Die "Große Depression" ist künftig ein Maßstab für die Widerstandskraft, die ein Emittent für ein AAA Rating aufweisen muss. Nur wer auch unter den Bedingungen einer Großen Depression wirtschaftlich in der Lage ist, seinen zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen stets vollständig und rechtzeitig nachzukommen, kann nach der Kriteriologie der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P’s) die Bestnote erreichen. Dies machen S&P’s Analysten in einer Telefonkonferenz zum Thema "What Has Changed At S&P And How It May Impact Our Ratings" deutlich (www.standardandpoors.com/).
Als Great Depression ("Große Depression") bezeichnet man die schwere Wirtschaftskrise in den USA, die am 24. Oktober 1929 mit dem "Schwarzen Donnerstag", auf Grund der Zeitverschiebung zwischen Europa und der USA auch als "Schwarzer Freitag" bekannt, begann und die 1930er Jahre dominierte sowie Teil bzw. Ursprung der Weltwirtschaftskrise war. Die wichtigsten Änderungen in der Kriteriologie von S&P’s ergaben sich erwartungsgemäß für CDOs, RMBS und ähnliche Instrumente, die im Mittelpunkt der Krise standen.
Alexandra Dimitrijevic, Criteria Officer, Corporate & Government Ratings von S&P’s aus Paris, skizziert die Veränderungen, die sich für die Beurteilung der Unterstützungsmechanismen ergeben haben, die die öffentlichen Unternehmen betreffen. So habe sich in der Krise gezeigt, dass auch solche Regierungen eingreifen würden, die sich bisher eher zurückhaltend gezeigt hätten.
Als "GREs" bezeichnet S&P’s solche Wirtschaftseinheiten, die potentiell von außergewöhnlichen staatlichen Eingriffen in Krisensituationen betroffen sind. Dazu zählen auch manche private Unternehmen, selbst wenn keine staatliche Gesellschafterstellung besteht, wenn der staatliche Eingriff wahrscheinlich erscheint. Insgesamt werden rund 550 Einheiten von S&P’s als GREs erfasst. S&P’s geht von der "binären" Betrachtung der Zugehörigkeit zu den GREs ab und geht zu einem eher granularen Ansatz über. Auch die Notchingprinzipien werden abgelöst und durch eine viergliedrige Kriteriologie ersetzt.
Dimitrijevic unterstreicht, dass die "Default"-Definition von S&P’s nicht mit der der jeweiligen Regierung übereinstimmen muss. Vielmehr können Restrukturierungsmaßnahmen bereits als Ausfall gewertet werden, während die betreffende Regierung noch keinen Ausfall angibt.
Das Rating der Regierung in lokaler Währung, das Kreditprofil auf Basis der Einzelstellung des GREs, die Bedeutung der GREs für die Regierung und weitere Kriterien beeinflussen die Klassifizierung. Dimitrijevic gibt ein Beispiel, wie sich die Kriterien im Einzelfall auswirken können. Demnach lässt sich in einer mehrdimensionalen Betrachtung das Rating bestimmen, im Falle der Gegenüberstellung von zwei Kriterien anhand einer Tabelle, die die möglichen Ratings auf den Spalten und Zeilen zeigen.
Dimitrijevic macht klar, dass sich an der grundsätzlich qualitativen Analyse nichts ändern werde, wohl aber eine granularere Betrachtung angestrebt wird, um dem immer variantenreicheren und komplexeren Universum der zu beurteilenden Einheiten gerecht zu werden. Im Falle einer weitgehenden staatlichen Garantie für die Verbindlichkeiten der GREs würde diese Tatsache einmal durch die zu erwartenden günstigeren Kreditkonditionen berücksichtigt werden. Dimitrijevic stellt die veränderten Anreizstrukturen heraus, die sich im Falle einer staatlichen Garantie ergeben und im Rating zu berücksichtigen sind.
Autor: Dr. Oliver Everling, Everling Advisory Services, Frankfurt a. M.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Erinnert mich ein wenig an die vielfachen Versuche der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihr stark angekratzes Image durch Peer Reviews etc. (= in der Praxis gegenseitiges Hin- und Herschieben von Prüfungsmandaten unter befreundeten WP-Gesellschaften, keine Krähe kratzt der anderen ein Auge aus). Geholfen hat dies bisher nichts und an der Erwartungslücke konnte dies auch nichts ändern (schöne Seite: www.kpmg-pleiten.de). Aber die gleiche Erwartungslücke wird uns wohl auch bei den Ratings erhalten bleiben... Hier besteht Aufklärungsbedarf bei den Adressaten der Ratings.
http://www.kpmg-pleiten.de/pleiten/pleiten_09.htm
Und interessant auch mal die Stundensätze für Nicht-Leistung :-) (400 DM / Stunde?)
