Nach einem nächtlichen Treffen von EU-Spitzenbeamten bringt Griechenland eine mögliche Inanspruchnahme des Euro-Rettungsfonds EFSF ins Spiel. Man prüfe die Option, den Rettungsfonds im kommenden Jahr zu nutzen, sofern die Regierung sich am Kapitalmarkt nicht refinanzieren könne, sagte der Finanzminister Giorgos Papaconstantinou am Samstag. "Die Märkte misstrauen unserem Land weiterhin", sagte der Politiker zu Reportern. "Wir müssen unsere nächsten Schritte für 2012 und 2013 planen."
Die Andeutung des Finanzministers, möglicherweise den Euro-Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen, ist die erste öffentliche Äußerung eines griechischen Offiziellen zu dieser Handlungsoption. Die hohe Schuldenlast des Landes war am Freitagabend in Luxemburg Thema eines Treffens hochrangiger Eurozone-Offizieller. Ein Austritt aus der Währungsunion sei kein Thema gewesen, hatten Teilnehmern des Treffens im Anschluss erklärt.
Die Europäische Kommission teilte mit, dass an dem Treffen in Luxemburg die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens und Griechenlands teilgenommen hätten. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn und Eurogruppe-Vorsitzender Jean-Claude Juncker seien dabei gewesen. Es seien keine Entscheidungen getroffen worden, betonte die Kommission.
Während der Beratungen hatte Griechenland die anderen Länder der Eurozone gebeten, die Defizitziele des Landes abzuschwächen, da es schwierig sei, den im vergangenem Jahr auferlegten Sparkurs einzuhalten, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Regierung eines Eurozone-Landes am Samstag. Griechenland habe eingeräumt, dass man sich wahrscheinlich im kommenden Jahr nicht an den Bondmärkten werde refinanzieren können und demzufolge den EFSF in Anspruch nehmen müsse. Ein Vorschlag Deutschlands, die Laufzeiten der 2012 fällig werdenden griechischen Schulden eventuell zu verlängern, sei bei dem Treffen auch diskutiert worden, fügte die Person hinzu.
Die griechische Staatsverschuldung hat früheren Angaben zufolge mittlerweile ein Niveau von rund 140% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht. Die EZB und die EU-Kommission vertreten seit Wochen die Position, dass Griechenland seine Staatsfinanzen ohne Schuldenschnitt in den Griff bekommen könne.
Bei dem Wunsch Griechenlands, die Defizitziele abzumildern, gehe es vor allem um das Budgetdefizit-Ziel von 3% des BIP, dessen Erreichen um mindestens zwei Jahre nach hinten verschoben werden solle. Athen habe zudem andere Eurozone-Länder darum gebebeten, die Rückzahlungsfrist für den Hilfskredit über 110 Mrd EUR von vergangenem Jahr weiter aufzuschieben.
Erst im März hatte die EU ihren Hilfskredit über 80 Mrd EUR auf sieben von drei Jahren verlängert. Für die Tranche des Internationalen Währungsfonds über 30 Mrd EUR wird im Juni das gleiche erwartet.
Nach Angaben aus Teilnehmer-Kreisen hat die Anfrage Griechlands nach milderen Defizitzielen nicht die Zustimmung Deutschlands und anderer Teilnehmer erhalten. Offizielle aus Deutschland seien darüber besorgt, dass die griechische Regierung den politischen Willen verliere, durch fiskalische Einschnitte und Strukturreformen die Probleme zu beheben.
Weitere Hilfen hat Deutschland demzufolge von der Bedingung abhängig gemacht, dass Griechenland seine bisherigen Bemühungen verdoppele und zudem beschleunige. Bei dem Treffen hätten die deutschen Vertreter klar gemacht, dass jeder weiterer Kredit für Griechenland Teil eines ganzen Pakets sein müsse, dass sowohl harte Reformen als auch Gespräche zwischen Griechenland und seinen Anleihegläubigern über eine freiwillige Streckung der griechischen Anleiheverbindlichkeiten beinhalten müsse.
Gegen eine Umschuldung seien aber die EZB, die Europäische Kommission, Frankreich und weitere Teilnehmer gewesen. Es gebe dabei starken Widerstand von Trichet, sagte ein Eurozonen-Offizieller und fügte hinzu, dass das Thema Griechenland ausführlich bei einem Treffen der Finanzminister der Europäischen Union am 16. und 17. Mai diskutiert werde.
Juncker hatte Journalisten nach dem Treffen am Freitag gesagt, dass Griechenland ein weiteres Anpassungsprogramm benötige. Details hierzu nannte er nicht. Er schloss aber eine Restrukturierung der Staatsschulden aus. "Wir haben nicht über den Austritt Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion gesprochen", sagte Juncker.
"Spiegel Online" hatte berichtet, die griechische Regierung erwäge, die Eurozone zu verlassen und wieder eine eigene Währung einzuführen. Ein Zentralbank-Offizieller hatte dies umgehend als falsch bezeichnet.
Deutsche Ökonomen warnen vor einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. "Wenn die Drachme wieder eingeführt würde, stürmten die Griechen die Banken, um sich ihre Guthaben noch in Euro auszahlen zu lassen", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank der Tageszeitung "Die Welt" (Montagausgabe). Einen solchen Ansturm hielte kein Bankensystem der Welt stand.
Anders äußerte sich Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener Ifo-Instituts. Er hatte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt: "Der Austritt aus dem Euro wäre das kleinere Übel." Wenn Griechenland aus dem Euro austräte, könnte es abwerten und wettbewerbsfähig werden. "Aber es gabe freilich sofort einen Bank-Run, und die Banken wären pleite." Allerdings würde ein Bank-Run viele Milliarden Euro kosten, für die wiederum Europas Steuerzahler aufkommen müssten.
Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält daher wenig von solchen Spekulationen: "Ich glaube, dass ein Austritt Griechenlands zu einer EU- und EWU-Krise führen könnte", sagte er.
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Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat die Kreditwürdigkeit Griechenlands wegen einer möglichen Verlängerung der Rückzahlungsfristen für EU-Kredite erneut gesenkt. Wie S&P am Montag mitteilte, liegt die Bonitätsnote für langlaufende Staatsanleihen des Landes nun bei "B" nach zuvor "BB-". Kurzlaufende Papiere werden mit "C" bewertet (zuvor: "B"). Der Ausblick für die Bonitätsnote der Papiere bleibe weiterhin "negativ", was bedeutet, dass weitere Abstufungen folgen können. Bereits Ende März hatte S&P Griechenland eine geringere Kreditwürdigkeit bescheinigt.
Die Kreditwächter begründeten die jüngste Abstufung mit der Stimmungslage in der Eurozone, die eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen für 80 Mrd EUR an Finanzhilfen von der EU-Kommission wahrscheinlicher erscheinen lasse. "Wir vermuten, dass die EU-Geberländer als Teil einer solchen Streckung eine ähnliche Behandlung kommerzieller Gläubiger in Form einer ähnlichen Verschiebung von Fälligkeiten ansteben würden", heißt es in der Mitteilung.
Zudem verwies S&P darauf, dass die griechische Regierung ihr Ziel einer Senkung des Haushaltsdefizits im vergangen Jahr verfehlt habe. Statt der angestebten Quote von 9,6% habe sich der Fehlbetrag in der Staatskasse auf 10,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Ob das Ziel für 2011 erreicht werde, sei indes ungewiss.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach Inkrafttreten des 110 Mrd EUR schweren Hilfspakets von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Zugangsbeschränkungen für griechische Staatspapiere im Rahmen geldpolitischer Operationen aufgehoben. Herabstufungen haben damit zumindest in dieser Hinsicht kurzfristig keine Bedeutung.
Deutsche Finanzpolitiker halten einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone für abwegig und plädieren stattdessenfür neue Hilfsmaßnahmen der EU-Partner, um das Land vor der Pleite zu bewahren. "Die Reduzierung des Zinssatzes oder die Verlängerung der Laufzeiten auf freiwilliger Basis sind denkbar", sagte der finanzpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Klaus-Peter Flosbach (CDU), "Handelsblatt Online" (HB). Beides verschaffe erstmal Luft. "Das muss in jedem Fall kommen, bevor über einen Schuldenschnitt nachgedacht wird."
Eine Umschuldung im Sinne eines Schuldenschnitts sei das letzte Mittel und komme nur dann in Frage, wenn sie unausweichlich ist. "Dazu müssten sämtliche Reformmaßnahmen ausgeschöpft und erfolglos geblieben sein. Und das sehe ich derzeit nicht." Einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone hält Flosbach für fatal. "Die Folgen wären nicht absehbar", sagte er. "Diese Krise müssen wir zusammen meistern."
Der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, erklärte dagegen, wenn Griechenland aus der Eurozone aussteigen wolle, sei dies die autonome Entscheidung der Hellenen. "Wir sollten dies dann positiv unterstützen, denn wir sehen jetzt, dass die Griechenland-Hilfe und die Sparauflagen wie Brandbeschleuniger gewirkt und die Krise weiter verschärft haben", sagte Schäffler "Handelsblatt Online". Dessen ungeachtet ist er der festen Überzeugung, dass das Land um eine Umschuldung nicht herumkommen werde. "Je länger diese Entscheidung hinausgezögert wird, umso teurer wird es auch für den deutschen Steuerzahler."
Auch der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick hält eine Umschuldung Griechenlands für notwendig. Außerdem müsse das Sanierungsprogramm für Griechenland weiter korrigiert werden. "Es ist doch sinnvoll, den Refinanzierungsvorteil der starken europäischen Staaten an den Kreditnehmer Griechenland weiterzugeben, anstatt dem Land noch zusätzliche Lasten aufzubürden", sagte Schick "Handelsblatt Online".
Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone würde nach Schicks Einschätzung massive ökonomische Probleme für alle Beteiligten auslösen, insbesondere für den griechischen Bankensektor und die Verschuldungssituation des Landes. "Er wäre auch ein gefährliches Signal, dass weitere Elemente der europäischen Integration zur Disposition stehen könnten", sagte er. Im deutschen Interesse könne ein Austritt Griechenlands jedenfalls nicht sein.
Ähnlich äußerte sich der SPD-Finanzexperte Carsten Sieling. "Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone zum jetzigen Zeitpunkt wäre nichts anderes als Harakiri", sagte Sieling "Handelsblatt Online". Dies wäre mit "enormen Verwerfungen und unabsehbaren Konsequenzen für das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem in Europa verbunden". Dass die Finanzlage Griechenlands prekär sei, stehe indes außer Frage, sagte Sieling. Die Europäischen Stabilisierungsmaßnahmen seien richtig.
"Notwendig ist jetzt eine wirklich abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik, um diesen zentralen Konstruktionsfehler der Euro-Einführung zu überwinden", fügte der Finanzpolitiker hinzu. Dazu gehöre auch die Einführung von Euro-Bonds. "Es braucht mehr Europa statt weniger", so Sieling. "Deshalb muss das Geplapper vom Euro-Austritt Griechenlands endlich aufhören."