Angst vor Griechenland-Pleite

"Grexit" wird wahrscheinlicher


"Grexit" wird wahrscheinlicher News

Mit zum Teil massiven Verlusten reagieren die Börsen auf die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland. Mit Francois Hollande als neuem Präsidenten steuert Frankreich auf Konfrontationskurs mit Deutschland. Hollande fordert Wachstum und wettert gegen das Berliner Spardiktat. Aber es ist vor allem der Ausgang der Parlamentswahl in Griechenland, der die Investoren in Angst und Schrecken versetzt. Die Bildung einer stabilen Regierung, die die Auflagen von EU, IWF und EZB umsetzen kann, ist ungewiss. Damit geht erneut das Gespenst einer Pleite des Landes und eines mögliches Ausscheidens aus der Eurozone um.

Die griechische Börse bricht in der Spitze um über zehn Prozent ein. Dem Land bleibt nicht viel Zeit. Griechenland muss bis Juni Einsparungen mit einem Volumen von zwölf Milliarden Euro für 2013 und 2014 finden. Das dürfte kaum zu schaffen sein. Pasok und Nea Demokratia, die einzigen Parteien im griechischen Parlament, die die Vereinbarungen mit den internationalen Geldgebern mittragen, verfügen nicht über die ausreichenden Stimmen für eine Regierungsbildung.

"Grexit" wird wahrscheinlicher

Angesichts der Radikalisierung der politischen Landschaft droht ein Zahlungsstopp durch die Gläubiger in den kommenden Monaten und eine unkontrollierte Insolvenz des Landes. Die Citigroup schätzt die Wahrscheinlichkeit eines "Grexit" - also des Austritts aus dem gemeinsamen Währungsraum - in den kommenden zwölf bis 18 Monaten auf 50 bis 75 Prozent. Die Berenberg Bank hatte bereits vor den Wahlen ein 40-prozentiges Risiko ausgemacht. "Und dieses Risiko ist mit den Ergebnissen sicherlich nicht gefallen", stellt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, fest.

An und für sich ist eine Pleite des Landes verkraftbar. Zwar wäre der dortige Finanzsektor insolvent und müsste rekapitalisiert werden. Mit dem Schuldenschnitt im März hat sich das Restengagement des europäischen Bankensektors aber auf vergleichsweise moderate 20 Milliarden Euro reduziert. "Das wird den Sektor nicht umhauen", ist Christoph Weil von der Commerzbank überzeugt. Was die Investoren umtreibt, ist vielmehr die Gefahr von Ansteckungen in der Peripherie der Eurozone.

Eurozone vor Panikattacken noch nicht sicher

Mit den Mittelzusagen des IWF sind die Schutzmauern um die Eurozone zwar in den vergangenen Wochen höher gezogen worden. Dennoch haben Marktbeobachter Zweifel, dass das für den Fall von Panikattacken der Anleger ausreichen wird. Nach der Entspannung an den Anleihemärkten der Peripherie nach den beiden Dreijahrestendern der EZB haben die Renditen für italienische und spanische Benchmarkanleihen zuletzt wieder angezogen. Die Sparauflagen und die sich vertiefende Rezession in Europa machen den Ländern spürbar zu schaffen.

Nach Angaben der Commerzbank verfügen die Rettungsschirme in Europa aber über ausreichend Mittel, um Spanien und Italien notfalls für die nächsten drei Jahre durchzufinanzieren. Das sollte ausreichen, um das Schlimmste - nämlich ein Auseinanderbrechen der Eurozone - bis auf weiteres zu vermeiden. Dennoch gibt Analyst Weil zu bedenken: "Die Märkte werden auf jeden Fall nervös reagieren."

Zwar ziehen die spanischen und italienischen Renditen auf Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit am Vormittag an. Mit Aufschlägen von 9 Basispunkte auf 5,49 Prozent bei italienischen Papieren und 8 Basispunkten auf 5,76 Prozent in Spanien halten sich die Anstiege aber noch im Rahmen und liegen klar unter den Höchstständen gegen Ende des vergangenen Jahres.