http://www.kpmg-pleiten.de/downloads/Leistungsnachweise_KPMG.pdf
Am 29. März 2004 veröffentlicht die Hypo Real Estate (HRE) eine Pressemeldung mit folgendem Text: „Die im MDax notierte Hypo Real Estate Group, einer der führenden europäischen Finanzierer gewerblicher Immobilien, hat im Jahr 2003 die Ergebniserwartungen übertroffen. Die Hypo Real Estate Holding AG als Konzernobergesellschaft weist ein Konzernergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Ergebnis vor Steuern) in Höhe von 156 Mio. Euro aus. Die zuletzt vom Unternehmen genannten Erwartungen lagen bei gut 100 Mio. Euro.“ Im Risikobericht kann nachgelesen werden: „Vor allem die Etablierung einer strikt risiko-rendite-orientierten Steuerungslogik [...] Die Risikosteuerung ist integraler Bestandteil der Konzernsteuerung in der Hypo Real Estate Group. Zielsetzung der Risikosteuerung ist es, für eingegangene Risiken einen risikoadäquaten Ertrag zu erzielen und gleichzeitig durch risikopolitische Leitlinien und Instrumente diese Risiken so zu begrenzen, dass keine unerwarteten Belastungen die Solidität des Konzerns beeinträchtigen.“ !!!! Bestätigt wird die Angemessenheit (!!!!!!!) des Risikomanagements durch die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wichtig: Testiert wird die ANGEMESSENHEIT - nicht nur die EXISTENZ!!!!
Am 12. August 2008 prüft die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Zwischenbericht des Vorstands der Hypo Real Estate u. a. auf zukünftige Risiken und Stressszenarien. Die Prüfer weisen zwar auf Risiken hin, bescheinigen der HRE aber: „Selbst bei einem Worst-Case-Szenario ist sichergestellt, dass die Hypo Real Gruppe und ihre Tochterunternehmen jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind .“
Und die gleichen Blindfische und "Kinder Prüfen Meine Gesellschaft "(oder: "Kleine Pfuscher, Mega Gewinn" oder "Käufliche Prüfer manipulieren Geschäftsberichte") sollen nun weitere Prüfungsaufgaben, bspw. Teile der Finanzmarktregulierung, übernehmen. Welche Vollidioten treffen eigentlich solche Entscheidungen?
Ach ja, und die Blindfische von KPMG sollen weiterhin die Bilanzen der Hypo Real Estate (HRE) prüfen. Ist vielleicht auch ganz praktisch ... dann können Risiken weiterhin unter den Teppich gekehrt werden.
Um die Pleiten und Pannen der WP-Gesellschaften seriös beurteilen zu können, muss man zunächst mal klären, was die eigentlich zu prüfen haben:
§ 316 Handelsgesetzbuch (HGB) bestimmt die Pflicht zur Prüfung:
- Der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesellschaften, die nicht kleine im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB sind, sind durch einen Abschlussprüfer zu prüfen.
- Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden.
- Die Prüfung ist, das bestimmt das Gesetz, so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen Bestimmungen, die sich auf die Darstellung des sich nach § 264 Abs. 2 HGB ergebenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden.
Der Lagebericht und der Konzernlagebericht sind darauf zu prüfen, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluss und der Konzernlagebericht mit dem Konzernabschluss sowie mit den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen des Abschlussprüfers in Einklang stehen und ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens und der Konzernlagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Konzerns vermittelt. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Chancen und Risiken (!!!!!!) der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Das bestimmt § 317 HGB zum Gegenstand und Umfang der Prüfung.
Leider findet eine seriöse Prüfung der Chancen und Risiken in der Praxis nicht statt (da die WPs in der Praxis auch weder die Methoden zur quantitativen Risikoanalyse verstehen noch in der Tiefe wissen, wie das jeweilige Unternehmen funktionert) ... kann man ja auch nicht, wenn man versucht Chancen und Risiken oder auch ein Unternehmen über Checklisten zu erfassen.
Ich will hier lieber nicht aufschreiben, welche Fragen Wps an mich gerichtet hatten, wo ich regelmässig fassungslos bin. "Kinder prüfen meine Gesellschaft" ist da noch zu vorsichtig formuliert ;-((
http://www.kpmg-pleiten.de/pleiten/pleiten_09.htm
http://www.kpmg-pleiten.de/downloads/Leistungsnachweise_KPMG.pdf).
Die Ausgaben für externe Prüfungen sind in den Unternehmen enorm, ebenso wie die Ausgaben für Ratings sofern man darauf angewiesen ist. Nur der externen Prüfung kann man sich nicht entziehen, d.h. hier erfolgt auch keine Abstrafung des Marktes bei schlechter Leistung. Ein zukunftsweisenderes Modell könnte die Übertragung von WP-Prüfungen auf staatliche Stellen sein. Sie können ja mal einem Betriebsprüfer vom Finanzamt drohen dass er bei Verweigerung eines wohlwollenden Urteils keine neuen Auftrag bekommt :-))))
Was ich persönlich absolut unverschämt finde ist diese unglaubliche Arroganz mit denen ausgerechnet die WP's der am meisten gescholtenen Gesellschaften auch heute noch auftreten. Sowas kennt man ja sonst nur von Bankern und beiden Gruppen wäre etwas Raison und Bescheidenheit gut angeraten.
"...der Studie zufolge beantragten 28 der von der KPMG geprüften Unternehmen Gläubigerschutz. Bei 16 Firmen, also mehr als der Hälfte, übersahen die Prüfer jedoch die Gefahr und wiesen nicht darauf hin, dass das jeweilige Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte. ..."
Das wäre mal ähnlich wie bei der Fleischindustrie mit ihrem Gammelfleisch eine angemessene Maßnahme für die WPs, die sonst bei solchen Dingen die Öffentlichkeit scheuen wie der Teufel das Weihwasser!