktion beeinflussen.
- Interne Risiken innerhalb des Unternehmens oder des Produktionssystems (z. B. Ausfall einer Maschine),
- externe Risiken, die von außerhalb des Unternehmens auf das Produktionssystem wirken (z. B. Ausfall eines Lieferanten) sowie
- Marktunsicherheiten, die sich auf den erfolgreichen Verkauf der Endprodukte auswirken (z. B. Marktverlagerungen).
Marktunsicherheiten wirken dabei nur indirekt auf das Produktionssystem. Unternehmen müssen den Unsicherheiten mit Maßnahmen entgegenwirken, die zu Anpassungen der gesamten Produktion, aber nicht zum kompletten Ausfall führen. Dabei ergeben sich neue, veränderte interne oder externe Risiken, die ein modernes Risikomanagement erfordern.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens der RWTH Aachen und der HU Berlin sollen Methoden entwickelt werden, die es produzierenden Unternehmen ermöglichen, die für sie relevanten Risiken zu identifizieren, ihre Auswirkungen auf das Unternehmen quantitativ (monetär) zu bewerten und daraus geeignete Risikomanagementmaßnahmen abzuleiten. Wichtig hierbei ist die gesamthafte Betrachtung und die monetäre Bewertung der Interdependenzen zwischen Produktions- und Netzwerkrisiken (z. B. der Zusammenbruch einer strategischen Partnerschaft). Die im Rahmen dieses Projektes zu entwickelnden Methoden werden diesen Aspekten Rechnung tragen und somit Unternehmen in die Lage versetzen, ein holistisches Risikomanagement zu entwickeln. Dabei erfolgt unter anderem eine Quantifizierung des Wertzuwachses eines Unternehmens, das sich gegen die relevanten Risiken mit einem effizienten Risikomanagement-System gewappnet hat. Hieraus lassen sich insbesondere auf optionstheoretischer Basis die Grenzpreise für Risikomanagement-Maßnahmen bestimmen.
Für die teilnehmenden Unternehmen sollte sich der Hauptnutzen dieses Projektes in der Identifikation von zuvor nicht aufgedeckten Risiken sowie in der Effizienzüberprüfung von bestehenden Risikomanagement-Maßnahmen ergeben. Dabei werden individuelle Alternativlösungen aufgezeigt und unter Kostengesichtspunkten analysiert. Gleichzeitig sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, im Rahmen der Anforderungen von Basel II eine präzisere Einschätzung der Unternehmensrisiken vornehmen zu können. Dadurch steigt die Unternehmensbewertung bei bankinternen Ratings, wodurch sich die Kreditkosten für Ihr Unternehmen reduzieren. Für Industrie-Versicherungsunternehmen ergeben sich aus diesem Projekt Erkenntnisse zur monetären Bewertung von Produktions- und Netzwerkrisiken. Dies kann den teilnehmenden Versicherungen im Ergebnis eine risikoadäquatere Prämienkalkulation für produzierende Unternehmen mit Serienfertigung ermöglichen.
Das Angebot der RWTH Aachen und der HU Berlin an interessierte Unternehmen besteht in der Entwicklung und praktischen Anwendung der vorgestellten Methoden und Hilfsmittel in den teilnehmenden Unternehmen. Dabei arbeiten zwei spezialisierte Forschungsinstitute direkt mit den Beteiligten zusammen und ermöglichen so die Bereitstellung von breit gefächerten und sofort umsetzbaren Konzepten. Die Projektdauer wird in etwa zwei Jahre betragen, beginnen soll das Forschungsvorhaben ab November 2004. Die Teilnahmegebühren betragen 15.000 Euro pro Unternehmen und Jahr. Interessierte Unternehmen können sich an die u. a. Kontaktadresse wenden.
Kontakt:
Dipl.-Ing. Roland König
E-Mail: r.koenig@wzl.rwth-aachen.de
Steinbachstraße 53 B
D-52074 Aachen
Tel.: 0241 - 80 281 98
Fax: 0241 - 80 222 93