Im Vergleich zur einstürzenden Börse in Griechenland geht es am Pariser Parkett mit Verlusten von 1,1 Prozent moderat nach unten. Damit hält sich der CAC-40 sogar besser als der DAX mit einem Minus von 1,3 Prozent. Auch an den französischen Anleihemärkten herrscht Ruhe. Die Reaktion an der Pariser Börse macht deutlich, dass der Wahlsieg Hollandes an den Finanzmärkten erwartet wurde. Und: Seine Forderungen nach Nachverhandlungen beim Fiskalpakt und mehr Wachstum in Europa werden nicht nur in der Peripherie sondern auch von den Anlegern gerne gehört.

"Das Vertrauen der Märkte in die Sparpolitik schwindet", sagt Michala Marcussen, Chefvolskwirtin der Societe Generale. Selbst in Berlin scheint wegen der drohenden Austeritätsfalle zunehmend ein Umdenken einzusetzen. Auch wenn sich der Ton zwischen Paris und Berlin in den kommenden Wochen bis zu den Parlamentswahlen in Frankreich im Juni verschärfen könnte, glauben Marktbeobachter nicht an einen Bruch zwischen beiden Ländern. Einen solchen würde die Eurozone vermutlich auch nicht überstehen.

Schulterschluss zwischen Paris und Berlin absehbar

So läuft alles auf eine gesichtswahrende Formel hinaus. Ein komplettes Abrücken vom Spardiktat ist unwahrscheinlich, denkbar ist aber eine Ergänzung des Fiskalpakts durch eine Wachstumskomponente. Mittel hierfür könnten etwa über EU-Strukturfonds aktiviert werden. Dies bedeutet nicht, dass der Machtwechsel im Elysee-Palast ohne Gefahren für die Märkte ist. Frankreich leidet unter einer hohen Staatsverschuldung, zu hohen Arbeitskosten und Wettbewerbsproblemen.

Bislang ist Hollande die Antworten schuldig geblieben, wie das Land wieder flott gemacht werden kann. Die Finanzmärkte werden nicht ewig auf die notwendigen Reformen warten. Die Ratingagentur S&P hat Frankreich zu Jahresbeginn die Spitzenbonität bereits entzogen und auf "AA+" gesenkt. S&P sieht nach der Wahl keinen unmittelbaren Handlungsbedarf - betont aber zugleich die Möglichkeit weiterer Herabstufungen in diesem oder im nächsten Jahr.

Hollande kann es sich nicht leisten, das Vertrauen der Finanzmärkte zu verlieren. Zwei Drittel der französischen Staatspapiere befinden sich in ausländischer Hand. Und diese sind erfahrungsgemäß viel schneller bereit die Notbremse zu ziehen, als inländische Anleger. Ein Bruch mit der Regierung Merkel passt da nicht ins Bild. Vieles spricht dafür, dass sich Paris und Berlin letztendlich zusammenraufen werden.

 

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Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /07.05.2012 13:42
+++ Griechisches Euro-Ausscheiden wäre katastrophales Szenario +++

Der Chef des temporären Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, hat vor weit reichenden nationalen und internationalen Folgen eines eventuellen griechischen Ausscheidens aus dem Euro gewarnt und die Hoffnung ausgedrückt, dass in den kommenden Tagen in Griechenland der Weg für eine Fortsetzung des Reformkurses eingeschlagen werden kann.

Ein griechisches Ausscheiden aus der Eurozone "wäre wirklich ein katastrophales Szenario" für das Land selbst und für die Gläubiger, warnte Regling bei einer Anhörung im Bundestags-Haushaltsausschuss. "Die Frage, was passieren würde, wenn Griechenland ausscheiden würde und müsste, ist sehr spekulativ", betonte Regling und wollte ausdrücklich "keine Prognose" zu einem solchen Szenario abgeben. "Es wird an den Märkten diskutiert, und seit gestern wieder mehr als vorher", räumte der EFSF-Chef aber ein.

"Griechenland würde in eine katastrophale wirtschaftliche und politische Lage kommen, es würde einen Bankrun geben", warnte der Deutsche. Eine eventuelle neue Währung müsste abgewertet werden, "und das würde bedeuten, dass Griechenland seine Schulden gar nicht mehr bezahlen kann". Dies würde erhebliche Verluste für öffentliche Gläubiger "unabwendbar" machen.

