Kommentar

Griechenlandkrise: Der Countdown läuft


Griechenlandkrise: Der Countdown läuft News

Die Griechenlandkrise nimmt langsam präsidiale Ausmaße an – alles ist bereits gesagt, aber nichts entschieden. Das sendet ein fatales Signal an die Märkte, da seit zwei Jahren versucht wird, einen Zahlungsausfall Griechenlands zu vermeiden und man es versäumt hat, glaubwürdige Mechanismen zu etablieren, um den Druck von der Eurozone zu nehmen. Letztlich steht Griechenland trotz der bereits empfangenen Gelder aus dem ersten Rettungspaket schlechter da denn je. Angesichts des anstehenden Refinanzierungsbedarfs muss in den nächsten Wochen eine Entscheidung getroffen werden. Der Countdown läuft.

Zehn: Die ganze Wahrheit über Rating-Agenturen

Die sicher nicht letzte Herabstufungswelle europäischer Staaten durch S&P hat europaweit Empörung hervorgerufen. Frankreich und Österreich haben ihr AAA-Rating verloren, Spanien ist von AA- auf A und Italien von A auf BBB+ herabgestuft worden und konsequenterweise hat das zu einer Herabstufung des EFSF geführt. Wenn man sich die Äußerungen von Seiten der Politik anhört, fühlt man sich unweigerlich an die früheste Kindheit erinnert. Es wäre ungerecht Frankreich herabzustufen, während Großbritannien oder die USA ihre Bestnote behalten dürften. Zudem ruft der Zeitpunkt der Herabstufungen vor dem Hintergrund der aktuell anstehenden Lösungsversuche Verschwörungstheoretiker hervor, die in den Aktionen der amerikanischen Agenturen wirtschaftliche Interessen Amerikas vermuten. Einmal abgesehen davon, dass diese Vermutungen jeglicher Fakten entbehren, lässt sich offensichtlich nicht leugnen, dass die Rating-Agenturen nur das nachholen, was der Markt seit Monaten bereits in den Risikoaufschlägen für Länderanleihen diskontiert – nämlich eine sich verschlechternde fiskalische Situation vieler Europäischer Staaten. 

In solchen Situationen macht es oftmals Sinn, sich auf die relevanten Fakten zu konzentrieren. Wir haben noch nie an Rating-Agenturen geglaubt, deshalb trauen wir uns eine gewisse Objektivität bei der Beschreibung derselben zu. 

Das Geschäftsmodell einer Rating-Agentur basiert nun einmal darauf, öffentlich verfügbare Informationen in eine Skala zu transferieren, die letztlich eine sehr komplexe Analyse in eine einfache Bewertung transformiert. Hierbei folgen die Rating-Agenturen einem transparenten Schema, wobei sich natürlich nicht alle relevanten Faktoren quantifizieren lassen. Eine Rating-Agentur hat einen gewissen Bewertungsspielraum, allerdings können Ratings nicht willkürlich vergeben werden. Aufgrund von historischen Daten werden Ausfallmatrizen aufgestellt und Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen Rating-Abstufungen berechnet. Ein Rating beschreibt letztlich nichts anderes, als einen zu erwartenden Verlust, welcher sich aus der Ausfallwahrscheinlichkeit und der im Falle eines Zahlungsausfalls angenommenen Verwertungsquote ergibt. 

Man kann natürlich an den Bewertungsmodellen zweifeln, aber aus der Perspektive des Investors sollte die Meinung einer Rating-Agentur als zusätzliche Informationsquelle dienen, sie kann allerdings die eigene Kreditanalyse nicht ersetzen. Falls eine Rating-Agentur aus Sicht der Investoren keine brauchbaren Zusatzinformationen liefert, wird der Emittent nicht bereit sein, dafür Geld zu bezahlen und Schumpeter's Kraft wird walten und die Agentur wird ihren Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Der entscheidende Grund, warum dies in der Praxis nicht der Fall ist, ist durch die regulatorischen Autoritäten selbst verursacht. Erst diese haben den Bewertungen von Agenturen einen festen Platz im Finanzmarktgefüge zugewiesen, indem diese in den regulatorischen Anforderungen festgeschrieben wurden. Die Finanzmarktaufsichten und die EZB verwenden Qualitätsstufen zur Risikoeinschätzung, zur Sicherheitenhinterlegung etc. Dass Agenturen Fehler machen haben diese seit ihrem Bestehen immer wieder bewiesen – solange es einen selbst nicht trifft, nimmt man aber keinen Anstoß. 

Seit dem Ausbruch der Subprime-Krise stehen die Rating-Agenturen in der Kritik, da sie die fatale Verschlechterung der Kreditqualität, vor allem von strukturierten Kreditprodukten, zu spät in ihren Bewertungen berücksichtigt haben. Und das ist völlig zutreffend. Die Modelle zur Bewertung von bspw. CDOs waren fehlerhaft und basierten auf denselben Annahmen, die von der großen Mehrheit aller Marktteilnehmer geteilt wurden. Viele der potenziellen Probleme dieser Modellierungsansätze waren hinlänglich bekannt, solange das Geschäft aber gut lief, hat sich niemand beschwert. Eines kann man den Rating-Agenturen allerdings nicht vorwerfen und das ist interessanterweise genau der Vorwurf, der bis heute am weitesten verbreitet ist; und zwar, dass eine Subprime Tranche doch nie ein AAA-Rating bekommen kann, wenn dieses in der Regel nur den finanzstärksten Staaten vorbehalten ist. Die Agenturen haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass es keine globale Rating-Skala gibt. Das heißt, ein AAA ist eben kein AAA oder anders ausgedrückt, ein AAA bei einem Staat bedeutet etwas völlig anderes (im Sinne der Ausfallwahrscheinlichkeit, des erwarteten Verlustes, der Herabstufungswahrscheinlichkeit etc.) als ein AAA eines strukturierten Kreditprodukts. Eine Bewertung obliegt demnach immer einer relativen Betrachtung, sie stellt aber niemals ein absolutes Maß dar. Auch nicht bei Staaten.

