Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn und sein Nachfolger Clemens Fuest haben gewarnt vor einer Verlängerung der ELA-Notkredite an die griechischen Geschäftsbanken ab Montag. "Das Volumen der ELA-Kredite, die seit Jahresbeginn für den Kauf von Staatspapieren verwendet wurden, dürfte über 10 Milliarden Euro und damit weit über den 7,5 Milliarden Euro an fiskalischen Hilfskrediten gelegen haben, um deren Auszahlung es bei den Verhandlungen mit der Troika ging", schrieben die beiden am Freitag in einem Beitrag für das Handelsblatt. "Als die Staatspapiere, die die griechischen Banken hielten, fällig wurden, und den Banken insofern neue Liquidität zugeflossen wäre, wurde den Banken gestattet, die Tilgungsbeträge nicht für die Rückzahlung der ELA-Kredite zu verwenden, sondern für den Erwerb neu emittierter Staatspapiere. Insofern wurde der griechische Staat sehr wohl durch die ELA-Kredite finanziert."
Als ELA-Kredite (Emergency Liquidity Assistance) wird die Notfall-Liquiditätshilfe als ein Instrument der nationalen Notenbanken des Eurosystems bezeichnet. ELA-Kredite sind damit Notkredite aus frisch geschaffenem Geld, die die griechische Notenbank auf eigene Rechnung an die Geschäftsbanken ihres Hoheitsgebietes vergeben dürfe, wenn nicht zwei Drittel des EZB-Rates widersprächen. "Sie dienen dazu, Liquiditätsengpässe solventer Geschäftsbanken zu überbrücken, nicht aber, um eigentlich insolventen Geschäftsbanken die Möglichkeit zu geben, notleidende Staaten zu stützen, denn das wäre die Aufgabe der Finanzpolitik. Dieser Grundsatz wurde von der EZB missachtet", schrieben die beiden Wissenschaftler.
Hans-Werner Sinn bezeichnete die Politik der ELA-Kreditvergabe an Griechenland als Insolvenzverschleppung und Lizenz zum Gelddrucken. Die 83 Mrd. Euro (Stand: 16. Juni 2015), die von griechischen Bankkunden abgehoben wurden, werden entweder als Bargeld in Griechenland gehortet oder wurden bereits ins Ausland überwiesen und dort in Immobilien und Wertpapieren investiert. Nach Einschätzung von Hans-Werner Sinn wäre bei einem Ausscheiden Griechenlands aus dem europäischen Währungssystem die griechische Notenbank nicht in der Lage, die aus den ELA-Hilfen resultierenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Rest des Eurosystems zu erfüllen.
Hans-Werner Sinn hat noch einmal darauf hingewiesen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) "die am 3. Juli 2015 von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) formell festgestellte Insolvenz des griechischen Staates seit Jahresbeginn verschleppt wird. Ohne die ELA-Notfallhilfen wäre der griechische Staat schon viel früher pleite gegangen, und die Verhandlungen wären schon vor Monaten zu einem Ende gekommen".