Regling wollte deshalb abwarten, was in den nächsten Tagen in Griechenland mit Blick auf die Regierungsbildung nach der dortigen Wahl vom Sonntag noch passiere. "Wenn die Reformen weitergehen, hat Griechenland tatsächlich eine Chance, aus den Problemen herauszukommen", zeigte er sich überzeugt.
RiskNET Redaktion /07.05.2012 14:02
+++ EFSF-Chef Regling hält Fiskalvertrag und ESM für zukunftsentscheidend +++

Der Chef des temporären Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, hat bei einer Anhörung in Berlin eine rechtzeitige Umsetzung des europäischen Fiskalpakts und des permanenten Rettungsfonds ESM verlangt und vor negativen Marktauswirkungen von Verzögerungen gewarnt.

"Es steht völlig außer Frage, dass Fiskalvertrag und ESM ganz entscheidend sein werden für die Zukunft der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion", sagte Regling bei der Anhörung zu den beiden Gesetzesvorhaben im Bundestags-Haushaltsausschuss. "Beide Gesetze sind für das weitere Funktionieren der Währungsunion ganz maßgeblich." Die Märkte erwarteten, dass sie umgesetzt würden, und dies müssten die einzelnen Parlamente tun.

Regling forderte, die Parlamente müssten die Voraussetzungen schaffen, damit der ESM zum 1. Juli in Kraft treten könne. "Jede Verzögerung würde sicherlich negativ auf die Märkte wirken", warnte der Deutsche.

Ausdrücklich teilte er nicht Besorgnisse, dass der Schutzwall von ESM und Internationalem Währungsfonds IWF zu klein wäre, falls weitere Staaten wie Italien und Spanien Refinanzierungsprobleme bekämen. "Wenn ich mir die Länder ansehe, die oft diskutiert werden, dann wissen wir sehr genau wie hoch der Refinanzierungsbedarf ist", sagte er, ohne die Länder benennen zu wollen.

Ein notfalls zur Verfügung stehendes Volumen von 750 Milliarden Euro sei wesentlich höher als der gesamte Refinanzierungsbedarf aller betroffenen Länder in einem Jahr. "Natürlich wäre es für die Märkte beruhigender, wenn es noch größer wäre", räumte der EFSF-Chef aber auch ein.

Die weltweite Finanz- und Schuldenkrise habe die strukturellen Schwächen der Währungsunion, nämlich eine zu hohe Staatsverschuldung, eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und institutionelle Lücken, schonungslos offengelegt. Die Eurozone habe darauf entschlossen mit nationalen Reformen, europäischen Maßnahmen und der Einrichtung eines Krisenbewältigungsmechanismus reagiert.

"Ich bin überzeugt, dass die europäische Währungsunion mit diesem Maßnahmenbündel aus der Krise gestärkt hervorgehen und in Zukunft besser funktionieren wird," sagte Regling. Allerdings wisse keiner genau, "wann die Krise vorbei ist".

Anders als Regling zeigten sich die Wirtschaftsweisen Lars Feld und Peter Bofinger sowie auch Deutsche-Bank-Chefökonom Thomas Mayer skeptisch, dass die derzeit bereit stehenden Mittel ausreichen. "Das Volumen, das gegenwärtig zur Verfügung steht, um Liquiditätshilfen zu gewähren, ist aus Sicht der Marktteilnehmer nicht hinreichend glaubwürdig", sagte Feld.

Feld warnte mit Blick auf die Wahl in Frankreich zudem ausdrücklich davor, Regelungen des Fiskalpaktes noch einmal zu verändern. "Ein Aufschnüren des Fiskalpaktes wäre ein großer Fehler", sagte er. Dies hätte "noch größere Probleme" zur Folge und würde zu einem zunehmenden Druck auf den Euro führen, warnte er.

Sein Sachverständigenrats-Kollege Bofinger sprach sich hingegen für eine "Neuausrichtung" bei der Bekämpfung der Euro-Krise aus, die er sich nach der Wahl von Francois Hollande zum neuen französischen Präsidenten erhoffte. "Es ist jetzt Zeit, die Strategie noch einmal zu überdenken", sagte er.

Bofinger forderte, die Schulden von Ländern in der Rezession zu strecken, und eine gemeinschaftliche Haftung mit Eurobonds einzuführen, wie sie die fünf Wirtschaftsweisen in dem Konzept eines Schuldentilgungspaktes für die Verbindlichkeiten über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung vorgeschlagen haben. "Entscheidend ist es, die prozyklische Fiskalpolitik in Ländern wie Italien und Spanien nicht fortzusetzen, denn es führt einfach zu negativen Effekten", betonte er. Zudem verlangte der Wirtschaftsweise, eine direkte Bankenkapitalisierung durch den ESM zu erlauben.