Rating-Agenturen werden bezahlt und zwar in der Regel vom Emittenten der Anleihe und eben nicht von den Investoren. Es liegt in der Natur der Sache, dass daraus Anreizprobleme entstehen, wobei der Investor die schwächste Position hat. Genau deshalb leisten sich große Marktteilnehmer eben auch eigene Analyseabteilungen und diese haben durchaus ihre Berechtigung. Rating-Agenturen sind nicht unabhängig (es handelt sich hier um Aktiengesellschaften!), aber das ist beileibe keine Neuigkeit.

Wie so oft in der Vergangenheit, hinken auch diesmal die Rating-Agenturen dem Markt hinterher. Die für Frankreich und Konsorten verlangten Risikoaufschläge (am offensichtlichsten abzulesen am CDS-Markt) in den letzten Monaten, implizieren noch weitere Herabstufungen. Wenn die Investoren diese Aufschläge ohnehin verlangen, ist es auch völlig egal, wenn die Rating-Agenturen diese Herabstufungen auch nachvollziehen. Das Problem besteht ja nur darin, dass etwaige regulatorische Trigger-Levels erreicht werden können. Aber ob Frankreich von S&P als AAA oder als AA+ gesehen wird, ist aus einer Risikoperspektive relativ irrelevant, wie sich aus nachfolgender Transitionsmatrix von S&P ablesen lässt. 

Tabelle 01: Sovereign Foreign-Currency Most Recent 10-Year Transition Matrix (Quelle: S&P)
Tabelle 01: Sovereign Foreign-Currency Most Recent 10-Year Transition Matrix (Quelle: S&P)

An dieser Tabelle lässt sich das Rating ablesen, das ein ursprünglich AAA oder AA bewertetes Land nach 10 Jahren aufweist. Zumindest so viel wird deutlich: In der S&P-Statistik ist weder ein AAA noch ein AA Land innerhalb von 10 Jahren zahlungsunfähig geworden.

Man muss sich nur Folgendes vorstellen: Ein globaler Herabstufungswettlauf zwischen den drei relevanten Agenturen führt dazu, dass das beste vergebene Rating ein Single-A darstellt, alle Abstände zwischen den Ländern jedoch gleich bleiben. In diesem Fall ist nicht davon auszugehen, dass es zu signifikanten Reallokationen kommt, da absolute Bewertungen – wie oben dargestellt – völlig irrelevant sind. Und zu guter Letzt stellt Japan das beste Beispiel dar, dass auch ein bei AA- eingestuftes Land sehr niedrige Refinanzierungskosten aufweisen kann. Trotz des schlechteren Ratings liegen die Refinanzierungskosten Japans unter denen Frankreichs. Das Rating allein kann also nicht der ausschlaggebende Faktor sein. Rating-Agenturen wird letztlich ein Status zugeschrieben, dem sie selber nicht gerecht werden können.

Neun: Die zwei Gesichter der EZB

Wir haben im vergangenen Jahr argumentiert, dass Staatsanleihenkäufe der EZB die Ursache der aktuellen Situation in Europa nicht heilen, sehr wohl aber zu einer Beruhigung des Marktes beitragen können ("Der angelsächsische Weg der Krisenbekämpfung"). Und das weiß auch die EZB. Um den politischen Druck zu reduzieren, hat man sich für eine elegante Lösung entschieden, nämlich der Bereitstellung von extrem günstiger Refinanzierung (1 %) über einen 3-Jahres-Tender mit einem Volumen von knapp Euro 500 Mrd. Ein Großteil dieser Liquidität wird in Europäische Staatsanleihen fließen. Das ist für die Banken eine "Free Lunch"-Situation und die Finanzierung von Staaten war für Banken noch nie so profitabel wie jetzt. Die EZB hat mit diesem Schritt einen Weg gefunden, direkte Staatsanleihenkäufe zu substituieren und hat sich damit auch selbst aus der Schusslinie genommen. Auch die Kritik geldpolitischer Hardliner ist überraschend moderat ausgefallen, obwohl rein ökonomisch betrachtet das Risiko natürlich weiterhin bei der EZB liegt, während Banken die potenziellen Gewinne verbuchen. Letztlich wurden mit dieser Maßnahme zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Refinanzierungskosten der Staaten gesenkt und gleichzeitig der Bankensektor stabilisiert. 

Die ersten Erfolge dieser Strategie waren bereits im Januar zu erkennen. Die Nachfrage nach Staatsanleihen, quasi-Staatsanleihen und auch Financial Bonds ist enorm gestiegen. Zwei Entwicklungen sind hierbei besonders hervorzuheben:

  1. Anleihen, die staatliche Garantien haben (und deshalb risikobetrachtet denselben Status wie Staatsanleihen haben, jedoch mit weitaus höherem Spread handeln), werden von Investoren stark nachgefragt. Vor allem irische staatsgarantierte Bankanleihen sind hier zu nennen. Das billige Geld fließt also seiner profitabelsten Verwendung zu, wobei es wieder zu dem klassischen Anreizproblem kommt, dass derjenige, der den potenziellen Gewinn macht, eben ein anderer ist, als derjenige, der das Risiko trägt.
  2. Dies wird umso deutlicher, da auch qualitativ schlechtere Bankanleihen (bspw. von portugiesischen Banken) stark von dem durch die EZB finanzierten Nachfrageschub profitieren können, vor allem solche bis zu einer Fälligkeit Ende 2014. Das heißt, die Banken rechnen gar nicht damit, die Liquidität nur kurzfristig zwischen zu parken, sondern damit, diese Anleihen bis zur Fälligkeit vollständig durch die EZB zu refinanzieren.

Wenn sich die europäischen Banken nicht allzu ungeschickt anstellen, werden sie auf die EUR 500 Mrd. bis zu EUR 50 Mrd. risikolos verdienen. Sie dürfen nur eines nicht tun: Das Geld an die Realwirtschaft durchreichen. Man kann jeder Aktion aber auch etwas Positives abgewinnen und das ist auch diesmal der Fall: In so einem Szenario muss man sich über Güterpreisinflation keine Sorgen machen. Das einzige, was inflationiert wird, sind Staatsanliehen und Anleihen von Finanzinstituten.

