So wie es aussieht, läuft das Superprogramm zur Rettung des Euro, das die Staats- und Regierungschefs der EU diese Woche in Brüssel verabschieden werden, im Kern auf einen einzigen Punkt hinaus: Einen Schuldenschnitt für Griechenland. Alles andere ist Beiwerk. Das Bankenprogramm soll verhindern, dass die Kreditwirtschaft dadurch in Schwierigkeiten gerät. Die "effizientere Nutzung" der Mittel der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF dient dazu, Ansteckungseffekte von Griechenland, vor allem auf Italien, zu verhindern. Die geplanten Änderungen an den Lissabon-Verträgen sind noch sehr vage. Ich habe an dieser Stelle schon gesagt, dass mit einem solchen, allein auf Griechenland fokussierten Programm, die Probleme des Euro nicht gelöst sind. Aber kommt damit wenigstens Athen auf die Beine?
Um die Frage zu beantworten, habe ich mir noch einmal den Fall Argentinien angeschaut. Das südamerikanische Land stellte Ende 2001 die Zahlungen auf seine Schulden ein. Ein Jahr später ging es mit der Wirtschaft wieder kräftig bergauf. 2003 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt um 9 %. In den drei folgenden Jahren erhöhte sich die Wirtschaftsleistung noch einmal um 7 bis 9 %. Fünf Jahre nach dem Schuldenschnitt lag das reale Bruttoinlandsprodukt etwa 50 % über dem Niveau zum Höhepunkt der Krise (siehe Grafik). Die Aktienkurse in Buenos Aires haben sich von 2001 – 2007 mehr als verzehnfacht. So etwas wäre ein Traum für Griechenland. Kann man sich das vorstellen?
Verdient hätten es die Griechen. Sie haben in den letzten zwei Jahren unglaubliche Einschränkungen hinnehmen müssen. Das öffentliche Defizit hat sich um 12,5 Prozentpunkte verringert (ohne Schuldendienst und bereinigt um Konjunktureffekte). Das ist mehr als ein Industrieland in den letzten 25 Jahren je gespart hat. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um 5 % sinken, nachdem es schon in den letzten zwei Jahren um fast 7 % zurückgegangen ist.
So wie in Argentinien? Wachstum in Griechenland und Argentinien [Quelle: IWF]
Trotzdem sieht es nicht so aus, dass eine unmittelbare Besserung wie in Argentinien bevorsteht. Die strikten Sparauflagen der Troika von IWF, EU und EZB gelten aller Voraussicht nach auch nach dem Schuldenschnitt. Es könnte sogar sein, dass sie noch verschärft werden. Denn die Griechen setzen die Maßnahmen nicht konsequent um. Die Privatisierung kommt nicht voran. Die Steuereintreibung lässt zu wünschen übrig. Die Bevölkerung revoltiert gegen die Maßnahmen. Wie soll bei andauernden Streiks die Wirtschaft wieder in Gang kommen? Da müssen die Griechen noch nachlegen. Das kostet weiteres Wachstum.
Darüber hinaus stimmt aber auch das Konzept nicht. Es muss ergänzt werden. Es setzt im Wesentlichen auf Sparen. Mit Sparen allein aber – das lehren sowohl die Theorie als auch die Lebenserfahrung – erzielt man keinen ausgeglichenen Haushalt. Das wird auch für Italien gelten, das derzeit seine Konsolidierungsanstrengungen noch verstärkt.
Bei allen Sanierungen, die der IWF in anderen Ländern mit Erfolg durchgezogen hat, kam zum Sparen und immer auch eine Abwertung der Währung. Auch in Argentinien gab es eine Abwertung, obwohl sich das Land damals vom IWF losgesagt hatte. Durch die Wechselkursveränderung verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit und die Exportwirtschaft kann wieder auf die Beine kommen.