Regling widersprach dieser Forderung aber und sagte, dafür habe der Rettungsfonds gar nicht die ausreichenden Möglichkeiten. "Das erfordert eine Expertise und eine Anzahl von Mitarbeitern, die bisher überhaupt nicht gegeben ist", erklärte der EFSF-Chef. Vorstellbar sei eine solche Maßnahme nur längerfristig in dem größeren Zusammenhang eines Bankenrettungsfonds, wofür aber erst einmal Expertise aufgebaut werden müsse. "Das wird viele, viele Jahre dauern und ist sicherlich nicht über Nacht oder in den nächsten Monaten zu erreichen", hob Regling hervor.

Die Deutsche Bundesbank kritisierte die geplante Ausgestaltung des ESM und riet zu einer engen Kontrolle dieses Finanzvehikels durch den Bundestag. "Vor dem Hintergrund der zuletzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm eingeforderten parlamentarischen Kontrolle erschiene es problematisch, wenn der Gouverneursrat des ESM wichtige Elemente wie das Instrumentarium, das Kapital, die Hilfeempfänger und das maximale Ausleihvolumen verändern könnte, gegebenenfalls sogar autonom", heißt es in der Stellungnahme der Bundesbank zu der Anhörung.

"Entscheidend" wird es aus Sicht der Bundesbank daher sein, das ESM-Hilfen nur in dem Fall gewährt werden, dass die Stabilität des gesamten Währungsraums gefährdet ist. Zudem sollten solche Hilfen mit strengen finanz- und wirtschaftspolitischen Auflagen sowie spürbaren Zinsaufschlägen verbunden werden, sagte Bundesbank-Ökonom Karsten Wendorff.

In der Anhörung kam es auch zu einem Schlagabtausch von Koalition und Opposition um die Veranstaltung selbst. Abgeordnete der Opposition bezeichneten die Anhörung als "nur vorläufig", da zum einen nach der Wahl Hollandes der Fiskaplakt neu vehandelt werden dürfte und zum anderen grundgesetzlich relevante Regelungen zum Fiskalpakt noch nicht ausgearbeitet seien.

Vor der Anhörung hatte die Koalition einen Antrag der Grünen nach Absetzung des Fiskalvertrages von der Anhörung gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Der Unions-Budgetexperte Norbert Barthle betonte, es sei "richtig und wichtig", dass die Regelungen wie geplant in der öffentlichen Anhörung diskutiert würden. "Alles andere wäre ein fatales Signal an Europa und die Finanzmärkte", warnt er. Eine Aufweichung des Vertrages werde es "mit der Union nicht geben", stellte Barthle klar.

Im Vorfeld der Ausschuss-Anhörung waren auch verfassungsrechtliche Bedenken laut geworden. Gegen beide Vorhaben hat bereits die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin Verfassungsbeschwerde angekündigt. Sollten die Verträge wie geplant bis Mitte Juni ohne Volksabstimmungen ratifiziert werden, will sie für ein Bündnis mehrerer Organisationen Bürgerklage einreichen. Die SPD hat bereits eine Verschiebung des bis Ende Mai geplanten Bundestagsbeschlusses zum ESM gefordert.
RiskNET Redaktion /09.05.2012 22:17
+++ Angst vor Griechenlands Euro-Austritt wächst +++

Die Finanzmärkte haben bisher auf das neuerliche Chaos in Griechenland relativ ruhig reagiert. Das ist erstaunlich. Denn die Gefahr ist gestiegen, dass sich das Land geradewegs auf den Ausstieg aus der Eurozone zubewegt. Mit schwer absehbaren Folgen.

Die Wahlen vom Wochenende mit ihrem ungewissen Ausgang wurden von vielen Beobachtern als möglicher Anfang vom Ende der griechischen Mitgliedschaft in der Währungsunion gedeutet. Ob freiwillig oder notgedrungen.

Wenn das Land nicht in der Lage ist, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die sich an die Bedingungen des Rettungspakets hält, wird im Juni erneut gewählt. Griechenland würde sich dann auf einen direkten Kollisionskurs mit seinen Rettern aus anderen europäischen Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) begeben.