Acht: Der Bluff I – Die legale Dimension

In den letzten Tagen sind einige Gerüchte bezüglich eines möglichen gesetzlichen Eingriffs Griechenlands in die Strukturierungsmechanismen griechischer Anleihen aufgekommen. Neben der Möglichkeit, nachträglich so genannte CAC-Klauseln (Collective Action Clauses) einzuführen, um mit einer Mehrheitsbeteiligung der Investoren in griechischen Anleihen eine Restrukturierung derselben zu erreichen, wurde im Markt sogar eine Besteuerung der Rückzahlung von griechischen Anleihen diskutiert, wodurch die Mittel aus fällig gewordenen Anleihen zum großen Teil wieder dem Staat zugeführt werden sollen. Ohne über die juristischen Fähigkeiten zu verfügen, diese Versuche im Detail zu bewerten, lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen, welche die grundlegenden Probleme solcher "Lösungsansätze" verdeutlichen. Hierbei gibt es zwei Dimensionen zu beachten: Eine legale und eine technische. 

Griechische Staatsanleihen, die nach dem Beitritt zur Währungsunion emittiert wurden, unterliegen griechischem Recht und basieren (ähnlich wie Bundesanleihen) auf einem Emissionsgesetz. Circa 93 % des Volumens aller ausstehenden Anleihen Griechenlands basieren auf diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen (sog. Greek Government Bonds, GGBs). Hier hat die griechische Regierung tatsächlich die Möglichkeit, in einem Gesetzgebungsverfahren die Rahmenbedingungen für Investoren zu ändern. Jegliche nachträgliche Änderung des Gesetztes und damit der für die Investoren relevanten Anlagebedingungen muss logischerweise rechtsstaatlichen Prinzipien genügen. Beispielsweise muss dem Rückwirkungsverbot Rechnung getragen werden. 

Vor allem bei der Frage nach der Besteuerung der Rückzahlung griechischer Anleihen scheint hier die Rechtslage eindeutig zu sein. Würde die griechische Regierung bspw. eine 75%ige Besteuerung der Rückzahlungsbeträge anstreben, sehen Juristen sogar den Fall der Enteignung als gegeben an. Es bestehen offensichtlich sehr viele Gründe, dass eine solche Regelung zumindest vor einem europäischen Gericht keinerlei Wirksamkeit haben dürfte. Aber auch für den Fall, dass Griechenland eine Gesetzesänderung (beispielsweise die Einführung von CAC-Klauseln) zum Nachteil der Investoren umsetzen sollte, hat das zwei schwerwiegende Konsequenzen: Erstens wird dies eine Klagewelle hervorrufen, die allen weiteren Restrukturierungsbemühungen im Wege stehen würde und zweitens wird es zu einem Vertrauensverlust vor allem nicht-europäischer Investoren kommen. Es kann nicht im Sinne der EU sein, dass internationale Investoren das Vertrauen in die rechtsstaatlichen Prinzipien der Eurozone verlieren, da die immensen Refinanzierungsherausforderungen der Euroländer ohne nicht-europäische Investoren unmöglich umzusetzen wären. Anders ausgedrückt, würde man hier einen Präzedenzfall schaffen, wie man die Schulden eines Landes restrukturiert, ohne einen direkten Zahlungsausfall auszulösen. Wenn das Schule machte, würden sich Investoren komplett aus Staatsanleiheninvestitionen zurückziehen, da sie offensichtlich der Willkür des Emittenten schutzlos ausgeliefert sind. Uns fehlt das juristische Verständnis, die Umsetzbarkeit solcher Vorhaben zu bewerten. Aus ökonomischer Sicht allerdings wäre allein der Versuch, die Rechte von Investoren in europäische Staatsanleihen rechtlich auszuhebeln eine fatale Entscheidung, die nicht auf die Zustimmung der EU treffen wird. Und es ist nicht davon auszugehen, dass Griechenland eine solche Maßnahme ohne Zustimmung der EU treffen kann. 

Es gibt hier noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Neben den oben erwähnten GGBs gibt es so genannte "International Bonds" des griechischen Staates, die vor dem Beitritt zur Währungsunion emittiert wurden und deren Volumen eher gering ist (ca. 7 % der ausstehenden Anleihen Griechenlands). Diese basieren auf englischem Recht und beinhalten stärkere Schutzklauseln für Investoren, u. a. eben auch CAC-Klauseln. Mit einer Zustimmung von 66 % bzw. 75 % können hier Änderungen am Verkaufsprospekt umgesetzt werden, ohne dass dadurch ein Default Event ausgelöst werden würde. Allerdings kann hier Griechenland nicht einfach den Prospekt per Gesetz ändern, da dieser ja nicht auf griechischem Recht basiert. Würde es zu einer Umsetzung der im Prospekt verankerten CAC-Klauseln kommen, löst dies unabhängig von der Anleihedokumentation ein Credit Event auf der CDS-Seite aus. Genau das will ja die griechische Regierung vermeiden. Es gibt folglich keine einfache Lösung aus griechischer Sicht, in dem Sinne, dass Griechenland in irgendeiner Weise Gesetzesänderungen umsetzt, ohne dass es entweder zu gravierenden rechtlichen Problemen führt, oder eben ein Zahlungsausfall ausgelöst wird. Eine "Catch-22-Situation".

Sieben: Der Bluff II – Die technische Dimension

Es wurde in den letzten Monaten viel über die Rolle von Kreditausfallversicherungen spekuliert, wobei die Auswirkungen einer Gesetzesänderung ziemlich klar sind. Die Definition der ISDA Credit Derivatives Definition für europäische Staaten-CDS (SWES-Kontrakte) sieht dabei vor, dass allein die Verabschiedung einer Gesetzesänderung in jedem Fall ein Credit Event (und zwar "Repudiation/Moratorium") auslöst: "Repudiation/Moratorium means the occurence of … (i) a Governmental Authority … declares … a restructuring". Das ist also sogar eine härtere Auslegung als dass ein Credit Event genau dann eintritt, falls die Anwendung des neuen Gesetzten zu einem materiellen Schaden der Anleiheinvestoren führt, wie es bspw. im Corporate-CDS-Format der Fall ist. Der berühmte Bradford-Bingley-Fall des Jahres 2009 kann hier als Vorlage genommen werden. Per Gesetzesänderung wurden damals LT2 in UT2-Anleihen umgewandelt, wobei die Investorenrechte signifikant reduziert wurden. Es ging in der Hauptsache darum, dass Kupons aufschiebbar gemacht wurden und eben nicht wie im Verkaufsprospekt festgehalten, fix ausgezahlt werden müssen, um ein Credit Event zu vermeiden. Die Verabschiedung des Gesetzes hat auch damals kein Credit Event ausgelöst – sehr wohl aber die erste Verschiebung einer Kuponzahlung.