Dieser Weg fällt in Griechenland wegen der Währungsunion aus. Keiner der Offiziellen in Brüssel oder in Athen will einen Austritt des Landes aus dem Euro. Wenn das aber nicht der Fall ist, muss man über andere Maßnahmen nachdenken. Das kann nur ein Wachstums- und Investitionsprogramm für die griechische Wirtschaft sein. Neben dem Tourismus-, Schifffahrts- und Reedereigeschäft müssten zusätzliche Produktionen, zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien, aufgebaut werden. Das Land hat Sonne und Wind zum Überfluss. Für Mitteleuropa wäre es einfacher, Strom aus dem Peloponnes zu importieren, statt dies über Desertec aus Nordafrika zu tun.
Gelder aus den europäischen Hilfstöpfen sollten also nicht, oder jedenfalls nicht überwiegend, in die allgemeine Haushaltsfinanzierung fließen sondern in produktive Investitionen. Voraussetzung ist freilich eine entsprechende Corporate Governance. Investitionen müssen zügig und ohne bremsende Auflagen genehmigt werden. Gelder dürfen nicht in dunklen Kanälen versickern. Rechnungen müssen ordnungsgemäß bezahlt werden.
Solche modernen Verwaltungsstrukturen zu etablieren ist schwierig und kostet Zeit. Vielleicht wird am Ende nichts anderes übrig bleiben, als Experten aus Brüssel und anderen Städten auf Zeit nach Griechenland zu entsenden, um ein Reformprogramm durchzusetzen. Das ist in einer so stolzen und demokratischen Gesellschaft wie Griechenland aber nicht einfach.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
[Bildquelle: iStockPhoto]
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Europas Banken brauchen bis Mitte nächsten Jahres weitere 106,4 Mrd EUR frisches Kapital, um ihre Kapitalerfordernisse zu decken. Die europäische Bankenaufsicht (EBA) bezifferte damit erstmals den Kapitalbedarf, der sich aus ihrer Sicht ergibt, um den Wertverfall der Staatsanleihen der Eurozone abzuschirmen. Die EBA empfahl den Banken, ein hartes Kernkapital (Core Tier 1) von 9% aufzubauen.
Besonders betroffen sind Banken in Südeuropa. Griechische Banken benötigen laut EBA zusätzliche 30 Mrd EUR, spanische Institute 26 Mrd EUR und italienische Banken fast 15 Mrd EUR. Den zusätzlichen Kapitalbedarf deutscher sowie französischer und portugiesischer Banken gab die EBA mit 5 Mrd, 9 Mrd und 8 Mrd EUR an. Banken aus Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Luxemburg bescheinigte die EBA eine ausreichende Kapitalausstattung.
Untersucht wurde die Situation bei 70 großen Instituten. Namen einzelner Banken wurden nicht genannt. Die EBA empfahl den Instituten, die Kapitalmärkte anzuzapfen, Gewinne einzubehalten oder Dividenden und Boni zu kürzen. Ferner bestehe die Möglichkeit, existierende Hybridanleihen in andere Instrumente wie Aktien oder "bedingtes Kapital" umzuwandeln.
Griechenlands Kreditwürdigkeit würde sich nach Aussage der Ratingagentur Fitch im Falle eines 50-prozentigen Schuldeschnitts und einem damit verbundenen Default nicht dramatisch verbessern. "Die Einladung der EU an private Inhaber griechischer Staatsanleihen zum Umtausch in neue mit einem um 50% niedrigeren Nennwert würde zu einem 'Nach-Default-Rating' in der 'B'-Kategorie oder niedriger führen", heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. Gegenwärtig stuft Fitch Griechenlands Bonität mit "CCC" ein, das sind vier Stufen oberhalb des Default-Ratings "D".
Fitch verwies darauf, dass Griechenlands Verschuldung auch nach einem Schuldenschnitt von 50% noch hoch wäre und seine Wachstumsaussichten schwach, wobei der Wille, Strukturreformen umzusetzen, schwinden könnte. "Das würde das Potenzial für eine wirtschaftliche Transformation einschränken und die Tragbarkeit der öffentlichen Schulden unterminieren", warnte Fitch.