Die Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen des Zahlungsverkehrssystems Target2 sind im Januar erstmals seit September 2014 wieder gestiegen. Wie aus Daten der Bundesbank hervorgeht, beliefen sich die Forderungen per 31. Januar 2015 auf 515,266 Milliarden Euro. Ende Dezember 2014 waren es 460,846 Milliarden gewesen.
In den Salden der nationalen Zentralbanken der Eurozone spiegelt sich die erhöhte Nachfrage nach Zentralbankgeld in den südlichen Ländern des Euroraums wider. Verbindlichkeiten und Forderungen von Defizit- und Überschussländern werden bei der EZB saldiert, wobei sich unter anderem für Deutschland Forderungen ergeben. Die Notenbanken der Südländer dagegen haben Verbindlichkeiten.
Bis Mitte 2012 waren diese Salden gestiegen, danach in der Tendenz gesunken. Diesen Rückgang der Target2-Ungleichgewichte hatte die EZB als Anzeichen für Entspannung an den Finanzmärkten interpretiert. Die Target2-Forderungen der Bundesbank liegen derzeit auf dem höchsten Niveau seit November 2013, aber um ein knappes Drittel unter dem Spitzenwert von August 2012.
Es handelt sich damit um einen der größten Anstiege seit Ausbruch der Finanz- und Eurokrise; nur im September 2011 und im März 2012 waren die Zunahmen mit 59 Mrd. bzw. 69 Mrd. noch größer. "Dahinter verbirgt sich aller Wahrscheinlichkeit nach eine massive Kapitalflucht aus Griechenland", erklärt ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Ausländische Investoren und griechische Vermögensbesitzer dürften ihr Kapital aufgrund der mit dem Wahlausgang gestiegenen Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit Griechenlands und den Verbleib des Landes in der Währungsunion ins sichere Ausland gebracht haben.
Interessanterweise sind die italienischen Targetdefizite im Januar um 44 Mrd. gefallen. Es scheint also auch eine Kapitalflucht nach Italien gegeben zu haben, obwohl es im zweiten Halbjahr 2014 massive Kapitalexporte aus Italien gegeben hatte.
"Um ihr Geschäft fortführen zu können, beschaffen sich die vom Kapitalabzug betroffenen griechischen Kreditinstitute die fehlende Liquidität über Refinanzierungskredite von der griechischen Zentralbank. Ohne diese Liquidität fände die Kapitalflucht rasch ihre Grenze durch die Insolvenz der Banken", sagt Sinn. In diesem Zusammenhang verweist er auf den gerade beschlossenen Ersatz der bisherigen Refinanzierungskredite, die im Übermaß in Anspruch genommen worden waren, durch die neuen Notfallkredite im Umfang von 60 Mrd. Euro. Das frisch gedruckte Geld wird über das Zahlungsverkehrssystem "Target" des Europäischen Zentralbankensystems unter anderem an deutsche Kreditinstitute überwiesen, wodurch die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank ansteigen. "Die Hilfen der EZB dienen also dazu, den Vermögenseigentümern Griechenlands und ausländischen Anlegern die Flucht zu erlauben. Der Sachverhalt ist einer Konkursverschleppung im Privatrecht ähnlich", ergänzt Sinn.
Da es nicht Aufgabe der Steuerzahler Europas sein kann, griechischen und ausländischen Kapitalanlegern die Flucht zu ermöglichen, sollte die Gegenfinanzierung durch die EZB sofort hart begrenzt werden. Dann ist Griechenland gezwungen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um die Banken zu retten. Diesen Schritt hat man in Zypern im Frühjahr 2013, ein Jahr zu spät, durchgeführt. Auf diese Weise gelang es der zyprischen Notenbank im Jahr 2012, ein halbes Sozialprodukt aus der Druckerpresse zu ziehen, um ausländischen und einheimischen Anlegern die Flucht zu finanzieren. Diesen Fehler darf die EZB nicht wiederholen.