 Also genau in dem Fall, dass der Anleiheinvestor einen Schaden erleidet, wird er durch die Kreditausfallversicherung kompensiert. Bei Staaten-CDS ist diese Bedingung verschärft worden und jegliche Ankündigung einer Gesetzesänderung (die einen Schaden für den Anleihehalter bedingt) würde ein sofortiges Credit Event auslösen. Das wäre auch der Fall, wenn eine griechische Gesetzesänderung die Investorenrechte nachträglich reduziert und diese Maßnahme zu einem Schaden für die Investoren führt – also die Restrukturierung einer Anleihe bspw. in einer geringeren Kuponzahlung, einer Streckung der Laufzeit, in einer Reduktion des Rückzahlungsbetrags oder eben auch in der Einführung von Collective-Action-Klauseln mündet, die Gläubigerrechte des einzelnen Investors signifikant beschneiden.

Hier kommt allerdings noch eine völlig andere Überlegung mit ins Spiel. In den Rahmenbedingungen der ISDA ist und kann nicht jede einzelne potenzielle Maßnahme eines Landes, die potenziell ein Credit Event auslösen könnte, aufgeführt werden. Jegliche (nicht in letzter Konsequenz auszuschließende) juristische Spitzfindigkeit, die den Eintritt eines Credit Events vermeiden könnte, obwohl die Investoren einen Schaden erlitten haben, würde eines zur Folge haben: CDS müssten als wertlos betrachtet werden, da es dann Umgehungstatbestände geben würde, die den Versicherungscharakter eines CDS in Frage stellt. Falls CDS ihre Absicherungsfunktion verlieren, hätte das vor allem auf den Bankensektor, der einen signifikanten Teil der Bilanzen mit Hilfe von CDS abgesichert hat, massive Auswirkungen. Wenn die mit dem Einsatz von CDS verbundene Minderung der Eigenkapitalanforderungen verloren ginge, müssten Banken entweder in kürzester Zeit ihre Bilanzen drastisch schrumpfen oder eben zusätzliches Eigenkapital am Markt aufnehmen. Ersteres ist in Ermangelung von Käufern nicht umsetzbar, letzteres ist (wie das Beispiel der UniCredit gezeigt hat) aus demselben Grund keine gangbare Option.

Jeglicher Versuch, die Investorenrechte in irgendeiner Art nachträglich zu umgehen, hätte also entweder einen Vertrauensverlust in europäische Staatsanleihen, einen Zahlungsausfall Griechenlands oder eine neue Dimension der Bankenkrise zur Folge. Oder alles zusammen. Da das alles keine erstrebenswerten Optionen sind und Griechenland und die EU sich dessen bewusst sind, kann man die Gerüchte der letzten Wochen durchaus als Drohgebärde verstehen, während die reale Bedrohung überschätzt wird. 

Sechs: Hedge-Fonds oder die üblichen Verdächtigen

Der Marktmechanismus führt nicht immer zu politisch erwünschten Ergebnissen und kann eines definitiv nicht leisten: Dem moralischen Anspruch aller zu genügen. Aber ein Markt basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, er unterliegt keinem gesellschaftlichen Zwang. Genau diesem Anspruch soll aber die Beteiligung privater Gläubiger an der Restrukturierung griechischer Staatsanleihen (PSI) gerecht werden. Das ist allerdings nicht möglich. Das hat auch die EU erkannt und damit zum Ausdruck gebracht, dass auf dem Brüsseler Gipfel Anfang Dezember die Beteiligung privater Gläubiger an zukünftigen Restrukturierungen qualitativ (nicht faktisch) ausgeschlossen wurde. Es werden immer mehr Stimmen laut (auch solche, denen man durchaus moralisches Verständnis zuschreibt), dass das PSI ein Fehler war. Fakt ist aber auch, dass es hier keinen Weg mehr zurück gibt und ein erfolgreiches PSI als unabdingbares Element einer Lösung der griechischen Schuldenmisere gesehen werden muss.

Vor diesem Hintergrund erscheint es befremdlich, dass einigen Marktteilnehmern vorgeworfen wird, im Falle eines Zahlungsausfalls Griechenlands einen Gewinn zu machen. Im Zentrum der Kritik stehen Hedge-Fonds, wobei der Vorwurf durch das Boulevard darauf abzielt, dass diese durch den Kauf von Kreditausfallversicherungen gar nicht daran interessiert sind, einen Zahlungsausfall Griechenlands abzuwenden, also auch nicht am PSI teilzunehmen. Auch auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen, aber es erscheint uns wichtig, auf die ökonomischen Fakten zu verweisen. Im folgenden Chart lässt sich leicht ablesen, dass die berühmte GGB 4.3 2012 Anleihe seit drei Monaten in den Mitte Vierzigern handelt und dass der Preis für eine Versicherung gegen einen Ausfall Griechenlands für die nächsten fünf Jahre im selben Zeitraum auf einem konstanten Niveau, nämlich zwischen 65 und 70 Prozentpunkten, liegt.

Abbildung 1: 5y Griechenland CDS vs. und die berühmte GGB 4.3 03/12 Anleihe (Quelle: Bloomberg)
Abbildung 1: 5y Griechenland CDS vs. und die berühmte GGB 4.3 03/12 Anleihe (Quelle: Bloomberg)

Das heißt, um EUR 10 Mio. abzusichern, muss eine erste Versicherungszahlung von ca. EUR 7 Mio. geleistet werden, danach eine jährliche Versicherungsrate von 1 %, also EUR 100.000. Legt man die im Markt gehandelte Verwertungsquote von 25 % zugrunde, würde der Kauf einer Kreditausfallversicherung im Falle eines sofortigen Zahlungsausfalls zu einem Gewinn in Höhe von ca. 7 % führen (der Wert der CDS steigt von 70 % auf 75 %), während die Vermeidung eines Zahlungsausfalls innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Verlust der gesamten Prämienzahlungen bedeutet.
Die Tatsache, dass sich Griechenland-CDS wie auch der Wert griechischer Anleihen seit Wochen auf demselben Niveau befindet, spricht eindeutig gegen starke Kauf- oder Verkaufsaktivitäten, die sich ja in den Marktpreisen widerspiegeln müssten. Die Erklärung hierfür ist indes sehr einfach. Die größten Halter griechischer Anleihen sind europäische Finanzinstitute, die sich weitestgehend am PSI beteiligen und ihre zum 30. Juni 2011 gemeldeten Bestände einliefern müssen. Deshalb sind diese Institute nicht mehr am Markt aktiv. Der Handel griechischer Anleihen ist seit Monaten durch extrem geringe Volumina gekennzeichnet. Dasselbe gilt für den Handel von CDS, deren ausstehendes Nettovolumen übrigens aktuell bei nur ca. einem halben Prozentpunkt des ausstehenden Volumens an griechischen Staatsanleihen (ca. EUR 2,5 Mrd.) liegt und über die letzten Monate sukzessiv zurückgegangen ist.

