Krisenmanager Asmussen analysiert

Grundlegende Probleme der Schuldenkrise weiter ungelöst


Grundlegende Probleme der Schuldenkrise weiter ungelöst News

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sieht nach den Euro-Ländern nun andere Anteilseigner des Internationalen Währungsfonds in der Pflicht, dessen finanzielle Ausstattung zu verbessern. Im Interview mit dem Wall Street Journal Deutschland forderte Asmussen diese Länder dazu auf, dem Fonds bei seiner Frühjahrstagung am nächsten Wochenende in Washington konkrete Zusagen für zusätzliche Gelder zu geben.

"Es wäre nun von anderen IWF-Anteilseignern zu erwarten, dass sie aktiv werden und ihren Beitrag zur Erhöhung der IWF-Mittel leisten," sagte Asmussen. "Europa hat seinen Teil geleistet", betonte er und verwies auf die Zusage zusätzlicher 150 Milliarden Euro durch die Länder der Eurozone zur allgemeinen Ressourcenerhöhung des IWF, die potenziell allen seinen Mitgliedsstaaten zur Verfügung stünden.

IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich nach dieser Zusage optimistisch geäußert, dass die Feuerkraft des Fonds nun erhöht werden könne. Die Geschäftsführende Direktorin des Währungsfonds strebte bisher eine Erhöhung der IWF-Ausleihkapazität um rund 500 Milliarden US-Dollar an, um im Bedarfsfall zu verhindern, dass die Schuldenkrise außer Kontrolle gerät.

Im Vorfeld der IWF-Jahrestagung hatte Lagarde allerdings auch gesagt, der globale Bedarf an finanzieller Absicherung könne etwas kleiner sein als bisher angenommen. Aus informierten Kreisen der IWF-Aktionäre hatte es geheißen, Lagarde wäre nun auch schon mit 400 Milliarden Euro zufrieden. Der Spiegel berichtet, die Schwellenländer drohten im Vorfeld der Beratungen am 21. April mit einer Blockade der Mittelerhöhung und wollten diese erst im Sommer beim G-20-Gipfel entscheiden.

Asmussen machte sich seinerseits keine Illusionen über mögliche Beiträge der USA: "Die USA haben klar gemacht, dass sie sich nicht beteiligen können."

In dem Interview betonte der Deutsche, die grundlegenden Probleme der Schuldenkrise seien weiter ungelöst. "Das Schlimmste der Krise scheint vorbei zu sein, aber die Krise der privaten und öffentlichen Verschuldung in einigen Ländern ist offensichtlich noch nicht vorüber", konstatierte der frühere Finanz-Staatssekretär, der in dieser Funktion oberster Krisenmanager für die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Peer Steinbrück war und nun seit Jahresbeginn bei der EZB für internationale und europäische Beziehungen zuständig ist. "Was wir sehen (...), ist eine Stabilisierung an den Finanzmärkten."

Ausdrücklich lobte er in diesem Kontext Reformfortschritte in den Ländern, die derzeit Hilfsprogramme in Anspruch nehmen. Portugal sei nach Erkenntnissen der jüngsten Troika-Mission aus EZB, EU-Kommission und IWF "auf Kurs", und in Irland würden "wirklich ermutigende Maßnahmen" ergriffen. "Meine Erwartung ist, dass Irland vor dem Ende dieses Programms an die Märkte zurückkehren kann, das heißt vor Ende 2013."

Mit Blick auf die jüngsten Marktspannungen bei spanischen Anleihen beklagte Asmussen eine mangelhafte Kommunikation des Landes "auf der fiskalischen Seite", aber auch ein Überschießen der Märkte. "Sie haben ein bisschen Marktvertrauen verloren und sind auf dem Weg, dies wieder gut zu machen", stellte das EZB-Direktoriumsmitglied fest.

Anfang März hatte Spaniens damals frisch gewählter Regierungschef Mariano Rajoy seine europäischen Partner verärgert, weil er das spanische Defizitziel für dieses Jahr selbständig anhob. An den Märkten gilt die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone seitdem zunehmend als ein möglicher Kandidat für Finanzhilfen, was Rajoy allerdings erst vor wenigen Tagen erneut komplett ausschloss.

Asmussen forderte nun demonstrativ die Verantwortlichen der Euro-Länder, in denen die nächsten Wahlen anstehen, zu einer verlässlichen Politik auch für die Zeit danach auf. Die nächste griechische Regierung müsse das mit dem Land vereinbarte Reformprogramm voll übernehmen, "um einen breitest möglichen politischen Konsens herzustellen", verlangte er. Und von Frankreich erwartete er, dass das Land unabhängig von Wahlausgang seine Zusage einhalte, die Neuverschuldung 2013 auf die erlaubten 3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu senken.

Deutschland sah das EZB-Direktoriumsmitglied in einer nach wie vor starken wirtschaftlichen Position. "Wenn es Überraschungen beim deutschen Wachstum gibt, würde ich erwarten, dass sie dieses Jahr auf der positiven Seite liegen," prophezeite er. Allerdings warnte er auch vor Selbstzufriedenheit und forderte eine Erhöhung des deutschen Wachstumspotenzials. Die Bundesregierung, die bisher für dieses Jahr 0,7 Prozent Wachstum erwartet, will ihre neue Prognose Ende April veröffentlichen.

Die EZB betreibe ihre Geldpolitik "für den Euroraum als Ganzes", stellte der deutsche Vertreter im EZB-Direktorium auf die Frage hin klar, ob die Zinsen für Deutschland nicht zu niedrig und daher inflationstreibend seien. "In der Eurozone insgesamt sind die Inflationserwartungen gut verankert", betonte Asmussen. Allerdings seien in einigen deutschen Gegenden deutlich steigende Immobilienpreise zu beobachten, wogegen die Zentralbank jedoch keine Instrumente besitze. Das von den Ölpreisen ausgehende Inflationsrisiko wertete er als "begrenzt" und betonte: "Wir sehen bisher keine Anzeichen von Zweitrundeneffekten aus höheren Ölpreisen."

Die von Europa verordnete Konsolidierungspolitik verteidigte Asmussen, auch wenn von dieser kurzfristig negative Effekte ausgehen könnten. "Die vorgeschlagene Alternative, niedriges Wachstum mit immer noch mehr Schulden zu bekämpfen, ist einfach eine Illusion", sagte er. Trotz aller Maßnahmen zur Eindämmung der Schuldenprobleme könnte die nächste Krise aus einer völlig unerwarteten Richtung drohen, warnte Asmussen allerdings. "Es besteht immer eine gewisse Gefahr, dass die nächste Krise von einer komplett anderen Seite kommt."

Der 45-jährige, in Flensburg geborene Ökonom Asmussen ist im EZB-Direktorium für internationale und europäische Beziehungen zuständig. Neben seiner Rolle als Vertreter der EZB bei internationalen Sitzungen nimmt er mit deren Präsidenten Mario Draghi an den Treffen der Eurogruppe und des Ecofin-Rats sowie an den Sitzungen der Staats- und Regierungschefs auf Ebene der EU und des Euroraums teil. Außerdem ist er für Rechtsdienste, das Neubauprojekt der EZB und deren Ständige Vertretung in Washington verantwortlich.

 

[Bildquelle: iStockPhoto]

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