Eines der interessantesten Themen auf der diesjährigen Jahreskonferenz des Internationalen Währungsfonds in Washington war nicht etwa die schwache Konjunktur. Es war auch nicht der handelspolitische Streit zwischen Amerika und China, was viele erwartet hatten. Es war, wer hätte das gedacht, der Klimawandel. Vor zwei, drei Jahren haben darüber auf den Finanzmärkten nur Esoteriker gesprochen. Dieses Jahr war er in aller Munde.
Das erste öffentliche Panel, an dem die neue Direktorin des Fonds, Kristalina Georgieva, teilnahm, ging über das Thema "Können die Zentralbanken den Klimawandel bekämpfen?". Als sie dafür gelobt wurde, reckte sie mächtig stolz die Hände in die Luft wie ein Champion, der gerade ein Tor geschossen hat. In der Diskussion waren sich alle einig, dass der Klimawandel nicht nur durch Fiskalpolitik und regulatorische Maßnahmen bekämpft werden könne. Auch die Geldpolitik müsse ihren Beitrag leisten. Es fehlte nur noch, dass auch Greta Thunberg bei den Bankern in Washington aufgetaucht wäre. So weit ging die Liebe aber dann doch nicht.
So viel spontane Begeisterung zeigt, dass Fortschritte auch ohne "Fridays for Future" möglich sind. Es spiegelt die außerordentliche Dynamik an den Märkten für Green Bonds. Vor knapp zwei Jahren wurde das Netzwerk der Zentralbanken "for Greening the Financial System" gegründet. Ihm gehören inzwischen 46 Institute an. Demnächst werden vermutlich auch die Federal Reserve und die EZB beitreten. Das Netzwerk macht Druck, dass dem Klimawandel eine größere Bedeutung zugemessen wird.
Was kann die Geldpolitik bewirken? Zunächst das Negative: Zentralbanken können viel bewegen, aber nicht alles. Der Schutz des Klimas gehört nicht zu ihrem Mandat. Sie sind allein für die Preisstabilität zuständig (allenfalls, wie in den USA, noch für Vollbeschäftigung). Preisstabilität ist weder grün noch braun. Daran kann man keine Abstriche machen. Kein Geldpolitiker kann sich bei Verfehlen des Stabilitätsziels darauf herausreden, dass er die Welt in Sachen Klimaschutz besser gemacht hätte.
Es heißt aber nicht, dass sich Zentralbanken nicht mit dem Klimawandel befassen müssen. Es gibt im Gegenteil eine Reihe von Feldern, auf denen der Klimawandel für die Geldpolitik eine wichtige Rolle spielt. Erstens muss er in die volkswirtschaftlichen Prognosen einbezogen werden, die den Entscheidungen zugrunde liegen. Der Klimawandel und die vielfältigen Maßnahmen ihn zu bekämpfen, haben hier erhebliche Bedeutung.
Zweitens ist Klimawandel Teil der makroökonomischen Risiken, die die Zentralbanken managen müssen. Wie kann man das Finanzsystem gegenüber den Folgen von Naturkatastrophen widerstandsfähiger machen?
Drittens muss man auch einzelne Finanzinstitute besser vor Naturkatastrophen schützen. Braucht man dazu neue Risikostandards, vielleicht auch eine höhere Liquiditäts- und Kapitalausstattung? Wichtig ist auch eine Verbesserung der Transparenz. Man muss die Risiken nach gemeinsamen Standards erfassen und klassifizieren.
Rasantes Wachstum: Emission von Green Bonds in USD Mrd., global [Quelle: Refinitiv]
Das alles sind unbestrittene Aufgaben der Geldpolitik und der Bankenaufsicht im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Dazu kommt aber ein Graubereich, bei dem noch nicht entschieden ist, ob die Zentralbanken aktiv werden müssen. Dazu gehört beispielsweise der Gedanke, bei der Kapitalunterlegung von Risikoaktiva auch die Klimarisiken zu berücksichtigen.
Also beispielsweise eine stärkere Belastung von Krediten an Unternehmen, die einen höheren CO2-Ausstoß haben. Das wäre ein ideales Instrument, um die Volkswirtschaft in Richtung auf klimaschonendere Aktivitäten zu steuern. Andererseits ist es Industriepolitik, die nicht zu den Aufgaben der Bankenaufsicht gehört. Sie könnte das Primat der Aufsicht verwässern, für Stabilität zu sorgen. Hier sind noch Diskussionen notwendig.
Das gleiche gilt für die Einbeziehung von Klimaschutzaspekten in die Wertpapierkäufe der Zentralbanken zur Steuerung der Liquidität. Die Notenbanken könnten beispielsweise einen bestimmten Anteil ihrer Käufe von Unternehmensanleihen für Papiere von Firmen mit einem niedrigen CO2-Ausstoß reservieren. Auch dies wäre eine direkte Einflussnahme, für die die Geldpolitik ein spezielles Mandat bräuchte.
Weniger problematisch sind klimapolitische Aktivitäten im Rahmen des Portfolio Managements. Die Notenbanken sind bekanntlich für öffentliche Stellen auch als "Fiscal Agent" tätig und managen Anlagen von öffentlichen Stellen. Hier können sie sich von ihren Auftraggebern das Mandat holen, einen bestimmten Anteil der Gelder in "grüne Papiere" anzulegen.
Der Sektor der grünen Papiere ist derzeit stark im Aufwind (siehe Grafik). Eine stärkere Berücksichtigung dieser Investments in den Portfolien ist häufig auch im Hinblick auf die zu erzielende Rendite vorteilhaft.
Denkbar ist schließlich, Banken und Unternehmen dazu zu bewegen, mehr Auskunft über ihre Klimaschutzaktivitäten zu geben. Damit wird das Klima in der Welt zwar nicht besser. Man sollte aber nicht unterschätzen, wie man dadurch das Bewusstsein in der Gesellschaft beeinflusst und damit am Ende auch erreicht, dass sich der Finanzsektor mehr um diese Fragen kümmert.
"Grün" ist derzeit auch an den Kapitalmärkten en vogue. Es ist nicht nur modern und schick. Mehr und mehr wird klar, dass dies zu den fundamentalen Trends gehört, denen sich niemand entziehen kann. Es lässt sich dadurch häufig auch die Rendite steigern.
Autor:
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.