 Das spricht wiederum ganz klar gegen eine steigende Aktivität von Hedge-Fonds in diesem Segment. Aber auch unter der Annahme, dass Hedge-Fonds verstärkt CDS-Absicherung nachfragen und handeln würden, wäre das für die aktuelle Situation völlig unerheblich. Ein CDS-Kontrakt ist ein Nullsummenspiel. Falls ein Hedge-Fonds Kreditausfallversicherung kauft, muss ein anderer Marktteilnehmer diese verkaufen. Da dies eben solche Institute sind, die nicht am PSI teilnehmen, ändert sich in der Nettobetrachtung überhaupt nichts an der Lage Griechenlands. Das gilt auch für den Handel von griechischen Staatsanleihen. Wenn dieser nur zwischen solchen Instituten von statten geht, die nicht ans PSI gebunden sind, lässt sich damit eben auch keine Verschlechterung der Gläubigerbeteiligung per se ableiten.

Dies soll in keinster Weise ein Plädoyer für die Aktivitäten von Hedge-Fonds sein, aber die Vorwürfe, die teilweise erhoben werden, entbehren bei der Auswertung aller vorhandenen Marktdaten jeglicher Grundlage. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass vor der Umsetzung des PSI (wir gehen im weiteren Verlauf noch genau auf die aktuelle Verhandlungssituation ein) durch ein wenig Säbelrasseln die eigenen Verhandlungspositionen gestärkt werden sollen. Das ist spieltheoretisch völlig nachvollziehbar, nur hilft das wenig bei der Bewältigung der griechischen Probleme. 

Fünf: Das europäische Refinanzierungsdilemma

Der aktuelle Rückgang der Refinanzierungskosten, der sich kürzlich in den erfolgreichen Auktionen Italiens, Spaniens und Frankreichs (trotz Herabstufung durch S&P) eingestellt hat, ist ein erstes ermutigendes Zeichen dafür, dass es durchaus ein Niveau der Renditeaufschläge gibt, bei dem Investoren scheinbar Willens sind, den europäischen Staaten Geld zu leihen. Es wäre angesichts des immensen Finanzierungsbedarfs, vor allem Italiens 2012 verfrüht, von einem Ende der europäischen Schuldenkrise zu sprechen. Aber man kann durchaus feststellen, dass die glaubwürdige Ankündigung von Konsolidierungsmaßnahmen der nationalen Haushalte (auch hier wiederum vor allem Italiens) von den Investoren sehr positiv aufgenommen wurde. Auf diesem Niveau ist eine langfristige Finanzierung Italiens und Spaniens möglich und die erfolgreichen Emissionen zeigen auch, dass die europäische Politik an Glaubwürdigkeit bzgl. der Bekämpfung der Schuldenkrise hinzugewonnen hat. 

Es war noch nicht die Wende, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Trotzdem bleiben die Refinanzierungsherausforderungen in Europa immens, was in folgender Abbildung deutlich wird. Die Fälligkeiten italienischer, spanischer und französischer Anleihen belaufen sich allein 2012 auf mehr als EUR 770 Mrd. 

Tabelle 2: Ausstehendes Volumen an Staatsanleihen in Italien, Spanien und Frankreich in EUR Mio. (Quelle: Bloomberg)
Tabelle 2: Ausstehendes Volumen an Staatsanleihen in Italien, Spanien und Frankreich in EUR Mio. (Quelle: Bloomberg)

In der aktuellen Situation stehen die europäischen Staaten vor einem Dilemma. Einerseits ist eine Konsolidierung der nationalen Haushalte eine unabdingbare Voraussetzung um zu nachhaltig finanzierbaren Niveaus neue Anleihen zu emittieren, andererseits fordern immer mehr Politiker wachstumsorientierte, keynesianisch geprägte wirtschaftspolitische Maßnahmen, die wiederum einer Konsolidierung der Haushalte zusammen. Vor diesem Hintergrund ist die kürzlich von Italiens Premier Monti geäußerte Forderung zu verstehen, in der er vor allem Deutschland in der Pflicht sieht, solche expansiven Maßnahmen umzusetzen, da es das Land ist, das am meisten von der Währungsunion profitiert hat. Das ist ökonomisch so nicht ganz richtig, da erst die selbst verursachten Probleme der anderen Mitgliedsländer Deutschland in die Rolle des Profiteurs gebracht haben. Aber es zeigt durchaus, dass der Druck nach permanenten Transferzahlungen zunimmt. 

Der ökonomische Hintergrund dieser Forderungen ist indes sehr simpel. Europa ist im Mundell'schen Sinne kein optimaler Währungsraum und das wird er – trotz aller Reformbemühungen – auch in der Zukunft nicht werden. Es wird also auch weiterhin zu divergenten ökonomischen Entwicklungen kommen, die nur schwerlich mit einheitlichen europäischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen adäquat zu bekämpfen sein werden. Folglich ist die Installation permanenter Transfermechanismen (im Sinne eines Länderfinanzausgleichs) eine notwendige Maßnahme, auch wenn das natürlich die Währungsunion in Geber- und Nehmerländer spaltet. Was übrigens ja bereits seit der Etablierung derselben der Fall ist, eben nur nicht auf rein finanzwirtschaftlicher Ebene, sondern bspw. durch Strukturfonds etc. umgesetzt. 

