Stärkeres marktbasiertes Wechselkurssystem

G-20-Wirtschaftsmächte wollen Währungswettlauf verhindern‎


G-20-Wirtschaftsmächte wollen Währungswettlauf verhindern‎ News

Die Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) sind übereingekommen, einen Abwertungswettlauf ihrer Währungen zu verhindern und ihre Leistungsbilanzungleichgewichte zu begrenzen, um ein ausgewogenes globales Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Wie aus der am Samstag veröffentlichten Abschlusserklärung hervor geht, verpflichteten sich die Länder dabei jedoch nicht auf Zielgrößen. Darüber hinaus bestätigten die G-20 den Fahrplan für die Einführung härterer Eigenkapital- sowie Liquiditätsanforderungen und beschlossen eine Reform des Aufsichtsrats des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Dokument soll beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G-20 am 11. und 12. November in Seoul endgültig verabschiedet werden.

Die G-20 wollen laut Erklärung auf ein stärker marktbasiertes Wechselkurssystem hinwirken, das die grundlegenden wirtschaftlichen Gegebenheiten widerspiegelt und eine künstlich niedrige Bewertung der Währungen vermeidet. Industrieländer, darunter solche mit Reservewährungen, werden "wachsam" darauf achten, dass es nicht zu übertriebenen Wechselkursschwankungen und ungeordneten Wechselkursbewegungen kommt. Damit solle auch den Gefahren begegnet werden, die sich aus großen Schwankungen bei Mittelzuflüssen in einige Schwellenländer ergeben.

Zur Begrenzung von Leistungsbilanzungleichgewichten wollen die G-20 demnach alle geeigneten Instrumente einsetzen, die zur dauerhaften Reduzierung von Überschüssen und Defiziten geeignet sind. Der Erfolg dieser Politik soll jedoch nicht an konkreten Werten, sondern nur "indikative Richtgrößen" gemessen werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll Berichte über anhaltend hohe Leistungsbilanzungleichgewichte anfertigen, um dem Einfluss nationaler Wirtschaftspolitiken von Ländern mit systemischer Bedeutung nachzugehen.

Bundesbankpräsident Axel Weber stellte nach Abschluss der Gespräche jedoch klar, dass die G-20 in Deutschlands Leistungsbilanzüberschüssen kein Problem sähen, weil dieses im Zusammenhang des gesamten Euroraums gesehen werden müssten. "Der Euroraum und sein Wechselkurs sind in dieser Debatte entscheidend", sagte er. Es sei gelungen, die Wahrnehmung zu relativieren, dass Deutschland Teil des Problems sei. Deutschlands Überschüsse reflektierten aber auch Ungleichgewichte innerhalb des Euroraums, die allerdings von seinen Mitgliedern angegangen würden, sagte das Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB).

US-Finanzminister Timothy Geithner, der mit einem Vorschlag zur Einführung fester Größen für die Reduzierung von Leistungsbilanzgrößen gescheitert war, äußerte sich zurückhaltend. Entscheidend sei, was die Länder nach dieser Beschlussfassung tatsächlich täten, sagte er. Geithner wird am Sonntag zu Gesprächen mit dem stellvertretenden Premierminister Wang Qishan nach China weiterreisen. Angesprochen auf die beschleunigte Dollar-Abwertung der vergangenen Monate sagte Geithner: "Es ist die Politik der USA, eine starken Dollar zu unterstützen." Die USA seien sich ihrer Verantwortung für die globale Finanzstabilität bewusst, die sie als Land mit einer wichtigen Reservewährung hätten.

Japans Finanzminister Yoshihiko Noda sagte, dass die G-20 die Wechselkursentwicklung mit "Wachsamkeit" verfolgen wollten, signalisiere eine aktiviere Herangehensweise als bisher. Sie beinhalte, dass die Länder bei Bedarf kooperieren würden, sagte Noda, ohne die Frage zu beantworten, ob diese Kooperation gegebenenfalls auch Devisenmarktinterventionen einschließe. Noda zufolge ist Japans Wechselkurspolitik unverändert die, dass erforderlichenfalls entschlossene Maßnahmen ergriffen werden.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, räumte ein, dass die am Verhandlungstisch sitzenden Zentralbankgouverneure "radikal unterschiedliche Ansichten" über die Situation gehabt hätten. Es sei aber insgesamt eher ein Meinungsaustausch gewesen als ein Streit. Den G-20 als Ganzes sei klar, dass es Strukturreformen brauche, die die Spannungen an den Devisenmärkten lindern würden.

Die G-20-Finanzminister befürworteten zudem die Einführung härterer Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für Geschäftsbanken. Die neuen Standards sollten innerhalb des von Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagenen Zeitrahmens eingeführt werden, heißt es in der Abschlusserklärung des Treffens. Danach begrüßten die Finanzminister auch die Vorschläge des Finanzstabilitätsausschusses (FSB) zum Umgang mit systemisch wichtigen Finanzinstituten.

Bereits zuvor hatten sich die G-20 auf eine Reform des IWF-Aufsichtsrats geeinigt, die den Schwellenländern ein höheres Gewicht in der Organisation gibt. Der Geschäftsführende IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn sagte, es handele sich um die bedeutendste Reform seit Bestehen dieser Institution. Strauss-Kahn zufolge sind die europäischen Mitglieder bereit, auf zwei ihrer Sitze in den Gremium zu verzichten. Allerdings könnte es noch bis zu einem Jahr dauern, ehe sie sich hierüber geeinigt haben.

Mitglied im IWF-Aufsichtsrat werden als größte Anteilseigner weiterhin die USA, Japan, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Brasilien, Russland, Indien und China sein. Der Aufsichtsrat selbst muss die angestrebten Änderungen noch bei seiner Sitzung im November bestätigen. Strauss-Kahn sagte, anschließend werde das Gremium "völlig legitimiert" sein.

 

Was ist die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20)?

Die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) ist ein seit 1999 bestehender, informeller Zusammenschluss aus 19 Staaten und der Europäischen Union. Sie soll als Forum für die Kooperation und Konsultation in Fragen des internationalen Finanzsystems dienen. In den in der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer direkt oder indirekt vertretenen Staaten erwirtschaften zwei Drittel der Weltbevölkerung rund 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) und bestreiten 80 Prozent des Welthandels.

Mitglieder: Vereinigte Staaten Japan, Deutschland, Volksrepublik China, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Turkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Europäische Union



[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

niceday /26.10.2010 16:37
Kluge Worte ... und jede Menge Worthülsen. Das klingt so als hätten die G20-Staaten solidarisch ein Interesse an einem ausgewogenen globalen Wirtschaftswachstum. Es wird hierbei doch völlig ausgeblendet, dass die Länder in einem massiven Wettbewerb stehen und hierbei spielen Wechselkursrelationen eine wesentliche Rolle ;-(
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