(Diese Meldung und weitere tiefergehende Berichte und Analysen zu aktuellen Wirtschafts- und Finanzthemen finden Sie auf WSJ.de, dem neuen deutschsprachigen Online-Angebot des Wall Street Journal.)

Doch trotz des politischen Durcheinanders sind immer noch einflussreiche Kräfte am Werk, die die Eurozone zusammenhalten. Und die Investoren, so scheint es, sind zu dem Schluss gekommen, dass der Zeitpunkt für die endgültige Abspaltung noch nicht gekommen ist. Vorerst gehen die Marktteilnehmer davon aus, dass es sowohl für Griechenland als auch den Rest der Eurozone immer noch zu schmerzhaft ist, das gemeinsame Band zu durchschneiden.

Angst um den Euro

In Asien gaben die Märkte im frühen Handel am Mittwoch nach und neue Ängste um die Währungsunion belasteten den Euro. Auch in Europa schlossen die Aktienmärkte am Dienstag mit Einbußen, nachdem sie am Montag noch zugelegt hatten.

Die Gewinne vom Montag hätten über die außerordentlichen Spannungen innerhalb der Eurozone hinweggetäuscht, sagen einige Analysten. Die jetzt langsam einsetzenden Kursverluste seien das erste Anzeichen dafür, dass die Investoren die Schwierigkeiten Griechenlands nun stärker hinterfragten und neu bewerteten.

"Der Markt ist gerade dabei, die wirklichen Risiken zu berechnen", sagt Justin Knight, Analyst bei UBS. "Das köchelt noch so ein bisschen vor sich hin, gewinnt aber schon an Schwung."

Alles hängt davon ab, wie sich das politische Drama in Athen weiterentwickelt. Bei den Wahlen am Sonntag wurden die bisher führenden Parteien an den Rand gedrängt. Nun haben die Radikalen das Sagen, und sie wollen die schmerzhaften Auflagen kippen, die Griechenland dem Rest der Europäer für seine Rettung schuldet.

Am Dienstag war Alexis Tsipras, der Chef der radikalen Linken der Syriza-Partei, mit dem Versuch an der Reihe, eine Regierung zu bilden. Sein konservativer Gegenspieler von der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, war daran am Montag gescheitert und hatte sein Sondierungsmandat niedergelegt. Die Nea Dimokratia war als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen, hatte aber massive Verluste erlitten.

Griechenland solle sich von den Budgetkürzungen abwenden, die das Rettungspaket von dem Land verlangt, forderte Tsipras. Das "Urteil des Volkes" bei der Wahl hätte die Sparmaßnahmen für null und nichtig erklärt. Seine Partei holte allerdings nur 52 der 300 Parlamentssitze. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass Tsipras eine Regierungskoalition zustande bringen kann. Nach dem Willen der europäischen Retter muss die griechische Regierung - wie auch immer sie aussehen mag - bis Juni Etateinschnitte über 11,5 Milliarden Euro für die Jahre 2013 und 2014 präsentieren.

Sollte Griechenland aus dem Euro aussteigen, wären die Folgen gravierend. Die Schuldenkrise wirkte auch deshalb so stark, weil den Finanzströmen ein doppelter negativer Effekt innewohnte: Aus den schwachen Ländern flossen Spareinlagen ab, was den dortigen Bankensektor aushöhlte. Zugleich zogen sich Investoren aus den Staatsanleihen dieser Länder zurück und flohen in den sicheren Hafen Deutschland. Ein plötzlicher Stimmungswandel würde reichen, um den prekären Status Quo umgehend auszuhebeln.

Nach Ansicht vieler Beobachter schlägt Griechenland nun einen unvorhersehbaren Weg ein. War die Nation vor den Wahlen im Zuge der tiefen Rezession bereits einer Zerreißprobe ausgesetzt, kommt jetzt noch die Demütigung der zwei Parteien dazu, die dem Land zwei Generationen lang zumindest annäherungsweise Stabilität verliehen hatten.

"Die Märkte haben das Risiko definitiv noch nicht ausreichend berücksichtigt", urteilt Lefteris Farmakis, Stratege bei Nomura in London. "Ich verstehe nicht, warum der Markt keine länger andauernde Instabilität einpreist."