Wir erlauben uns diesbezüglich keine Meinung, da dies die Aufgabe der Politik ist. Es wäre eben nur falsch zu behaupten, dass wirtschaftliche Konvergenz durch Strukturreformen und Konsolidierungsmaßnahmen allein herbeizuführen wäre. Dazu sind die nationalen Unterschiede der einzelnen Volkswirtschaften zu groß und es wird immer zu asynchronen Wachstumsentwicklungen kommen. Wenn man die Stabilität der Währungsunion in der längeren Frist aufrechterhalten möchte, kommt man um erhöhte Transferleistungen nicht herum.

Vier: "Greece Hold'em”

Die Kommentare der letzten Wochen von allen Seiten erinnern mehr an ein Pokerspiel als an die Suche von Konsenslösungen. Während Griechenland den Druck auf die Halter griechischer Anleihen durch die mögliche Ankündigung von Gesetzesänderungen zur Teilnahme am PSI bewegen möchte, verweist die Troika auf die schleppenden Reformbemühungen Griechenlands, die weiteren Hilfszahlungen im Wege stehen. Die europäischen Banken verweisen auf ihr Mäzenatentum bei der Rettung Griechenlands und sogar die Rating-Agenturen (S&P und Fitch) glänzten in den letzten Tagen mit der Aussage, dass Griechenland kurz vor der Staatspleite stehe. Das ist nun keine wirklich neue Erkenntnis. Obwohl auch wir uns einer gewissen Faszination bei der Beobachtung dieses Spiels nicht entziehen können, nehmen die einzelnen Spielzüge langsam aber groteske Formen an. Die finanzpolitische Situation Griechenlands stellt seit mindestens zwei Jahren kein elitäres Wissen mehr da und die bisherigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Landes haben wenig Wirkung gezeigt. Dieses auch deshalb, da Europa keine glaubwürdige Strategie aufzeigen konnte, mit welchen Mechanismen solche Problemfälle behoben werden können. Die oben kurz dargestellten Aussagen aller Beteiligten, haben hier durchaus zu einer weiteren Verunsicherung beigetragen.

Gerade vor dem Hintergrund der Entspannung v. a. in Irland, aber auch in Italien und Spanien, würde ein Scheitern der Verhandlungen ein fatales Signal an den Markt senden. Wenn die EU nicht in der Lage ist, ein "kleines" Problem wie Griechenland zu lösen, traut man ihr auch nicht die Lösung der "großen" Probleme (Italien/Spanien) zu. Alle Akteure haben einen enormen Anreiz, die Beteiligung des Privatsektors umzusetzen (siehe unten), weshalb die aktuellen Gerüchte über einen Zahlungsausfall Säbelrasseln darstellen um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, während ein Zahlungsausfall in der langen Frist niemandem Vorteile bringt. Dieses Pokerspiel haben wir in den letzten zwei Jahren des Öfteren beobachten können, bisher immer mit einem "guten" Ausgang. Sollten sich alle Akteure ökonomisch rational verhalten, sollte das auch dieses Mal der Fall sein. Wir ignorieren nicht, dass der Verbleib Griechenlands in der EWWU zu immensen Kosten führt (siehe oben), aber der "Point of no Return" – vor dem eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands keine akuten Zweifel an den Institutionen der EU (inkl. EZB) ausgelöst hätte – scheint bereits überschritten zu sein. In der aktuellen Situation gibt es eben keine einfachen Lösungen mehr und alle Alternativen sind mit langfristig hohen Kosten verbunden, allerdings kann man die Frage stellen, warum bereits EUR 73 Mrd. aus dem ersten Rettungspaket ausgezahlt wurden und man letztlich trotzdem die Pleite Griechenlands nicht zu verhindern mochte. Von den EUR 73 Mrd. kommen EUR 20 Mrd. vom IWF, EUR 53 Mrd. von den EU-Staaten. 

Deutschlands Anteil an den bisher ausgezahlten Krediten liegt bei rund EUR 15 Mrd. Es handelt sich hierbei um Kredite, nicht um bereits realisierte Verluste. Wir möchten diese Zahlen nicht verharmlosen, aber wenn man sie in Relation setzt, scheinen diese durchaus überschaubar zu sein. Erst kürzlich wurden auf der Bilanz der HRE ca. EUR 55 Mrd. wieder entdeckt, während sich Volumen der Bankenrettungspakete der letzten Jahre in Europa (umfasst das Maximum von Garantien, Bürgschaften, Eigenkapitalhilfen, Aufkauf von Wertpapieren) auf mehr als EUR 2.000 Mrd. beläuft. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Kosten eines Bailouts Griechenlands unter Abwägung aller Alternativen als durchaus überschaubar.

Drei: Die PSI-Spekulation

Das vielleicht fatalste Beispiel für die fehlende Konsequenz bei der Umsetzung von Rettungsmaßnahmen stellt die seit nunmehr sieben Monaten andauernde Diskussion bzgl. einer Beteiligung des Privatsektors an den Restrukturierungskosten griechischer Anleihen dar. Die im Juli erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte Lösung sah damals einen Haircut von 79 % (unter abstrusen Annahmen) vor, der jedoch im Oktober auf 50 % reduziert worden ist – kurz bevor der damalige Ministerpräsident Griechenlands Papandreou eine Volksabstimmung bzgl. der Umsetzung der Rettungsmaßnahmen vorgeschlagen und dadurch das PSI vorerst auf Eis gelegt hatte. Seitdem kursieren Gerüchte nicht nur über die Höhe der Beteiligung sondern auch über die Höhe des Haircuts, auch wenn dem gewogenen Beobachter nicht ganz klar ist, warum man von der ja bereits erzielten Einigung auf 50 % abweichen sollte. 
Vor diesem Hintergrund ist es natürlich nicht besonders hilfreich, wenn einzelne europäische Finanzinstitute ausscheren, aber es wäre auch vermessen anzunehmen, dass sich alle Investoren an einer freiwilligen Restrukturierung beteiligen. Die Frage ist deshalb vielmehr, was aus Sicht der beteiligten Banken und natürlich aus der Perspektive Griechenlands als ausreichende Beteiligung bezeichnet wird. Die immer wieder genannte Marke von 90 % scheint hierbei äußerst ambitioniert zu sein, weshalb die magische Grenze wohl eher bei 75 % liegt. 

Tabelle 3: Entlastung des Schuldendienstes durch PSI inkl. Fälligkeiten bis 2022 (Quelle: Bloomberg)
Tabelle 3: Entlastung des Schuldendienstes durch PSI inkl. Fälligkeiten bis 2022 (Quelle: Bloomberg)

Im Falle einer Beteiligung von 75% würde sich das Volumen der ausstehenden Staatsanleihen innerhalb der nächsten 10 Jahre um ca. EUR 150 Mrd. reduzieren und der anfallende Schuldendienst um ca. EUR 30 Mrd. verringern.

Es scheint schwer vorstellbar, dass das PSI abgeblasen wird, wenn eine Beteiligungsquote von mindestens 75 % erreicht wird, da dies für Griechenland zu einem spürbaren Rückgang der Schuldenlast in den nächsten zehn Jahren (das PSI inkludiert Anleihen inkl. Fälligkeiten in 2022) führt und die vom IMF geforderte Reduktion der Schuldenquote innerhalb des 10-Jahres-Plans in Höhe von 120 % des BIP somit zumindest in den Bereich des Machbaren rückt. In diesem Fall würde die schwerste Hürde für die Freigabe des zweiten Hilfspakets genommen worden sein und ein Zahlungsausfall Griechenlands wäre vorerst extrem unwahrscheinlich und ökonomisch betrachtet auch völlig sinnentleert. Es macht ja offensichtlich wenig Sinn, wenn nach einer erfolgreichen Umsetzung des PSI mit allen positiven Wirkungen auf die Bedienung des griechischen Schuldendienstes innerhalb der nächsten zehn Jahre (das PSI bedingt keine Reduktion des Schuldendienstes insgesamt, sondern eine Verschiebung der Tilgung in die Zukunft) genau das eintritt, was seit zwei Jahren von Seiten der EU krampfhaft versucht wird zu vermeiden – nämlich ein Zahlungsausfall Griechenlands. 

Einen Haken hat diese Überlegung allerdings. Sollte eine zunehmende Anzahl von Investoren ihre Beteiligung am PSI zurücknehmen, um von einer potenziellen Rückzahlung des gesamten Nominals im Falle einer positiven Ausgangs des PSI zu profitieren, wird eben dieser unwahrscheinlicher, da die Beteiligung unter die magische Grenze sinken kann. Spieltheoretisch hoch interessant.

Als weitere Überlegung ist hierbei entscheidend, ob sich die EZB an einem Schuldenschnitt beteiligen wird. Auch wenn offizielle Stellungnahmen das verneinen, wäre es aus Perspektive der anderen Marktteilnehmer völlig unverständlich, wenn die EZB nicht an der Restrukturierung partizipiert. Erstens ist die EZB der größte Einzelinvestor in griechische Staatsanleihen (siehe unten), zweitens ist die angestrebte Entschuldung von EUR 100 Mrd. bzw. eine Beteiligung von mindestens 75% ohne die EZB nur schwer zu erreichen und drittens würde das ein fatales Signal an alle anderen Investoren senden. Obwohl etwaige Buchverluste der EZB im Falle einer Beteiligung durch zusätzliches Eigenkapital aufgefangen werden müssten, was letztlich durch die Mitgliedsländer finanziert wird, stellen sich jene ja nicht besser, wenn die EZB mit Hilfe von weiteren Rettungspaketen ausbezahlt wird. Ob die EZB direkt durch EK-Erhöhung oder indirekt über den ESM unterstützt wird, ist ökonomisch als indifferent zu bewerten. Eine Teilnahme der EZB sollte aber durchaus positive Effekte auf die Beteiligungsquote insgesamt haben.

Zwei: Die Kosten eines Zahlungsausfalls

Zugegebenermaßen steht die obige Argumentation diametral zur Sicht des Marktes. Bei einer im Markt gehandelten Verwertungsquote Griechenlands im Falle eines Defaults in Höhe von 25 % und einer Upfront-Prämie für 5-jährige CDS von 70 % liegt die implizite Ausfallwahrscheinlichkeit bei fast 100 %! Der Markt preist also einen Zahlungsausfall mit einer nahezu 100%igen Wahrscheinlichkeit ein. Demnach stellt sich die Frage, wer die Kosten eines Zahlungsausfalls zu tragen hätte. Die gesamten Verbindlichkeiten (ohne Kuponzahlungen) Griechenlands inklusive der Laufzeiten über 2022 hinaus belaufen sich auf etwa EUR 350 Mrd. Rund EUR 90 Mrd. umfassen die bereits ausgezahlten Kredite aus dem ersten Rettungspaket (inkl. sonstige Kredite), womit etwas mehr als EUR 200 Mrd. an griechischen Staatsanleihen inkl. der Fälligkeiten bis 2022 verbleiben (siehe oben). Davon hält die EZB ca. EUR 40 bis 50 Mrd. (je nach Quelle), während sich die verbleibenden EUR 150 Mrd. auf griechische Banken (ca. 20 %), europäische Banken (ca. 20 %), griechische Sozialversicherungsfonds und andere griechische Halter (ca. 25 %), europäische Versicherungen (ca. 5 – 10%) und zu ca. 25 – 30% auf Investmentfonds, Pensions-, Staats- und Hedge-Fonds aufteilen. Da die Schätzungen hierzu je nach Quelle abweichen, können die oben dargestellten Zahlen als statistisches Mittel verstanden werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Eurozone bzw. der europäische Bankensektor eine Pleite Griechenlands verkraften würde. Unserer Ansicht nach wären die direkten Effekte überschaubar, da Abschreibungen bereits weitgehend vorgenommen wurden (Banken) bzw. viele Investoren (z. B. Fonds) zur marked-to-market-Bewertung verpflichtet sind. Es ist also nicht davon auszugehen, dass die Erstrundeneffekte einer Griechenlandpleite einen Dominoeffekt im Bankensystem auslösen können, geschweige denn, dass die Eurozone auseinander bricht. Allerdings hätten Übertragungseffekte fatale Folgen für beide, die Eurozone als Ganzes und den Bankensektor im Speziellen. Die wohl gravierendste Konsequenz ist das dadurch ausgelöste Misstrauen gegenüber der Institution der EWWU. Ein Zahlungsausfall Griechenlands würde wie ein Damoklesschwert vor allem über Spanien, Italien und Portugal liegen und der oben erwähnte Rückgang der Refinanzierungskosten europäischer Staaten wäre ein rein temporäres Phänomen gewesen und würde sich ins Gegenteil verkehren. Die Ansteckungseffekte wiegen aktuell weitaus schwerer als das vor zwei Jahren der Fall gewesen wäre und die Erfahrungen aus der Subprime-Krise bestätigen die Erkenntnisse aus der Krisentheorie, dass die mit Finanzkrisen verbundenen Kosten eben vor allem durch Zweit- und Drittrundeneffekte bedingt sind. Während das gesamte Volumen der Subprime-Kredite in den USA 2007 ca. USD 50 Mrd. betragen hat, beliefen sich die Kosten allein für das Bankensystem (durch Abschreibungen und Kapitalmaßnahmen) auf mehr als USD 1.500 Mrd. Von solchen Größenordnungen müsste auch im Falle einer Ansteckung der "großen" Problemfälle der EU (v. a. Spanien/Italien) ausgegangen werden.