Sollten sich die Anzeichen für ein Ausscheiden Griechenlands häufen, dürfte eine Flucht aus den Ländern am Rande Europas nur schwer zu verhindern sein. Ein tatsächlicher Austritt dürfte auf Euro lautende Verträge in Mitleidenschaft ziehen, was nicht nur Folgen für den Finanzsektor hätte, sondern auch für die Realwirtschaft. Ohne die Garantie, dass eine Euro-Rechnung tatsächlich in Euro beglichen wird, könnten Unternehmen nicht mehr bereit sein, in anfälligen Staaten Geschäfte abzuschließen oder Handel zu betreiben.

"Es ist ganz natürlich, dass sich die Investoren nach anderen Ländern umschauen", sagt UBS-Analyst Justin Knight. Ausländische Anleger hätten das ganze Jahr über spanische und italienische Staatsanleihen abgestoßen. Diese Papiere litten unter einer Nachfrageschwäche, die sich "sehr, sehr schnell ausweiten" könnte. Auch Bankeinlagen in Spanien und Portugal stünden momentan eher wackelig da.

Und selbst wenn es alle Beteiligten vorziehen würden, das Chaos eines griechischen Euro-Ausstiegs zu vermeiden, könnten die Staatsanleihen des Landes dennoch in mehrfacher Hinsicht ins Straucheln geraten.

Marchel Alexandrovich, Volkswirt bei Jefferies & Co, fürchtet, dass der IWF weitere Kredite an Griechenland bald nicht mehr zu zahlen bereit sein dürfte. Der Fonds ist mit den bisherigen Leistungen des Landes nicht zufrieden.

Gut möglich ist auch, dass aus dem politischen Durcheinander eine neue Regierung hervorgeht, die den Rettungspakt offen zurückweist. Dann stünde Griechenland ohne Hilfsgelder da. Sollte die offizielle Unterstützung des IWF oder der anderen europäischen Länder gekappt oder reduziert werden, stünde die griechische Regierung ohne frisches Geld da. Sie braucht aber mehr Geld, um weiter machen zu können.

Nach Ansicht von UBS-Analyst Knight könnte sie versuchen, die Zahlungen an Zulieferer und Regierungsangestellte hinauszuzögern und von den verbleibenden Mittel zu leben. Irgendwann aber käme Griechenland unweigerlich an einen Punkt, an dem es sich "etwas anderes einfallen lassen müsste", sagt Knight. Ohne Ausgabenkürzungen bleibe dem Land dann wohl nichts anderes übrig, als neues Geld zu drucken, um für die Regierungsdienste zu zahlen.

Trotz all der Fragezeichen gibt es dennoch gute Gründe, warum das System auch mit Griechenland weiter Bestand haben könnte - zumindest kurzfristig.

Griechenland dürfte der Austritt schwer fallen

Erstens dürfte es Griechenland schwer fallen, einfach auszutreten. Selbst wenn das Land die Rückzahlung all seiner Schulden einstellen würde, gäbe die Regierung immer noch mehr aus als sie einnimmt. Das Geld aus dem Rettungspaket ist das einzige, was diese Lücke derzeit füllt. Ohne den Rettungsschirm hätten die Griechen keine andere Wahl, als noch mehr von den schmerzhaften Einschnitten hinzunehmen, gegen die sie sich jetzt so vehement wehren.

Zweitens sind die Regierungen Europas, die Europäische Zentralbank und der IWF durch die Rettungsaktionen nun zu den Hauptgläubigern Griechenlands geworden. Griechenland ausscheren zu lassen, würde einigen von ihnen mit Sicherheit Verluste bescheren.

Das vor zwei Jahren beschlossene Rettungsprogramm und die massive Umschuldung in diesem Jahr haben allerdings schon dazu beigetragen, das europäische Bankensystem und den Privatsektor vor einem weiteren Übergreifen der griechischen Probleme zu schützen.

Viele Banken haben ihre Engagements in Griechenland längst abgeschrieben oder komplett aufgelöst. Die öffentliche Hand übernahm einen Großteil der Investments.

Im Moment habe das Zentrum Europas habe mehr zu verlieren als Griechenland, sagt William Porter, Leiter der Kreditstrategie bei Credit Suisse in London. Aber auch er blickt eher verhalten in die Zukunft - wie viele seiner Kollegen. Je länger sich der Prozess hinziehe, sagt er, "desto vorteilhafter wird ein Austritt für Griechenland."
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