Eins: Mitte März: Tod oder lebendig!

Auch wenn sich die noch freien Mittel aus dem ersten Rettungspaket auf ca. EUR 37 Mrd. belaufen, sollte nicht damit gerechnet werden, dass diese zur Rückzahlung, der im März fällig werdenden Griechenlandanleihe mit einem Volumen von knapp Euro 15 Mrd., eingesetzt werden. Eine weitere Verzögerung der Lösung des griechischen Schuldenproblems würde die nächste Runde der europäischen Schuldenkrise bedingen mit allen negativen Folgen vor allem für die Anleihen der anderen PIIGS-Länder. Man muss davon ausgehen, dass ein erfolgreiches PSI die Voraussetzung dafür ist, dass Griechenland Mitte März keinen Zahlungsausfall erleidet. 

Fazit: Man muss nicht nur mehr Ideen haben als andere, sondern auch die Fähigkeit besitzen, zu entscheiden, welche dieser Ideen gut sind (Linus Pauling; 2-facher Nobelpreisträger). In diesem Sinne freuen wir uns über eine baldige Entscheidung, denn auch wir werden des Themas schön langsam leid.

 

 

 

Jochen FelsenheimerJochen Felsenheimer ist Mitglied der Geschäftsführung der Assenagon Credit Management GmbH. Er war von 2001 bis 2008 im Research der HypoVereinsbank (UniCredit Group) beschäftigt. Dort leitete er das Credit Strategy & Structured Credit Research-Team und war Stellvertretender Leiter des Global Credit Research-Teams. Er verantwortete alle Publikationen speziell zu den Themen Kreditmarkt, Kreditderivate sowie strukturierte Kredite und ist selbst Autor mehrerer Bücher und wissenschaftlicher Artikel zu den oben genannten Themenbereichen. Er promovierte an der volkswirtschaftlichen Fakultät der LMU München.



[Bildquelle oben: iStockPhoto]  

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /26.01.2012 01:08
Des Rätsels Lösung ist die Entpflechtung ALLER Marktteilnehmer und die Rückkopplungen der einzelnen Spielstrategien in Richtng des Nash-Gleichgewichts.

Mann muss das Problem zuerst aus der Vogelperspektive betrachten.

Zuerst muss festgestelt werden, dass das jetztige Finanzsystem am Limit des Umverteilungsprozesses angelangt ist.

Wenige mit viel Geld - Viele mit wenig Geld

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Es ist verständlich dass die Wohlhabenden daran nix ändern wollen und genauso rational ist es, wenn die Benachteiligten aufbegehren
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Die sozialpolitischen Folgen eines gescheiterten Euroraumes und des Euro selbst wären mit Sicherheit schlimm. Jedoch bezweifle ich, dass dann im Frühling bspw. Finnland Griechenland den Krieg erkärt und Deutschland die alleinige Schuld am Scheitern trägt.

Alle Staaten leben im Moment über ihre Verhältnisse. Die sozialen/wirtschaftlichen/bildungspoltischen Leistungen sind nur durch höhere Steuereinnahmen und stärkere Regularien für Finanzinstitute zu beheben UND durch die Senkung entsprechender Ausgaben.

Wie jede Firma und jedes Unternehmen müssen auch Staaten ihre unternehmerische Tätigkeit auf eine solide Basis stellen. Und dass sind nunmal ausgeglichene Haushalte. Was nützt es ein Unternehmen ins Insolvenzverfahren zu schicken mit allen Lastern und Fallstricken, nur um am Ende zu erkennen, dass das Geschäftsmodell gescheitert ist.

Leider sind Staaten, also die dort lebenden Menschen nicht ohne weiteres abwickelbar.

Somit bleibt für Griechenland nur die Abwertung ausserhalb der Eurozone oder ein vollständiger Schuldenschnitt mit zusätzlichen Investitionsgeldern aus Brüssel, um die Wirtschaft auf ein selbsttragendes Niveau zu bringen.

Den Preis den Greichenland dafür zahlen sollte, wären der Verlust von Mitspracherechten in EU-Gremien usw. zumindest für 3-8 Jahre befristet.

Das Probem sind dann die anderen Staaten, denen nicht klar warum Sie sich dann entsprechend anstrengen sollen.

Aber es führt kein Weg dran vorbei, lieber jedes EU-Land blutet ein wenig als dass ein Arm oder Bein abgetrennt wird.

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Jetzt kommt der Finanzmarkt ins Spiel:

Die durchschauen natürlich dass ganze Spiel schon lange, also heißt es den Damen und Herren gewaltig aus die Finger zu TRETEN.

Vier Grundsätze für die Finanzwirtschaft regeln sämliche Probleme:
1) Fristenkongruenz der Aktiva und Passiva
2) Mehr Eigenkapital
3) Höhere Steuern auf Finanzgeschäfte (besonders ausserbörsliche)
4) Änderung der Rechnungslegungsstandards - keine Wahlrechte

Darunter fallen auch die Ratingagenturen, deren Bewertungsmaßstäbe nicht mehr bindend sein dürfen - zumal die Interessenproblematik durch die Fristenkongruenz ausgeschaltet wird

Aber mal schauen wie die Tunten in Davos unsere Zukunft gestalten
wollen
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